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Spring Time for Hitler-Wannabes

Von Patrik Etschmayer – Donald Trump ist die geföhn­te blon­de Spitze eines Eisbergs der Möchtegern- und Sindgern-Diktatoren. Andere haben schon demon­striert, wozu sol­che Psychopathen in der Lage sind, und dürf­ten ver­mut­lich ein Wunschvorbild für den oran­gen Pussygrabber im Weissen Haus sein.

Es ist schwer zu sagen, wer schlim­mer ist ‒ Putin oder Erdogan. Aber ver­mut­lich ist die­ser Wettbewerb ohne­hin nur durch die mög­li­chen Dimensionen der Scheusslichkeiten, zu denen die von ihnen geführ­ten Länder in der Lage sind, ein­zu­ord­nen. Beide haben mög­li­che Demokratien rui­niert und bei­den ist kein Mittel zu extrem, um an der Macht zu blei­ben.

Als Erdogan nach der Wahlniederlage im Juni 2015, als die AKP die abso­lu­te Mehrheit ver­lo­ren und eine pro­kur­di­sche Partei gros­se Erfolge erzielt hat­te, mit der Möglichkeit einer ech­ten Demokratie kon­fron­tiert war, schmiss er den bis dahin erfolg­rei­chen Friedensprozess mit den Kurden kur­zer­hand in den Kübel. Er ver­hin­der­te wäh­rend Monaten eine Regierungsbildung und pro­vo­zier­te gleich­zei­tig radi­ka­le kur­di­sche Kräfte. Am Ende stan­den Terroranschläge und wie­der Konflikt und Tod durch Bomben, Luftangriffe und Kommando-Einsätze in kur­di­schen Gebieten, die mit Terroranschlägen auf tür­ki­sche Regierungseingriffe beant­wor­tet wur­den. Mit oppres­si­ven Massnahmen und einer durch die Gewalthandlungen gestärk­ten ultra­na­tio­na­li­sti­schen Wählerschaft brach­te es Erdogan bei den von ihm erzwun­ge­nen Neuwahlen tat­säch­lich wie­der zu einer abso­lu­ten Mehrheit ‒ zu einem schreck­li­chen Preis.

Vermutlich wird man es nie erfah­ren, aber der Putschversuch, der Erdogan end­gül­tig die Instrumente in die Hand spiel­te, die Türkei in eine Diktatur zu ver­wan­deln, war viel­leicht der letz­te Versuch, den Wahnsinn die­ses isla­mo­fa­schi­sti­schen Narzissten zu stop­pen. Als ihm alle Staatsoberhäupter Europas in den Tagen nach dem Putsch unter­stüt­zend zur Seite stan­den, um die Demokratie in der Türkei zu ret­ten, rea­li­sier­ten anschei­nend nur weni­ge, dass sie dem Totengräber von genau die­ser Solidarität ver­spra­chen.

Dass Erdogan und Putin anschei­nend gute Freunde sind, die auch ein abge­schos­se­nes Flugzeug nicht auf Dauer ent­zwei­en kann, ist ja schon seit eini­ger Zeit hin­rei­chend bekannt. Doch anschei­nend hat Putin sei­nem guten Freund am Bosporus auch ein Buch über sei­nen Übervater Stalin geschenkt, denn die «Reinigung» des tür­ki­schen Staatsapparates nach dem Putschversuch hat fast schon sta­li­ni­sti­sche Züge ange­nom­men. Zwar gab es noch kei­ne (bekannt gewor­de­nen) Massenhinrichtungen, aber die Entlassungs- und Zensurwelle hat die Fähigkeit, Leben und Kultur genau so dra­stisch zu zer­stö­ren wie gewalt­tä­ti­ge­re Massnahmen. Denn ein wirt­schaft­lich rui­nier­ter, mund­tot gemach­ter Gegner ist eigent­lich so gut wie tot.

Und nun also die Vorbereitung auf das «Sultanat Erdogan»; nach­dem das Parlament sich de fac­to selbst die Kugel gege­ben hat, scheint Erdogan einen Schritt vor der abso­lu­ten Macht zu ste­hen. Allerdings haben er und sein ver­bün­de­ter Putin ein ent­schei­den­des Problem: Wirtschaftlich sind bei­de Länder am Boden und ste­hen vor der Implosion. Natürlich geben bei­de dem Rest der Welt die Schuld für die Misere, aber das eben­falls durch pseu­do­de­mo­kra­tisch legi­ti­mier­te Diktatoren rui­nier­te Venezuela demon­striert, dass ein Land wirt­schaft­lich nicht nur am Boden, son­dern sogar zwei Handbreit dar­un­ter sein und sich das Regime trotz­dem noch hal­ten kann, wenn Armee und Regierungsapparat so tief mit im Dreck stecken, dass ein Regimewechsel prak­tisch einem kol­lek­ti­ven Selbstmord gleich­kä­me.

Obwohl die Türkei so nahe ist ‒ von uns etwas wei­ter als Schweden ent­fernt ‒, scheint man sie auf einem ande­ren Planeten zu wäh­nen und die Vorgänge dort mit einer Mischung aus Erschrecken und etwas gleich­gül­ti­gem Schaudern ‒ wie beim Schauen eines alten Horrorfilms ‒ zu betrach­ten. Sobald das wirt­schaft­li­che Gebälk der Türkei zusam­men­kracht, wird Erdogan ver­mut­lich sein letz­tes Kapital auf den Tisch legen und der EU wie­der ein­mal mit dem Ende des Flüchtlingsdeals dro­hen, wenn er kei­ne Wirtschaftshilfe bekommt. Spätestens dann wird es auch uns hier wie­der ein­fal­len, wie nahe die­ser Diktator doch ist.

Doch der Rest von Erdogans Griff nach der Macht ent­spricht dem Vorgehen jedes Herrschers, der tota­li­tä­re Macht anstrebt: Aufrechterhalten von Krisen, wel­che den Nationalismus schü­ren, Ausschalten von Presse und gei­sti­ger Elite (der Elitenhass, der auch bei uns zu beob­ach­ten ist, gehört zum tota­li­tä­ren 1x1), Eliminieren und Gleichschalten der frei­en Presse und das Installieren von abhän­gi­gen, getreu­en Speichelleckern an allen Schaltstellen und das Eliminieren all­fäl­li­ger alter Verbündeter (Stichwort Gülen-Bewegung), die unbe­quem gewor­den sind.

In die­sem Sinne wäre es viel­leicht auch für die Republikaner in der USA von Interesse, das Vorgehen von Erdogan (oder jedem tota­li­tä­ren Herrscher, der eine Demokratie zu zer­stö­ren ver­moch­te) zu betrach­ten und sich selbst in der Rolle der Gülen-Bewegung zu sehen, die wil­lig den Steigbügel hielt und Erdogan beim Streben nach Macht fleis­sig unter­stütz­te, bis er sie nicht mehr brauch­te und dann besei­tig­te. Es wäre des­halb für jene Republikaner, die noch ein Quäntchen Rückgrat und Demokratie-Verständnis haben, höch­ste Zeit, den Punkt zu suchen, an dem sie von Trumps Zug in die Diktatur absprin­gen wol­len.