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Titeuf

Von Sonja Wenger – Jemand beschrieb die Quintessenz der Comicfigur Titeuf ein­mal mit «Maitliwitz, Fürzli, Bissi, Gaggi und Schnäbbi». Das ändert jedoch nichts an ihrer unge­heu­ren Popularität. Die Geschichten von Titeuf, dem fre­chen Zehnjährigen mit der blon­den Tolle, gehö­ren seit den neun­zi­ger Jahren nicht nur in Frankreich und in der Schweiz zu den belieb­te­sten Comics über­haupt. In mitt­ler­wei­le fünf­zehn Bänden (in der Originalsprache Französisch) und unzäh­li­gen Nebengeschichten sin­niert Titeuf über alles, was das Leben von Erwachsenen bestimmt: Liebe, Sex, Aids, Beziehungen oder ande­re Umweltprobleme.

Nach einem jah­re­lan­gem Finanzierungsmarathon sowie zwei Jahren Produktionsphase soll «Titeuf» nun auch das Kinopublikum erobern. In einer ver­flixt gut syn­chro­ni­sier­ten Schweizerdeutschen Fassung muss sich Titeuf dabei mit dem lästi­gen Beziehungsknatsch sei­ner Elten aus­ein­an­der­set­zen, was ihm umso schwe­rer fällt, als er doch sel­ber ver­liebt ist in Nadia, das ein­zi­ge schö­ne Mädchen auf dem Schulhof. Sie zeigt ihm wegen sei­ner dum­men Sprüche jedoch die kal­te Schulter und hat ihn als ein­zi­gen nicht zu ihrer Geburtstagsparty ein­ge­la­den.

Guter Rat tut also Not. Denn als Folge des immer grös­se­ren Schlamassels, in den sich Titeuf bei sei­nen Versuchen rei­tet, Nadias Herz zu erobern, greift er zu immer dra­sti­sche­ren Mitteln: Ein «poe­ti­scher Liebesbrief» soll Abhilfe schaf­fen, und die zwi­schen­zeit­li­che Trennung sei­ner Eltern wird zwecks Mitleid zu einem Scheidungsdrama hoch­sti­li­siert. Doch der Liebesbrief wird mit dem Einkaufszettel ver­wech­selt und Titeufs Fantasie brennt mit ihm durch. Bevor er am Ende doch auf Nadias Party mit­tan­zen darf, tritt er noch in eine Menge Fettnäpfe.

Titeufs Schöpfer Zep, der Genfer Philippe Chappuis, hat bei dem Werk gleich sel­ber Regie geführt, das vom Schweizer Studio PointProd sowie vom fran­zö­si­schen Grossstudio Moonscoope pro­du­ziert wur­de. Die erfolgs­ab­hän­gi­ge Filmförderung des Bundesamts für Kultur steu­er­te zehn Prozent der Produktionskosten von umge­rech­net rund zwan­zig Millionen Franken bei. Bedauerlicherweise blieb trotz­dem die von der Schweizer Animationsszene erhoff­te Chance aus, erst­mals und weit­rei­chend an einer gros­sen euro­päi­schen Koproduktion mit­wir­ken zu kön­nen, nach­dem Moonscoope ent­schied, den gröss­ten Teil der Animation in Frankreich und vor allem in Asien her­zu­stel­len.

So ist die Handschrift von Moonscoope, in deren Studios dut­zen­de TV-Animationsserien im Massenverfahren her­ge­stellt wer­den, auch im Film «Titeuf» sicht­bar. Dass der Film den­noch über einen rot­zi­gen Charme ver­fügt, ist Zep des­halb hoch anzu­rech­nen. Die durch­aus viel­schich­ti­ge Geschichte hängt nur sel­ten durch, was «Titeuf» zu einem kurz­wei­li­gen Erlebnis mit Gute-Laune-Effekt macht. Hinzu kommt, dass die Welt der Erwachsenen geschickt mit einem Augenzwinkern gezeigt wird, die Schweizerdeutsche Fassung blen­dend funk­tio­niert, und die Lieder von Florian Ast und Gölà (des­sen Part im fran­zö­si­schen Original pas­send zum Bild von Johnny Hallyday gesun­gen wird) wun­der­bar in die Handlung ein­ge­bet­tet sind. Titeufs Fantasie tut das ihre dazu, dass man im Film ziem­lich oft am Kichern ist.

Genau jener Versuch der Vielschichtigkeit könn­te aber auch zum Rohrkrepierer wer­den. Denn zum einen behan­delt der Film mit der mög­li­chen Scheidung von Titeufs Eltern durch­aus ein «Erwachsenenthema», bleibt dabei jedoch durch­wegs gefan­gen in «Maitliwitz, Fürzli, Bissi, Gaggi und Schnäbbi» – so dass der Eindruck ent­steht, Zep habe sich nicht für ein bestimm­tes Zielpublikum ent­schei­den kön­nen.

Wer mit die­ser Dualität kei­ne Probleme hat, fin­det in «Titeuf» jedoch aus­rei­chend unter­halt­sa­me Elemente, zumin­dest in jenen Szenen, in denen Titeufs kau­zi­ge aber lie­bens­wer­te Freunde Manu, Hugo, François, Jean-Claude oder Morvax ihm jede Menge unbrauch­ba­re Ratschläge geben, wie man mit Frauen umge­hen müs­se – oder wenn er sei­nem Vater den geplan­ten Seitensprung gewal­tig ver­miest.

In der Romandie war «Titeuf le film» bereits vor einem Jahr im Kino und stand mit über 46’000 Zuschauern an drit­ter Stelle der erfolg­reich­sten Schweizer Filme des ver­gan­ge­nen Jahres. Ob die Mundartfassung dar­an anknüp­fen kann, bleibt abzu­war­ten. Zumindest der erfolgs­ab­hän­gi­gen Filmförderung der Schweiz wäre es zu wün­schen.

«Titeuf». Frankreich/Schweiz 2011. Regie: Zep. Länge: 87 Minuten.

Foto: zVg.
ensuite, April 2012