In Tat und Wahrheit

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ensuite_146_Februar_15Von Lukas Vogelsang – Was für ein Jahresanfang! Da denkt man nichts Böses und star­tet das Jahr mit Hoffnungen und Vorsätzen, Plänen und Ideen, und schon nach zwei Wochen hat sich die Realität ver­scho­ben und kein Stein scheint mehr auf dem ande­ren zu lie­gen. Der Schock steckt vie­len noch in den Knochen. Allerdings, war das alles wirk­lich so unvor­her­seh­bar? Der IS hat den Krieg schon lan­ge aus­ge­ru­fen – nicht erst gestern. Und einen Krieg kön­nen nur alle betei­lig­ten Parteien zusam­men been­den. Und das ist offen­sicht­lich noch nicht gesche­hen.

Das glei­che Szenario haben wir mit dem Euro-Sturz. Von wegen Überraschung: Drei Jahre lang wur­de die­ser Kurs künst­lich sta­bi­li­siert und die Schweizerische Nationalbank hat das immer wie­der deut­lich kom­mu­ni­ziert. Doch statt dar­auf hin­zu­ar­bei­ten, was sein wür­de, wenn die­se Wirtschaftssubvention ein Ende haben wird, genoss man den neu­en Wohlstand in Sicherheit. Wir haben ein­fach ver­ges­sen, was die Realität ist. Und wie erstaun­lich, dass die Börsen fast ins Bodenlose stürz­ten. Nick Hayek, Chef des Bieler Uhrenherstellers Swatch, schlug dabei gros­se Töne an. Natürlich wur­de nicht erwähnt, dass sein Unternehmen erst kurz zuvor an der Zürcher Bahnhofstrasse ein Haus für geschätz­te 400 – 500 Millionen gekauft hat. Welch Luxus! Und er sag­te in die­sem Zusammenhang auch nicht, dass er am 6. Januar in einem Interview mit watson.ch mein­te: «Ein biss­chen Chaos ist nicht schlecht.» Ebenso die neu­see­län­di­schen Broker, wel­che nach angeb­li­chen Millionen-Verlusten inner­halb von den ersten 6 Stunden Bankrott mel­de­ten, erzäh­len nicht, mit wie vie­len Milliarden sie auf der Subventionsstütze der Schweizerischen Nationalbank spe­ku­lier­ten. Bereits nach ein paar Tagen wur­den all­ge­mein die Stimmen gemäs­sig­ter. Das Vertrauen zur SNB war fast wie­der her­ge­stellt. Eben, man wuss­te drei Jahre lang genau, dass die­ser Tag kom­men wür­de. Und neben­bei darf nicht ver­ges­sen wer­den, dass in Krisenzeiten die Luxuswirtschaft die besten Umsätze macht. Das zeig­te unter ande­rem SRF im Jahr 2009 in einem Beitrag der Rundschau.

Realitäten kann man ganz unter­schied­lich betrach­ten. Es gibt die «glei­che Betrachtungsweise» nicht, da Menschen nie den iden­ti­schen Erfahrungshorizont haben kön­nen. Wenn ich «Baum» schrei­be, den­ken Sie, lie­be LeserInnen, gleich an ihr eige­nes Bild von einem Baum. Der hat wahr­schein­lich nicht viel mit mei­nem Baum gemein­sam. Und des­we­gen gibt es «die Realität» wohl nicht, denn das Abbild davon in unse­rer Wahrnehmung ist ein Einzigartiges. Ich zweif­le auch sehr, dass es «eine all­ge­mein­gül­ti­ge Wahrheit» geben soll. Selbst eine mathe­ma­ti­sche Berechnung ist nur in ihrem mathe­ma­ti­schen Universum kor­rekt. Unsere Versuche, all­ge­mein­gül­ti­ge gesell­schaft­li­che Betrachtungsweisen zu kre­ieren, haben also nichts mit Biederkeit oder Freiheitsentzug zu tun, son­dern die­nen eigent­lich der gemein­sa­men Entwicklungsfähigkeit einer Gesellschaft. Wenn alle nur noch in «ihrer Realität» funk­tio­nie­ren, wird es zuneh­mend schwie­rig, gemein­sam auf die­sem Planeten zu leben. Es braucht also «Normen». Damit möch­te ich aber das «Chaos» nicht aus­schlies­sen, denn eine Gesellschaft kann sich auch ideo­lo­gisch in Mustern ver­ren­nen. Und dann braucht es not­wen­di­ger­wei­se einen Neuanfang und Aufbruch.

Und genau das ist im Januar gesche­hen. Die einen reden von Angst, ande­re von Pleite, Unsicherheit, Panik und Schock. So viel Bewegung haben wir schon lan­ge nicht mehr gespürt. Es scheint, dass wir uns sel­ber dazu brin­gen, auf­zu­bre­chen und neue Horizonte zu defi­nie­ren. Leben ist etwas Bewegliches. Das Leben ver­langt nach uns. Wir müs­sen uns neu defi­nie­ren. Sie müs­sen zuge­ben, lie­be LeserInnen, dass sie in die­sen Tagen mehr­fach die aktu­el­len Nachrichten mit­ver­folgt haben. Unternehmer ver­su­chen neue Lösungen zu fin­den. Man prüft, ob die gemach­ten Pläne noch funk­tio­nie­ren unter den neu­en Spielregeln. Und die Einen haben sogar noch einen klei­nen Gewinn gemacht. Riechen sie es in der Luft? Das ist der Geschmack des Aufbruchs.

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