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Schlagfertige Dialoge

Von Luca D’Alessandro – Die Verbindung zwei­er Ur-Kommmunikationsmittel: die Trommel und die mensch­li­che Stimme. Das ist das Konzept von «Drums & Voices» des Berner Perkussionisten Stephan Rigert.

Kommunikation prägt Rigerts Alltag: Er setzt sich ein für den Austausch von Informationen über die Instrumente oder über die Stimme, sei es auf der Bühne oder in der Rolle als Teamentwickler in Managementseminaren. An Ideen und Initiative man­gelt es ihm nicht. Für «Drums & Voices» hat Stephan Rigert Musiker aus aller Welt auf­ge­bo­ten, allen vor­an den aus Kamerun stam­men­den Sänger und Komponisten Njamy Sitson und den sene­ga­le­si­schen Trommelmeister Ibou Ndiaye. Den Gitarristen Sandro Schneebeli hat er für die Arrangements der Stücke gewin­nen kön­nen, Alexandrina Simeon aus Bulgarien und Samatha Lavital aus Guadalupe für die Begleitstimmen. Eine mul­ti­na­tio­na­le Truppe also: «Ich woll­te Musiker aus unter­schied­li­cher Herkunft zusam­men­brin­gen und sie über den Rhythmus, die Perkussion und die Stimme kom­mu­ni­zie­ren las­sen», so Rigert.

Nun steht die Tournee bevor. Vorgesehen sind Auftritte in Dübendorf, Aarau, Nidau und Bern. ensuite – kul­tur­ma­ga­zin hat den Trommelwirbler vor Tourneestart getrof­fen und sich mit ihm der all­täg­lich­sten Art der Kommunikation hin­ge­ge­ben: Dem Smalltalk.

ensuite – kul­tur­ma­ga­zin: Stephan Rigert, du bist Perkussionist, Lehrbuchautor und Team-ent­wick­ler. All dies hast du im Label Talking Drums zusam­men­ge­fasst.

Stephan Rigert: Ich woll­te einen Namen haben, der alle mei­ne Aktivitäten unter einen Nenner bringt. Talking Drums hat mir sehr ent­spro­chen. Ich kom­mu­ni­zie­re viel, gebe Informationen über das Trommeln wei­ter, sei es in mei­nen Seminaren, in Kulturaustauschprojekten oder in den Lehrmitteln. Mir geht es dar­um, die Klischees, die mit Trommeln in Verbindung ste­hen, ins rich­ti­ge Licht zu rücken.

Welche Klischees?

Die mei­sten Leute haben eine fal­sche Vorstellung von Perkussion. Sie mei­nen, wir Perkussionisten wür­den nur so aus Laune auf einer Trommel her­um­spie­len. Auf Berndeutsch heisst es dann: «Tuesch chli trü­mälä.» Perkussion wird nicht wirk­lich Ernst genom­men, obwohl sie als die urtüm­lich­ste Form des Musizierens gilt. Diesen Stellenwert möch­te ich her­vor­he­ben.

Die Trommel und die mensch­li­che Stimme sind bei­des Kommunikationsmittel. Ist die­se Verdoppelung in «Drums & Voices» gewollt?

Sie ist so ent­stan­den nach einem zufäl­li­gen Treffen mit dem Kameruner Liedermacher Njamy Sitson. Seine Art hat mich zu die­sem Projekt inspi­riert: die Symbiose aus Trommeln und Gesang. Ursprünglich wid­me­te ich mich fast aus­schliess­lich afri­kalasti­gen Projekten. Heute sind die Projekte viel­sei­ti­ger gewor­den. Alle zwei Jahre bin ich mit einer neu­en Truppe auf Tournee, dabei steht stets der Kulturaustausch im Mittelpunkt. Ich tref­fe auf eine inter­es­san­te Persönlichkeit, danach ergibt sich ein Projekt von selbst.

Was war es, was dich an Sitson begei­stert hat?

Er ist ein Stimmenkünstler, in etwa ver­gleich­bar mit Bobby McFerrin. Das hat mir sehr gefal­len. Er kann sich in diver­sen Stimmlagen sou­ve­rän bewe­gen, auch in der Kopfstimme. Was den Stil betrifft, sind sei­ne Kompositionen oft kei­ne geschlos­se­nen Songs, viel­mehr Patterns, die sich anein­an­der­fü­gen.

Ist sein Gesang eher rhyth­misch geprägt?

Ziemlich, aber nicht mit Sprechgesang zu ver­glei­chen.

Unterstützt wird Sitson von zwei Sängerinnen.

Sitsons Gesang erfor­dert Begleitstimmen. Deshalb habe ich ihn auf­ge­for­dert, zwei Background Vocalists mit­zu­brin­gen, mit denen er sich auf der Bühne wohl fühlt. Alexandrina Simeon und Samatha Lavital neh­men die­se Rolle sehr gut wahr.

Welche Rolle spie­len Harmonieinstrumente wie Piano oder Gitarre in «Drums & Voices»?

Gitarre, Bass, Keyboard und Saxophon umrah­men das Projekt har­mo­nisch. Ich fin­de es wich­tig und rich­tig, dass sich die Perkussion all­mäh­lich eman­zi­piert. Eine Violine wird als ech­tes Instrument gese­hen, so auch ein Klavier oder ein Schlagzeug. Ein Perkussionist hin­ge­gen hat in unse­ren Breitengraden oft eine rein deko­ra­ti­ve Funktion. Fast alle Bands, mit Ausnahme von Salsa- oder Sambabands, kom­men denn auch ohne Perkussionisten aus.

