«Ein jeder Gegenstand des neuen Heims wird der jungen Hausfrau Stolz und Freude sein, aber allen voran ist wohl der schön ausstaffierte Wäscheschrank ein kleines Heiligtum für sich. Was in der schönen Mädchenzeit vielleicht unter Sinnen und Träumen an den Herzallerliebsten die fleissigen Mädchenhände schafften, liegt hier zusammengeschichtet.»
H. Morgenstern, in: Das Hochzeitsbuch. Ein unentbehrlicher Ratgeber für Bräute und junge Hausfrauen, Leipzig, 1900
Ein indiskreter Blick in Urgrossmutters Wäscheschrank
Vom 29.10.2009 bis zum 7.2.2010 zeigt das Museum Neuhaus Biel die Sonderausstellung Urgrossmutters Wäscheschrank: sticken, häkeln, nähen … Was einst wohl verschlossen den Stolz der Hausfrau ausmachte, wird im Museum sichtbar ausgebreitet. Die Ausstellung erlaubt uns einen indiskreten Blick in den Wäscheschrank unserer Urgrossmütter: Bett- und Tischwäsche, Küchentücher, Taschentücher, Unterwäsche, Nachthemden usw. liegen hier sorgfältig gefaltet auf den Tablaren, und sie bilden den wohl umsorgten Schatz der stolzen (bürgerlichen) Hausfrau. Schon in jungen Jahren arbeitet die heranwachsende Frau an ihrer Aussteuer, sie näht, stickt, häkelt usw., um dann gut ausstaffiert ihre zukünftige Rolle als Ehefrau, Hausfrau und Mutter antreten zu können. Bald nach der Heirat meldet sich der Storch, und die ganze Bébé-Aussteuer muss vorbereitet werden … Die Ausstellung öffnet nicht nur Urgrossmutters Wäscheschrank, sondern sie bringt für einmal auch die Textilsammlung des Museum Neuhaus ans Tageslicht, die es seit seiner Gründung betreut und laufend erweitert.
Textilien aller Art: Vom bestickten Leintuch bis zum Nachtjäckchen
Die Ausstellung präsentiert Heimtextilien und Leibwäsche aller Art aus der Zeit um 1880–1920: Kunstvoll gestickte Monogramme machen aus jedem gewöhnlichen Leintuch ein Unikat, liebevoll gehäkelte Bettdecken oder mit Spitzen besetze Taschentücher unterstreichen die Sorgfalt und den Aufwand, den man einst mit seinen Textilien betrieb. Dazu gehörte auch, dass man jedes noch so banale Küchentuch nummerierte, um den Überblick über seine textilen Schätze zu behalten. Im Wäscheschrank fanden sich aber nicht nur Heimtextilien aller Art. Die Ausstellung zeigt auch, welche Unterwäsche die Frau um 1880–1920 ihr Eigen nannte. Das Betrachten der knielangen „Beinkleider“ oder gestrickten Unterröcke dürften heute eher ein Schmunzeln als erotische Gefühle hervorrufen. Die vielen Rüschchen und Spitzenbändchen beim Nachtjäckchen oder Nachthemden zeigen aber durchaus, dass die Frauen von einst auch nachts eine gute Figur machen wollten. Meldete sich dann der Storch, so lag die Aussteuer für das Bébé parat: vom gestrickten oder gestickten Lätzchen bis gehäkelten Häubchen hatten fleissige Hände ein breites Betätigungsfeld.
Die Blütezeit der „weibliche Handarbeiten“
Die Ausstellung zeigt auch, wie aufwändig und liebevoll die Textilien in Urgrossmutters Wäscheschrank verziert oder sogar selber hergestellt wurden. Nähkästchen, Nähmaschinen, Stickrahmen, Musterbücher und weitere Utensilien illustrieren die Blütezeit der so genannten „weiblichen Handarbeiten“. Die Resultate konnten sich sehen lassen: Auf dem schön gedeckten Tisch, als Zierdeckchen, Kissen oder Zimmerschmuck verschönerten Textilien die Wohnung. Eine grosse Reserve an Weisswäsche war damals nötig, weil längere Perioden zwischen den sehr aufwändigen Waschtagen zu überbrücken waren, und die Ausstellung vergisst denn auch nicht die Pflege der Wäsche in Waschküche und Bügelzimmer.
Vorführungen in der Ausstellung am Sonntag, 15. November 209, 14–17 Uhr
Wer nicht die fertigen Resultate fleissiger Frauenhände bewundern will, sondern miterleben will, welche Arbeit und welche Fingerfertigkeiten nötig waren, kommt am Sonntag, den 15.11.09 auf seine Rechnung. Dann werden nämlich in der Ausstellung von 14:00 bis 17.00 Uhr verschiedene traditionelle textile Handarbeiten – Weben, Klöppeln, Sticken usw. vorgeführt.
Quelle: Pressetext
Museum Neuhaus Biel, 29.10.2009 – 7.02.2010