Schiffbau: Keine Lösung zum Nulltarif!

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schiffbau2. April: Der Stadtrat schlägt für die Zukunft des Schiffbaus eine Lösung vor, bei der die Stadt sich finan­zi­ell nicht enga­gie­ren muss und die Kosten Dritten und wei­ter­hin dem Schauspielhaus zuschanzt. Das Schauspielhaus muss auf unab­seh­ba­re Zeit 2,5 Millionen Franken Miete bezah­len.

Um all­fäl­li­gen Verwirrungen vor­zu­beu­gen: Dies ist eine Stellungnahme der jet­zi­gen Intendanz unter Matthias Hartmann. Nicht wie einen Aprilscherz, son­dern mit Erschrecken hat die­se zur Kenntnis neh­men müs­sen, wie vom Stadtrat unter dem Prädikat «Verkauf des Schiffbaus» vor­ei­lig eine so genann­te Lösung für die Schiffbau-Problematik prä­sen­tiert wird. Trotz sei­ner in den letz­ten vier Jahren gemach­ten Erfahrungen ist das jet­zi­ge künst­le­ri­sche Leitungsteam als Experte in der Sache nicht kon­sul­tiert wor­den. Die jet­zi­ge Intendanz erach­tet es aber für wich­tig, die Öffentlichkeit über eini­ge Tatsachen zu infor­mie­ren:

Lösung zum Nulltarif?
Grundsätzlich ist eine Loslösung der Kosten des Schiffbaus aus dem Budget des Schauspielhauses zu begrüs­sen. Die Kunst soll wie­der mit bere­chen­ba­ren Mitteln arbei­ten kön­nen und nicht für Liegenschaftskosten gera­de­ste­hen müs­sen.

Warum aber macht es Zürich nicht wie ande­re Städte? In qua­si jedem deutsch­spra­chi­gen Stadttheater betrei­ben Künstler ein Haus, das der Stadt gehört, so wie es in Zürich beim Pfauen auch der Fall ist, nicht jedoch beim Schiffbau, einem Theatergebäude mit inter­na­tio­nal aller­höch­stem Ansehen.

Die Stadt strebt nun mit einer unab­hän­gi­gen Trägerfirma eine Lösung an, bei der sie sich finan­zi­ell in kei­ner Weise enga­gie­ren muss. Das not­wen­di­ge Eigenkapital von 15 Millionen Franken soll von drit­ter Seite auf­ge­bracht wer­den, deren Mitspracherechte und Rendite vom Stadtrat bezeich­nen­der­wei­se nicht the­ma­ti­siert wer­den. Dafür, dass das Schauspielhaus mehr als nur mit­tel­fri­stig – zum Beispiel auch nach einem spä­te­ren Intendantenwechsel – die Hoheit über die Nutzungsplanung behiel­te, schei­nen kei­ne Garantien zu bestehen. Vorerst ist vom Recht auf jähr­lich zwei Neuinszenierungen und zwei Gastspiele in der gros­sen Halle die Rede – deut­lich weni­ger als in den letz­ten Jahren und nicht genug, um dem Schiffbau sei­ne unver­gleich­li­che Aura zu bewah­ren.

Peinliche Kleinlichkeit
Gerade der Ruf nach einer zuneh­mend kom­mer­zi­el­len Nutzung der Schiffbauhalle (Stichwort «Events») illu­striert eine pein­li­che Kleinlichkeit im Umgang mit die­sem ein­zig­ar­ti­gen Kulturzentrum. Die Stadt bud­ge­tiert die Erträge aus dem «Eventgeschäft» mit 331’000 Franken: nur gera­de lächer­li­che 10 Prozent der effek­ti­ven Kosten des Schiffbaus. Die Erwirtschaftung die­ser Drittelmillion bedeu­tet aber eine gra­vie­ren­de Belastung für die künst­le­ri­sche Freiheit des Theaters. Die jet­zi­ge Intendanz befür­wor­tet durch­aus Vermietungen, aber sie sol­len der Ermöglichung zusätz­li­cher künst­le­ri­scher Projekte die­nen.

Die Stadt möch­te kul­tu­rell in der ober­sten euro­päi­schen Liga mit­spie­len, ist aber nicht ein­mal bereit, für 300’000 Franken auf­zu­kom­men. Die untrag­ba­re Situation wäre wesent­lich weni­ger akut, wenn die Stadt das Schauspielhaus in und nach den GAV-Verhandlungen vor drei Jahren finan­zi­ell nicht hät­te hän­gen las­sen (im Gegensatz zu Tonhalle und Kunsthaus).

Kunstfeindliche Konsequenzen
Das Schauspielhaus soll in Zukunft Mieter in sei­ner eige­nen Immobilie wer­den und dafür jähr­lich 2,5 Millionen Franken bezah­len müs­sen (inklu­si­ve Erträge aus dem Eventgeschäft): ein viel zu hoher Betrag auf unab­seh­ba­re Zeit hin­aus, denn die vor­ge­schla­ge­ne Lösung sieht kei­ne Perspektive vor, dass sich das je ändern könn­te. Auch die neu zu grün­den­de Trägerfirma wird Abschreibungen und Rückstellungen machen müs­sen: Dafür wird letzt­lich auch wei­ter­hin das Schauspielhaus durch sei­ne Miete auf­kom­men, falls die­se Spielerei von Finanzbuchhaltern abge­seg­net wird.

Das Schauspielhaus ver­lö­re zudem jede Garantie, dass auch lang­fri­stig in der Schiffbauhalle das Primat der Kunst herr­sche. Es wür­de jede Perspektive auf eine kul­tur­freund­li­che­re Lösung des Problems – zum Beispiel die gra­du­el­le Verringerung der jet­zi­gen Hypotheken durch die Stadt und das Schauspielhaus – auf­ge­ben. Anders gesagt: Die vom Stadtrat vor­ge­schla­ge­ne Lösung ist nur kurz­fri­stig gedacht.

Die Stadt müss­te sich mass­geb­lich finan­zi­ell an einer neu­en Trägerschaft betei­li­gen, um das Schauspielhaus von hor­ren­den Mietkosten zu ent­la­sten, so wie es in fast allen ande­ren Städten der Fall ist. Und sie müss­te einen Plan vor­le­gen, wie der Schiffbau lang­fri­stig schul­den­frei in öffent­li­cher und künst­le­ri­scher Hand blie­be. Das gin­ge aber nicht zum Nulltarif.

Matthias Wyssmann
Mediensprecher
Schauspielhaus Zürich

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