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Seit jeher unter­wegs: Literarische Fragmente 20

Von Konrad Pauli – Vaters Heiterkeit und Humor hat­te sich als Schalk in klei­nen Falten in den Augwinkeln nie­der­ge­schla­gen und fein ein­ge­gra­ben –und der Junge erfuhr, dass Vater dies­be­züg­lich Grossvaters Erbe über­nom­men hat­te. Grossvater, Jahrgang 1874, hat­te ver­schie­de­ne Berufe, teil­wei­se nach‑, aber über Jahre auch mit­ein­an­der. Als Fotograf zähl­te er sich in der Region zu den Pionieren. Dem Kind blieb unver­ges­sen, wie Grossvater, vor­züg­lich bei Gruppenfotos, unter einem schwar­zen Tuch ver­schwand und dort die geheim­nis­vol­len Handgriffe tätig­te.

Anlässlich einer sol­chen Gruppenaufnahme in einem klei­nen Dorf eil­te eine alte Frau her­bei, bestürm­te Grossvater, er möge doch, zumal er ohne­hin her­bei­ge­reist sei, von ihr und ihrem Mann unter dem eben auf­blü­hen­den Magnolienbaum ein Foto machen. Grossvater, im Umgang mit dem kost­spie­li­gen Fotomaterial zurück­hal­tend, liess sich, nach wie­der­hol­ter Ablehnung gera­de­zu bedrängt, end­lich erwei­chen, das Gerät im Magnoliengarten auf­zu­stel­len, unters Tuch zu schlüp­fen (laut­los kichernd vor Spitzbübigkeit, wie der Junge dach­te) und abzu­drücken. Später gestand Grossvater, er habe nicht einen Augenblick dar­an gedacht, für solch gerin­gen Auftrag eine teu­re Platte zu opfern – er habe gar kei­ne ein­ge­legt. Unvergessen blieb dem Jungen aber auch das sonn­täg­lich auf­ge­putz­te, erwar­tungs­vol­le Lächeln der bei­den Alten unter der üppi­gen Magnolienpracht.

Foto: zVg.
ensuite, Oktober 2011