Kommen wir zurück zum Stichwort Kommunikation. Wer kom­mu­ni­ziert, hat etwas zu sagen. Welche Botschaft steckt in «Drums & Voices»?

Als ich 1983 in Afrika leb­te, durf­te ich so eini­ges ler­nen. Die Leute nah­men mich auf und gaben mir sehr viel. In die­sem Zusammenhang ist in mir das Bedürfnis ent­stan­den, etwas zurück­ge­ben zu wol­len. Dies äus­sert sich heu­te so, dass ich mit mei­nen Projekten Künstlern aus Afrika Konzerte in Europa ermög­li­che. Ich pfle­ge aktiv den kul­tu­rel­len Dialog mit die­sen Menschen. Und dar­in liegt mei­ne Botschaft: Der Austausch zwi­schen den Kulturen ist über die Musik mög­lich. Ich mei­ne dies nicht naiv; ich ken­ne die Tücken und Schwierigkeiten, die damit ein­her­ge­hen.

Wie kommt die Botschaft beim Publikum an?

Ich bekom­me unter­schied­li­ches Feedback: Die einen sind von den musi­ka­li­schen Möglichkeiten, die im Trommeln stecken, fas­zi­niert, ande­re berührt von der Art, wie diver­se Stile mit­ein­an­der ver­schmel­zen.

Viele Stile – ein Endprodukt. Damit es dazu kommt, sind Kompromisse unab­ding­bar. Wer muss die mei­sten Kompromisse ein­ge­hen?

Alle müs­sen auf ihre Art kon­zes­si­ons­be­reit sein. Sie dür­fen mit­re­den, den­noch müs­sen sie sich an einen Leitfaden hal­ten. Als Projektinitiator gebe ich die­sen vor. Das ist not­wen­dig, sonst arbei­ten wir nicht effi­zi­ent. Am Ende ist es auch eine finan­zi­el­le Frage: Je schnel­ler wir auf der Bühne ste­hen, desto eher rech­net sich der Aufwand.

Ihr gönnt euch nur knap­pe Probezeiten.

Wir pro­ben sehr kurz. Für «Drums & Voices» haben wir in der zwei­ten Oktoberhälfte vier Tage lang geübt, das muss­te rei­chen.

Hat die­se straf­fe Ordnung kei­nen Einfluss auf die Kreativität der Musiker?

Das Gegenteil ist der Fall. Wer ein Projekt mit Musikern aus unter­schied­li­chen Kulturen anzet­telt, muss kla­re Anweisungen geben. Eine deut­li­che Vorgabe ver­mit­telt Sicherheit. Nur so ent­steht Raum für Kreativität. Wenn du den Musikern nicht sagst, wor­an sie sind und ob sie den Auftrag kor­rekt erfül­len, sind sie bald ein­mal ver­un­si­chert. Ein Angstklima macht sich breit. Im Kulturbusiness sind Hierarchien oft ein Tabuthema – ins­be­son­de­re in unse­ren Breitengraden. Es ist doch auch für einen Kulturschaffenden ange­nehm zu wis­sen, in wel­chen Leitplanken er sich bewe­gen darf und wohin der Weg führt. Wir Europäer ten­die­ren dazu, Führung mit Unterdrückung gleich­zu­set­zen. Das ist ein Irrtum. Unterdrückung ist die Folge von Führungsmissbrauch.

Ist das die Botschaft, die du auch an dei­nen Teamentwicklungsseminaren wei­ter­gibst?

In den Seminaren geht es dar­um, über das Trommeln genau die­se Dinge sicht­bar zu machen. Wie team­fä­hig sind die Leute? Können sie auf­ein­an­der hören? Wie gehen sie mit Verantwortung um? Mit die­sen Fragen ver­su­che ich einen ganz nor­ma­len Bezug zum Thema Führung her­zu­stel­len. In ande­ren Kulturkreisen ist Führung anders kon­no­tiert als bei uns. In afri­ka­ni­schen Ländern zum Beispiel fühlt sich nie­mand unter­drückt, wenn er oder sie von einem Chef gelotst wird. Die Gleichsetzung von Führung und Unterdrückung ist eine typisch west­lich-euro­päi­sche Attitüde.

Als was wür­dest du dei­ne Musik bezeich­nen?

Schubladisieren lässt sich mei­ne Arbeit eigent­lich nicht. Wenn mich jemand fragt, ant­wor­te ich meist mit «World Music», aller­dings ist die­ser Begriff abge­lutscht und sagt nur wenig aus. Die genaue sti­li­sti­sche Einordnung ist für Musikhändler, Medienleute und Konsumenten von Belang.

Welches Publikum sprichst du an?

Leute, die sich auf rhyth­misch-melo­diö­se Abenteuer ein­las­sen wol­len. Es ist nicht Jazz und auch kei­ne rein tra­di­tio­nel­le Musik. Mit jedem Projekt ent­steht etwas ganz Eigenständiges, so auch mit dem aktu­el­len.

Es ist zugäng­li­che Musik.

Sehr. Nicht nur aku­stisch, son­dern auch optisch: Es ist etwas los auf der Bühne. Es pas­siert dau­ernd etwas.

Wird «Drums & Voices» auch auf CD erhält­lich sein?

Das weiss ich noch nicht. Kann schon sein, dass wir eine Liveaufnahme machen. Ob sie dann auch tat­säch­lich im Handel erschei­nen wird, ist offen. Daher emp­feh­le ich allen, eines unse­rer Konzerte zu besu­chen.

Info: www.talking-drums.com

Bild: Stephan Rigert / Foto: zVg.