Thomas Isler: «Die Demokratie ist los»

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Von Sonja Wenger - «Pass auf, dass du dei­ne Freiheit nutzt, denn die Freiheit nutzt sich ab wenn du sie nicht nutzt», singt Reinhard Mey in sei­nem Lied «Sei wach­sam». Dieser Aufruf mag poe­tisch klin­gen, viel­leicht sogar ein biss­chen ver­harm­lo­send. Doch die Wahrheit, die dahin­ter steckt, ist so sim­pel wie erschreckend wahr: Gewohnte Grundrechte sind hart erkämpft, aber nicht in Stein gemeis­selt. Und gera­de in einer direk­ten Demokratie wie der­je­ni­gen der Schweiz unter­liegt etwa die Verfassung, jenes Fundament des Rechtsstaates, einer fort­lau­fen­den Veränderung.

Nun geht es Mey in sei­nem Lied vor­nehm­lich um die zuneh­men­de Beschneidung vie­ler Grundrechte und Freiheiten durch poli­ti­sche und wirt­schaft­li­che Interessen. Doch was ist, wenn ein Volk selbst wich­ti­ge Freiheiten in Frage stellt? Sind Volksentscheide wich­ti­ger als Menschenrechte? Und was sind die Konsequenzen von popu­li­sti­schen Initiativen?

Genau mit sol­chen Fragen setz­te sich Thomas Isler in sei­nem äus­serst sehens­wer­ten Dokumentarfilm «Die Demokratie ist los» aus­ein­an­der. Er stellt unlieb­sa­me und pro­vo­ka­ti­ve Fragen in einem Land, dass sich viel auf sei­ne demo­kra­ti­schen Errungenschaften ein­bil­det, in dem die Wahlbeteiligung aber trotz­dem nur sehr sel­ten 45 Prozent über­schrei­tet. Und wenn doch, sind die Diskussionen im Vorfeld oft von Emotionen domi­niert, die so gar nichts mit einem auf­ge­klär­ten Rechtsempfinden zu tun haben.

Die über­ra­schen­den Abstimmungsergebnisse der letz­ten Jahre zu Themen wie Minarettverbot, Ausschaffungs- und Masseneinwanderungsinitiative, aber auch zur Verwahrungsinitiative haben des­halb vie­len Bürgerinnen und Bürgern zu den­ken gege­ben. Und gera­de von Seiten der Politik wird seit­her immer wie­der eine Diskussion ange­heizt, in der es weni­ger um die Frage geht, ob wir «eine Diktatur der Mehrheit wol­len», son­dern auch um die Voraussetzungen für demo­kra­ti­sche Partizipation.

Doch wäh­rend die Schweiz tat­säch­lich mit ihrer Demokratieform hadert, blicken in vie­len euro­päi­schen Ländern Menschen neu­gie­rig, bei­na­he sehn­süch­tig her­über und wünsch­ten sich mehr Möglichkeiten der Partizipation nach dem Schweizer Modell. Dezent ver­mag Isler durch die­sen Blick von aus­sen auch die Innensicht neu zu beleuch­ten – denn bei so etwas Wichtigem wie den demo­kra­ti­schen Rechten soll­ten wir nicht erst dann ihren Wert erken­nen, wenn wir sie ver­lo­ren haben. «Die Demokratie ist los» lei­stet hier­für einen so rele­van­ten wie unter­halt­sa­men Beitrag zur staats­kund­li­chen Aufklärung, und wird inzwi­schen auch als Lehrmittel in Schulen ein­ge­setzt. Denn nur wer genau hin­schaut, kann auch wach­sam genug sein.

«Die Demokratie ist los», Schweiz 2014. Regie: Thomas Isler. Länge: 82 Minuten. Ab dem 3. September 2015 in Deutschschweizer Kinos

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