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Überall Faschisten – Teil 2

Von Patrik Etschmayer - Faschismus und faschi­sto­ides Verhalten und Denken sind trotz ambi­va­len­ter Wurzeln tra­di­tio­nel­ler­wei­se auf der rech­ten Seite des Politspektrums ver­or­tet. Doch die ver­rot­te­te Faulheit des Fascho-Denkens ist auch für Linke attrak­tiv, wenn es dar­um geht, Menschen nach Kategorien und nicht nach deren Handeln und deren Motivationen und deren Sein zu beur­tei­len.

Der «Dreadlock-Skandal» bei der einer weis­sen Reggae-Band wegen der angeb­lich exklu­siv der jamai­ka­ni­schen Rasta-Kultur gehö­ren­den Dreadlocks (die über Jahrhunderte in Kulturen auf der gan­zen Welt vor­kom­men, nota­be­ne) der Auftritt ver­bo­ten wur­de, weil sie ‹nega­ti­ve Gefühle› in Zuschauern aus­ge­löst hät­ten, ist so ein Fall. Die Ausuferung des Shitstorms bis zur Perücke der Clownin Nadeschkin setzt der Absurdität die Krone auf.

Denn der Vorwurf, dass hier die Kultur ange­eig­net wor­den sei läuft, in Konsequenz wei­ter gedacht, hin­aus auf ein Kulturdenken, das einer Reichskulturkammer eines Joseph Goebbels wür­dig ist. Kultur wird hier nicht mehr als ein leben­di­ger und wenn mög­lich respekt­vol­ler Austausch zwi­schen ver­schie­den­sten Ländern betrach­tet, son­dern als eth­nisch fixier­tes gut. Die Zeiten, als Rhythm ’n Blues als ‹Negermusik› zusam­men mit deren Schöpfern ver­ächt­lich gemacht wur­de und weis­se Menschen die­sen als weis­se Musik ver­klei­de­ten Rock’n Roll zu hören und zu machen hat­ten, winkt durch die Jahrhunderte den woken Kulturwächtern zu, die auf­grund von ‹Gefühlen› sich zum Handeln als Kulturpolizei beru­fen füh­len.

Das tota­li­tä­re Denken zeigt sich auch in der Verweigerung jeg­li­chen Dialoges: Debatten fin­den als Monolog statt. Die Gefühle sind abso­lut und wie jede will­kür­li­che Ideologie, deren Basis auf kru­den, dem eige­nen Befinden  ent­spre­chen­den Versatzstücken der selbst­zu­frie­de­nen pseu­do­mo­ra­li­schen Überlegenheitsgefühlen auf­baut, wird ernst­haf­tem Debattieren um jeden Preis aus­ge­wi­chen. Denn die Enthüllung des tota­len Bankrott der eige­nen Position wäre unver­meid­lich.

So gerie­ren sich die lin­ken Wächter kul­tu­rel­ler Reinheit im Stil ihrer iden­ti­tä­ren Gegenstücke aus dem rech­ten Spektrum, wer­den Woke und Identitäre ein­fach zu Prägungen auf zwei Seiten der glei­chen Medaille, die sich alle jene, deren Intellekt die Tiefe einer Pfütze knapp unter­schrei­tet, mit Stolz umhän­gen kön­nen.

Dabei domi­niert sowohl links wie rechts eine wirk­lich pro­fun­de Selbstverliebtheit, die abso­lu­te und eben­so abso­lut fal­sche Überzeugung, die Wahrheit für die Welt gefun­den zu haben, und die­se ihr in den Rachen zu stop­fen zu wol­len, als gin­ge es dar­um, Stopfleber zu erzeu­gen.

Diese Arroganz der Alleindeutung und die Konsequenz der Verachtung gegen­über anders­den­ken­den ist zen­tral in tota­li­tä­ren Denksystemen, erlaubt dies doch, sich eine rei­ne Welt zu den­ken, aus der alles gefühlt unrei­ne, alles gefühlt ver­schmutz­te oder unkor­rek­te ver­bannt, ver­jagt oder gar ver­nich­tet wer­den darf, ja muss.

Hier wird die Verwandtschaft des Faschismus mit der fana­tisch geleb­ten Religiosität offen­sicht­lich, dem eigent­li­chen Urfaschismus. Auch dort wird betont, dass – in die­sem Fall reli­giö­se – Gefühle sakro­sankt sei­en. Dabei ist es – sehen wir nur ein­mal die Fatwa gegen Salman Rushdie und die schreck­li­chen Folgen nach Jahrzehnten an – ganz egal, wie idio­tisch und fremd jeder Wahrheit die auf Grund von ver­letz­ten Gefühlen vor­ge­brach­ten Anschuldigungen sind. Nur das Gefühlte zählt, obwohl die­ses tie­fer auf den/die EmpfängerIn als den/die Senderin schlies­sen lässt. Und die­ses Fühlen ist vom infan­til-unrei­fen Geist, der faschi­sti­schem Denken erst den not­wen­di­gen, frucht­ba­ren Boden bie­tet, nicht zu beherr­schen. Unverarbeitete, früh­kind­li­che Kränkungen war­ten nur dar­auf, jede Bemerkung, die mit dem eige­nen Weltbild nicht über­ein­stimmt, als unge­hö­ri­gen Angriff auf die­se und wie sie sein müs­se, wahr­zu­neh­men. Sei dies nun die Empfehlung, sich imp­fen zu las­sen, die Feststellung, dass auch die eige­ne Nation schwar­ze Flecken in sei­ner Geschichte hat, die auf­ge­ar­bei­tet wer­den müss­ten, oder dass Menschen, die anders den­ken, reden und aus­se­hen auch eine Existenzberechtigung haben. Diese Verachtung des Anderen fin­det am lin­ken Ende des Spektrums sei­nen Ausdruck in einem kul­tu­rel­len Paternalismus, der die Anerkennung ande­rer Kulturen dar­in sucht, das Recht, die­se aus­zu­üben exklu­siv der ver­meint­li­chen Herkunftsethnie zuzu­spre­chen, selbst wenn die­se Musiken, Literaturen oder Geschichten schon Resultate von frü­he­ren, längst ver­gan­ge­nen, frucht­ba­ren kul­tu­rel­len Begegnungen unter­schied­lich­ster Menschen waren und kon­se­quen­ter­wei­se auch ver­bo­ten sein müss­ten.

Der Hass, der im Canceln von respekt­vol­len, welt­of­fe­nen Menschen liegt, ist erschüt­ternd und dass es nun aus­ge­rech­net Linke sind, die im einst von  die­ser Seite gelieb­ten Multikulti ein neu­es Feindbild gefun­den haben, zeigt, wie erfolg­reich das rech­te Kategoriendenken aus dem ein­sti­gen brau­nen Reservat aus­ge­bro­chen ist.