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Polit- und Wirtschaftskabarett auf hohem Niveau

Wie funk­tio­niert eigent­lich unse­re Wirtschaft?
Mit auf­ge­schla­ge­ner Zeitung, ganz ent­spannt auf einer Bank sit­zend, durch­kämmt Hans Gerzlich die Wüsten der deut­schen Politiklandschaft und erkun­det die Abgründe der Weltwirtschaft. Mehr wie ein Schwätzchen mit einem Fremden in einem Park als wie ein Kabarett, scheint Gerzlichs jüng­stes Kabarettprogramm «Bodenhaltung, Käfighaltung, Buchhaltung». Doch Gerzlich hält wenig von Smalltalk; wenn er erzählt, dann unver­blümt und poin­tiert. Im Fokus behält der diplo­mier­te Ökonom sein eige­nes Terrain. «Stellen Sie sich vor, ein Fernsehgerät koste statt 800 Franken nur noch 500 Franken – Sie kau­fen also zehn Geräte, weil Sie ja dadurch 3000 Franken spa­ren und flie­gen dann mit Ihrem Ersparten in die Ferien.» So funk­tio­niert unse­re Wirtschaft. Man kann sich  kaum vor­stel­len, dass der sym­pa­thi­sche und spitz­zün­gi­ge Kabarettist jah­re­lang im Büro ver­brach­te.

Wie war das noch­mals mit der Politik?

Nicht nur die Wirtschaft kann Gerzlich reflek­tiert und humor­voll erklä­ren. Auch die deut­sche Politik gerät in sein Visier. Dabei rei­chen die Finger bei­der Hände nicht aus, um die etli­chen Merkel-Anspielungen und Zoten zu zäh­len, die Gerzlich in sei­ner zügi­gen, red­se­li­gen Art for­mu­liert. Auch drängt sich mehr und mehr der Wunsch auf, die deut­sche Tagesschau öfters zu ver­fol­gen, denn mit dem begrenz­ten, natio­na­len Politikwissen schafft man es bei Gerzlich nicht weit. Trotz hohem Unterhaltungswert ist Gerzlichs 100-minü­ti­ges Kabarett nicht ohne Anstrengung. Was hat Kohl schon wie­der gemacht? Was ist Edmund Stoibers poli­ti­sche Ausrichtung? Und wer ist die­se Daniela Katzenberger? Auch wenn Gerzlich eini­ges Wissen vor­aus­setzt – mit Selbstverständnis, schliess­lich han­delt es sich um einen Politkabarettisten und nicht um einen Mario Barth – ver­steht er es doch auch, dem Schweizer Publikum eini­ge Witze zugäng­li­cher zu machen, sogar mit der hohen Kunst, einen Witz mit einem Witz zu erklä­ren.

Der bit­te­re Geschmack

Gegen Ende schlägt aber auch Gerzlich einen schwarz­ma­le­ri­schen, sozi­al­kri­ti­schen Ton an. «Alles scheint nor­mal und freund­lich und doch ist die­ser bit­te­re Geschmack, dass irgend­et­was ganz schön schief läuft.» Wo füh­ren uns all die fal­schen Entscheidungen bloss hin? Hohe Arbeitslosigkeit, stei­gen­de Benzinpreise und bank­rot­te Staaten. Wie die Zukunft aus­se­hen wird, das weiss auch kein Gerzlich. Eindeutig klar ist aber, dass – egal wie sie wer­den wird –, Gerzlich sie mit geschei­tem Humor unmiss­ver­ständ­lich kri­ti­sie­ren wird. Zwar mag er die gros­sen Fussstapfen eines Volker Pispers noch nicht ganz aus­zu­fül­len, scheint aber auf dem besten Wege zu sein.

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