Sprache im schwei­zer Kino

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Von Morgane A. Ghilardi – Die Debatte um den Originalton: In Anbetracht der Masse an Kulturgütern und Lehnwörtern, die von der ande­ren Seite des Atlantiks nach Europa geflu­tet kommt, könn­ten wir anneh­men, dass wir eine sehr anglo­phi­le Gesellschaft sind. Filme, Musik, ja sogar man­che Lebensmittelnamen sind in Englisch gehal­ten. Gewisse Leute fürch­ten des­we­gen eine «Anglifizierung» der deut­schen Sprache und der Welt. Im Kino haben wir jedoch nichts zu befürch­ten, denn obwohl eine Mehrheit der Filme aus Hollywood kommt, unse­rem kul­tu­rel­len Kontaktpunkt mit der eng­lisch­spra­chi­gen ame­ri­ka­ni­schen Welt, kön­nen wir kaum noch einen Mainstreamfilm im Originalton sehen.

Knapp ein oder zwei Wochen lau­fen gewis­se Filme in E/d,f – dann ver­schwin­den sie vom Kinoprogramm. Woran das liegt, ist klar: Immer mehr Zuschauer favo­ri­sie­ren die syn­chro­ni­sier­te Fassung, so dass die Kinosäle mit Originalton sich lee­ren. Suchen wir nach Erklärungen für die­ses Phänomen, wel­ches sich seit ein paar Jahren bemerk­bar macht, stos­sen wir auf die har­te Debatte von Synchronisation vs. Originalton mit Untertitelung.

Diese Debatte bekam in den letz­ten zehn Jahren viel Aufschwung mit der glo­ba­len Vermarktung von DVDs. Während man mit der VHS nur eine Tonspur mit­ge­lie­fert bekam, eröff­ne­te die DVD Filmliebhabern eine neue Welt. Wir sind uns heut­zu­ta­ge gewohnt, zwi­schen meh­re­ren Vertonungen und Untertitelsprachen aus­wäh­len zu kön­nen. Die viel­falt an Optionen erlaubt einen Vergleich, der die Debatte anheizt. Man lege ein­mal «Der Weisse Hai», bzw. «Jaws» in den DVD-Player, spu­le zu einer Szene auf dem Meer, und ver­gei­che den Ton der Originalfassung mit Untertiteln mit dem­je­ni­gen der deutsch syn­chro­ni­sier­ten.

Stellen wir einen sol­chen Vergleich an, wer­den uns die Vor- und Nachteile der Untertitelung wie auch der Synchronisation schnell bewusst. So lässt eine syn­chro­ni­sier­te Fassung für jeman­den, der kaum Englisch ver­steht, natür­lich ein bes­se­res Verständnis zu. Es soll sogar schon vor­ge­kom­men sein, dass eine Synchronfassung viel bes­ser als das Original ist, wie in der berühm­ten Serie «Die Zwei» mit Roger Moore aus den 70ern. Unweigerlich geht jedoch die schau­spie­le­ri­sche Leistung, die zu einem gros­sen Teil in der Stimme steckt, ver­lo­ren. Hansjörg Felmys Vertonung von «Jaws»-Hauptcharakter Martin Brody ent­spricht nicht der Darstellung Roy Scheiders, auch wenn sie bei­de pro­fes­sio­nel­le Schauspieler sind. Ebenfalls kön­nen die Tonalität, der Witz und die Wortspiele des Originaldialogs nie­mals exakt wie­der­ge­ge­ben wer­den.

Nicht nur bei der Sprache, son­dern auch bei der Tonspur sind qua­li­ta­ti­ve Unterschiede fest­zu­stel­len. Der atmo­sphä­ri­sche Ton, also die Umgebungsgeräusche des Films, wie z.B. das Rascheln von Stoff, das Rauschen des Meeres oder das Pfeifen einer Brise, kann nicht ori­gi­nal­ge­treu erhal­ten wer­den. Tontechnisch steckt sehr viel Arbeit in sol­chen Details, da die­se Elemente schwer­wie­gen­de Faktoren in der Bewahrung der fil­mi­schen Illusion dar­stel­len. Wird die Tonspur neu bear­bei­tet, geht vie­les davon ver­lo­ren, womit eine Tonkulisse ent­steht die sehr künst­lich wirkt, vor allem bei älte­ren Filmen.

Untertitel hin­ge­gen kön­nen oft den Sinn des Gesprochenen nicht voll­stän­dig ein­fan­gen, denn zwi­schen über­set­ze­ri­schen Schwierigkeiten und Platzproblemen kann auch hier kei­ne inhalts­ge­treue Wiedergabe ent­ste­hen. Und natür­lich ist der Prozess teu­rer, vor allem im Vergleich mit den bil­li­gen Synchronversionen aus Deutschland, die en mas­se pro­du­ziert wer­den. Es wird auch argu­men­tiert, dass Untertitel das Filmvergnügen zu einer Anstrengung machen, womit sich eine wei­te­re Debatte eröff­net, und zwar zwi­schen Bequemlichkeit und fil­mi­schem Wert.

Die für uns in der Schweiz rele­van­te Thematik ist das Paradox die­ser sprach­li­chen Bequemlichkeit und des Strebens nach Anschluss an die anglo­zen­tri­sche Welt. Während wir uns im Kino an die ame­ri­ka­ni­sche Ästhetik gewöhnt haben, die als Erfolgsrezept bis­wei­len im schwei­zer Film auch kopiert wird, wider­set­zen wir uns der Gewöhnung an die eng­li­sche Sprache. Kinder ler­nen also Englisch vor dem Französisch, wer­den in Zukunft aber nicht die Möglichkeit haben, Filme im Kino auf Englisch zu sehen. Bedenken wir, dass die jün­ge­ren MTV-Generationen nicht nur mit DVDs, son­dern auch mit dem stän­di­gen Zugang zu ame­ri­ka­ni­schen Medien via Internet auf­ge­wach­sen sind, erscheint die­se Entwicklung erstaun­lich. Während der Verlust durch Synchronisation viel­leicht vor allem die Cineasten stört, soll­te sich jeder Kinogänger der kul­tu­rel­len Aspekte bewusst sein, denn er ver­schliesst sich so dem künst­le­ri­schem Wert des Originals.

Foto: zVg.
ensuite, August 2010

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