Sonnenbrille: Lichtschutz und Kultobjekt

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Von Simone Weber – Schon lan­ge ist bekannt, dass zu grel­les Sonnenlicht die Augen plagt und ihnen sogar scha­den kann. Da Dauerblinzeln und die Augen zusam­men­knei­fen auf Zeit etwas unbe­frie­di­gend sind, setz­ten sich Männlein und Weiblein eine Sonnenbrille ins Gesicht. Diese Form des Schutzes vor lästi­gem Blendlicht ist älter, als man zunächst anneh­men wür­de. Bereits im 15. Jahrhundert wur­den Brillen mit far­bi­gen Gläsern aus­ge­stat­tet. Zunehmender Beliebtheit erfreu­te sich die Sonnenbrille aber erst im 18. Jahrhundert. Aus die­ser Zeit sind ver­schie­de­ne schrul­li­ge Originalbrillen mit grü­nen, blau­en, gel­ben und roten Gläsern bis heu­te erhal­ten geblie­ben. Ein gutes Jahrhundert spä­ter ent­deck­te die Wissenschaft die schäd­li­che Wirkung von UV-Strahlen. Als Folge davon wur­den kurz vor dem Zweiten Weltkrieg erst­mals Brillen mit Polarisationsgläsern her­ge­stellt. Diese Sonnenbrillen waren jedoch nicht wie heu­te von aus­ge­klü­gel­tem Design, son­dern erin­nern in ihrer Form etwa an heu­ti­ge Taucherbrillen, womit das Tragen sol­cher Modelle zur Belustigung der Allgemeinheit bei­getra­gen haben dürf­te.

Die Angst vor schäd­li­cher Strahlung und die Modeindustrie ver­hal­fen der Sonnenbrille spä­ter zum Aufstieg in die Königsklasse modi­scher Accessoires. Sie gehört heu­te zur Grundausstattung eines Menschen. Und dabei dient sie längst nicht mehr nur dem Schutz unse­rer emp­find­li­chen Netzhaut vor zuviel Helligkeit. Sie wird als Teil des Outfits zur Imagepflege in eige­ner Sache ein­ge­setzt – lässt sie uns ja so wahn­sin­nig cool aus­se­hen! Diese Tatsache wur­de von Prominenten wie Miles Davis oder Audrey Hepburn schon vor Jahrzehnten ent­deckt. Dass sie gar zum Markenzeichen wer­den kann, demon­strie­ren uns bei­spiels­wei­se König Karl Lagerfeld oder der deut­sche Altrocker Udo Lindenberg.

Heute gibt es die Sonnenbrille in unzäh­li­gen Farben, Formen und Skurrilitäten. Reisen wir auf dem Zeitstrahl doch mal ein paar Jahrzehnte zurück, und sehen uns die Entwicklung der Sonnenbrille seit den 60er-Jahren an. Damals stand vor­erst noch die Funktionalität der Brille im Vordergrund. Noch heu­te bekann­te Hersteller wie Ray Ban waren bereits in die­sem Jahrzehnt bekannt für ihre enorm sta­bi­len Brillenmodelle. Zur Mode wur­de die Sonnenbrille aber erst in den 70er-Jahren. Nun stand nicht mehr nur ihre Zweckmässigkeit im Vordergrund, nach Belieben wur­de mit kräf­ti­gen Farben und unter­schied­li­chen Formen expe­ri­men­tiert. Dazu kam, dass erst­mals auch Kunststoffgläser her­ge­stellt wur­den. Weil die Nase nun kei­ne schwe­ren Gläser mehr tra­gen muss­te, konn­te der Brillenglasdurchmesser enorm ver­grös­sert wer­den. Frau und Mann tru­gen nun Sonnengläser in der Grösse von Kaffeeuntertassen, und es sah damals nicht bes­ser aus als heu­te. Fragen sie mich also nicht, wes­halb die­se Brillenform wie­der total ange­sagt ist! Oder fin­den sie den dümm­li­chen Fliegenlook von Miss Hilton etwa so «hot» wie sie selbst? Typisch 70er sind auch soge­nann­te Verlaufsgläser und «ambermatic»-Linsen, also Gläser, die sich auto­ma­tisch der Lichtintensität anpas­sen, sich ent­spre­chend ver­dun­keln oder hel­ler wer­den. In den 80er-Jahren ent­deck­ten renom­mier­te Marken, welch gutes Geschäft mit den opti­schen Accessoires zu machen war. Eigene Kollektionen wur­den ent­wickelt und Marken wie Bugatti, Cartier, Jaguar oder Porsche stie­gen in den Markt ein. Porsche bei­spiels­wei­se mach­te sich einen beson­de­ren Namen mit sei­nem Patent der aus­wech­sel­ba­ren Gläser. Damals ein Kassenschlager! Die 90er-Modelle waren dann ver­spielt und bunt und Brillenrahmen wur­den mit unzäh­li­gen unnüt­zen Details geschmückt.

Bei aller Vielfalt von Sonnenbrillenmodellen sind bis heu­te aber nur weni­ge Brillentypen vom Erfolg gekrönt, auf der gan­zen Welt getra­gen zu wer­den. Am erfolg­reich­sten sind die Aviator – hier­zu­lan­de auch als Pilotenbrille bekannt – und die Wayfarer, die von James Dean zum Kult gemach­te wur­de. Besonders letz­te­re ist, seit Style-Vorbilder wie Kate Moss oder Jonny Depp sie tra­gen, wie­der total ange­sagt und wird von Menschen, die ger­ne so viel Aufmerksamkeit wie mög­lich pro­vo­zie­ren wol­len, in allen Farben getra­gen. Die Aviator wur­de, wie der Name schon sagt, ursprüng­lich für Piloten ent­wickelt, damit die­se im Cockpit pro­blem­los auf die Armaturen hin­ab­schau­en kön­nen. Bis heu­te ist sie bei Militärs, Polizei und Monsieur Omnipräsident Sarkozy sehr beliebt.

Die Sonnenbrille, wel­che Form und Farbe sie auch immer haben mag, macht uns zum geheim­nis­vol­len Hingucker, dient sowohl der Tarnung wie auch dem Gesehen-wer­den-Wollen. Sie ist die Maske der Moderne, Verkleidungsstück und modi­sches Accessoire. Die Sonnenbrille ist Spielzeug für Voyeure, die ger­ne heim­lich beob­ach­ten, aber selbst dabei nicht erwischt wer­den wol­len. Sie dient dem Spiel mit Intimität und Distanz und gehört zum abwei­sen­den Bodyguard eben­so wie zum läs­si­gen Easy-Rider, den Pseudo-Gangstern oder frisch Gelifteten. Aber auch zu edlen Diven, coo­len Beachboys und fla­nie­ren­den Grosstädtern und jedem Normalo die­ser Welt.

ensuite, Oktober 2009

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