Von Wolf Röcken / Berner Zeitung.
Die Aufsichtskommission des Berner Stadtrats untersucht die städtische Kulturpolitik und insbesondere die ‑förderung. Ausgelöst hat die Untersuchung auch ein kritischer Artikel des «ensuite»-Machers Lukas Vogelsang.
In der Abteilung Kulturelles der Stadt Bern gilt unter anderem folgender Leitgedanke: «Wir sind verlässlich, konsequent und transparent, unsere Entscheide sind begründbar.» Vor allem die letzten beiden Punkte sind es, die Lukas Vogelsang, Macher des Kulturmagazins «ensuite», in der August-Ausgabe seines Magazins massiv infrage gestellt und die städtische Subventionspolitik stark kritisiert hatte. Auf offiziellem Weg sei seine Kritik bis heute unwidersprochen geblieben, sagt Vogelsang jetzt, selber etwas erstaunt.Auf Widerhall stiess der Artikel jedenfalls: Die städtische Verteilpolitik von Kulturgeld wird untersucht. Ausgelöst auch durch den «Fall ‹ensuite›», hat sich die Aufsichtskommission (AK) des Stadtrats des Themas der städtischen Kulturförderungsverträge angenommen. «Wir warten auf interne Abklärungen», bestätigt Hasim Sançar, Präsident der AK, auf Anfrage. «Die Geschichte ist zwar nicht neu, aber ziemlich komplex.»
Weitere Angaben will Sançar vorderhand nicht machen. Auch bei der Abteilung Kulturelles der Stadt Bern selber will man mit Hinweis auf das laufende Verfahren zurzeit keine Stellung nehmen.
Kritik an der Vergabe
Vogelsangs Kritik im mehrseitigen Artikel fiel in gewohnt deutlichem Ton aus. «Kompetenzüberschreitung?», «Fehlende Ausschreibung?» und «Ein Fall für den Schweizer Presserat?» lauten die Zwischentitel des Artikels. Zwei Punkte kritisierte Vogelsang besonders: zum einen die wenig transparente Vergabe von Geldern – insbesondere natürlich auch für «ensuite». Seit 2003 erhielt «ensuite» total rund 110’000 Franken von der Stadt. Im September 2010 habe die Stadt signalisiert, 2011 für «ensuite» kein Geld mehr zu sprechen. Vogelsang stört sich daran, dass er damals noch gar kein Gesuch eingegeben hatte, welches dann neutral behandelt werden konnte. Das Gesuch, das er daraufhin in 28-facher Ausführung für sämtliche Mitglieder der Kulturkommissionen geschickt habe, sei ihm zurückgesandt worden. So hätten die Kommissionsmitglieder gar nicht gewusst, worum es gehe. Zudem habe die Stadt das Nein einmal mit Sparen begründet, ein anderes Mal mit der Konkurrenzsituation mit der städtisch unterstützten Kulturagenda.
Die Kulturagenda war ein weiterer Kritikpunkt von Vogelsang. Sie wird von der Stadt jährlich mit 140’000 Franken subventioniert und dem Anzeiger Region Bern beigelegt. Eine echte Ausschreibung dafür, gemäss Beschaffungsreglement, habe nie stattgefunden, so Vogelsang. Und: Die Anzeigerverordnung habe man später extra für mehr redaktionelle Inhalte geöffnet, damit der Anzeiger eine bessere Marktposition erreiche.
«Viele sachliche Fehler»
Bei der Abteilung Kulturelles der Stadt Bern sei man weiter nicht inhaltlich auf die Kritik von Vogelsang eingegangen, weil sie «viele sachliche Fehler» enthalte, wie Peter Schranz, der stellvertretende Abteilungsleiter, sagt. Und Vogelsang habe sich nie selber bei der Abteilung gemeldet, um entsprechende Fragen in dieser Sache zu klären.
Mit seinem Gesuch für «ensuite» etwa sei Vogelsang direkt an die Kommissionen gelangt, erläutert Schranz. Dies seien aber keine eigenständigen Fördergremien, sondern der Abteilung Kulturelles zugeteilt, und hätten auch keine eigene Ausgabekompetenzen. Sie würden die Abteilung lediglich bei der Vergabe unterstützen. Zum Thema Kulturagenda äussert sich die Abteilung Kulturelles nicht.
Auch Galerien kritisieren
«Der Disput zwischen der Stadt Bern und mir als Chefredaktor von ‹ensuite› ist bereits legendär», schreibt Lukas Vogelsang selber in seinem Artikel und spielt damit auf den einen oder anderen Schlagabtausch in der Vergangenheit an. Vogelsang ist mit seiner Kritik aber nicht alleine. Auch eine Mehrheit der Mitglieder des Vereins Berner Galerien betrachtet die Subventionspolitik und insbesondere die Kulturagenda zurzeit kritisch. Der Verein, dem 14 Berner Galerien angehören, hatte als Konsequenz bereits früher beschlossen, die Mitgliedschaft im Trägerverein der Kulturagenda zu künden. Nun hat eine Mehrheit an der Hauptversammlung ein Wiedererwägungsgesuch abgelehnt, wie Margrit Engler, Sekretärin des Vereins, bestätigt. Im Kündigungsschreiben kritisiert der Verein die «grundsätzlich fragwürdige Subventionierungspolitik von Kulturgeldern der Stadt Bern».
«Mit der Kulturagenda wird unnötig Geld verbraucht, das andere Kulturveranstalter gut brauchen könnten», findet der Berner Galerist Raphael Rigassi. Die Kritikpunkte der Galeristen: Die Kulturagenda biete keinen Mehrwert gegenüber den lokalen Tageszeitungen, und der städtische Subventionsbetrag von 140’000 Franken stehe in keinem Verhältnis zum Produkt. Auf das Traktandum «Kulturagenda» komme man in einem Jahr zurück, so der Verein, wenn sich «in positivem Sinn» etwas ändern würde. (Berner Zeitung)
Erstellt: 27.09.2011, 09:18 Uhr




