Snowpiercer

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Von Sandro Wiedmer – Die Verfilmung des fran­zö­si­schen Comics «Transperceneige» (1984) ist ein lan­ge geheg­tes Projekt des Meisterregisseurs aus Südkorea – und eine der bis­her gröss­ten Produktionen sei­nes Landes.

Internationale Anerkennung hat Bong Joon-ho schon für «Memories of Murder» (2003), «The Host» (2006) und «Mother» (2009) gewon­nen. Ersterer Film nach einer wah­ren Begebenheit wirft ein grel­les Licht auf poli­zei­li­che Inkompetenz ange­sichts des Falles eines Serienmörders, wäh­rend «The Host» das Schicksal einer Familie aus Seoul dar­stellt, in deren Leben plötz­lich ein im Han Fluss auf­tau­chen­des, die Stadt bedro­hen­des Seemonster ein­bricht, und «Mother» die Geschichte einer Mutter erzählt, wel­che, um die Unschuld ihres Sohnes zu bewei­sen, den Mörder eines klei­nen Mädchens suchen muss, wobei sie all­mäh­lich dem Wahnsinn zu ver­fal­len droht. Den Filmen gemein sind die sub­ti­le Gesellschaftskritik, sorg­sam her­aus­ge­ar­bei­te­te Charaktere, und ein lei­ser Humor, wel­cher trotz aller Tragik in «The Host» am aus­ge­präg­te­sten erscheint, aber auch in den bei­den ande­ren Werken mit ernst­haf­te­rem Unterton vor­han­den ist.

Mit «Snowpiercer» bestä­tigt der Regisseur nun, dass die­se Qualitäten als sei­ne Markenzeichen bezeich­net wer­den kön­nen. Den Comic von Jacques Lob und Jean-Marc Rochette hielt Bong Joon-ho 2005 zum ersten Mal in den Händen, und schlug sei­ne Verfilmung vor, als ihn Park Chan-wook und Lee Tae-hun für eine Regiearbeit für ihre neu gegrün­de­te Produktionsfirma Moho Pictures anfrag­ten. Die Rechte wur­den 2006 erwor­ben, Arbeiten am Drehbuch began­nen 2010, zwei Jahre spä­ter wur­de in den Barrandov Studios in Tschechien gedreht. Sein erster Englisch gespro­che­ner Film, ist «Snowpiercer auch sonst ein inter­na­tio­na­les Projekt – was auch am hoch­ka­rä­ti­gen Cast mit Chris Evans, Tilda Swinton, John Hurt, Ed Harris, Jamie Bell, Ewan Bremner, Octavia Spencer, Song Kang-ho, Ko Ah-sung, Vlad Ivanov und Tómas Lemarquis ersicht­lich ist.

Die zeit­lo­se Parabel setzt ein, als die Menschheit mit Massnahmen gegen die glo­ba­le Erwärmung geschei­tert ist, und statt des­sen eine Eiszeit aus­ge­löst und nahe­zu alles Leben auf dem Planeten aus­ge­löscht hat. Die letz­ten Überlebenden bevöl­kern einen lan­gen Zug, wel­cher mit Hochgeschwindigkeit die Erde umkreist und Schutz vor der töd­li­chen Kälte bie­tet. Im hin­ter­sten Teil ist die recht­lo­se Masse derer zusam­men­ge­pfercht, wel­che im letz­ten Moment den anfah­ren­den Zug bestei­gen und ihr nack­tes Überleben sichern konn­ten, wäh­rend sich im vor­de­ren Teil die Privilegierten im Luxus tum­meln, wel­che sich recht­zei­tig eine Fahrkarte gesi­chert haben. Den Führerstand belegt der Konstrukteur, wel­cher wäh­rend den sieb­zehn Jahren, die das Gefährt zur Zeit der Handlung unter­wegs ist, noch nie von jeman­dem gese­hen wur­de. Brutal auf­tre­ten­de, bewaff­ne­te Einheiten hal­ten in sei­nem Namen die Ordnung und die strik­te Trennung der ver­schie­de­nen Sektionen des Zuges auf­recht.

Es ist nur natür­lich dass sich Unruhe regt, eine Revolte im hin­ter­sten Teil scheint kurz vor dem Ausbruch. Allen ist klar, dass den Weg nach vor­ne schier unüber­wind­ba­re Hindernisse ver­stel­len, nicht zuletzt die mit her­me­ti­schen, vom Führerstand aus kon­trol­lier­ten Türen gesi­cher­ten Schleusen, wel­che die Sektionen tren­nen. Trotzdem ist das Vordringen in den vor­de­ren Teil eine exi­sten­ti­el­le Notwendigkeit in Anbetracht der uner­träg­li­chen Unterdrückung. Die Geschichte des fol­gen­den Klassenkampfes ist gespickt mit uner­war­te­ten Wendungen, die zusam­men­ge­wür­fel­te Gruppe, wel­che, den Weg nach vor­ne ein­mal ange­tre­ten, unter star­kem Zeitdruck steht, erwar­ten hin­ter jeder über­wun­de­nen Tür neue Überraschungen. Hier haben Regie und Ausstattung ihrer Phantasie frei­en Lauf gelas­sen: die im Comic nur in Strichen ange­deu­te­te Umgebung ist mit gros­sem Detailreichtum üppig gestal­tet und oft der Ort für Bong Joon-ho, sei­nen Humor auf­blit­zen zu las­sen.

Zu sagen «Snowpiercer» sei ein Action-Film ist sicher nicht falsch, wird dem Werk aber in kei­ner Weise gerecht, denn trotz aller Brutalität wird es von Poesie getra­gen, ver­eint Melancholie mit Heiterkeit, befasst sich mit zutiefst mensch­li­chen Anliegen und lie­fert einen lei­der wohl zeit­lo­sen Kommentar zur Conditio Humana. Qualitäten, wel­che her­kömm­li­chen Genre-Streifen eher sel­ten zuge­spro­chen wer­den kön­nen.

«Snowpiercer», SK/CZ/USA. Regie: Bong Joon-ho. Länge: 126 Minuten.

Foto: zVg.
ensuite, Mai 2014

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