«Please don’t touch»

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Von Lukas Vogelsang – Steve Hackett in der Mühle Hunziken: Er ist nahe­zu unbe­kannt, doch Steve Hackett hat das Gitarrenspiel in den 70er-Jahren mehr geprägt als vie­le ande­re gros­se Namen. Er war stark mit­ver­ant­wort­lich für den Sound der legen­dä­ren Gruppe Genesis, hat­te sel­ber aller­dings mehr Soloprojekt-Alben pro­du­ziert als wäh­rend sei­ner Zeit bei Genesis von 1971 bis 1977. Zum Glück: Steve Hackett ist noch heu­te eine der weni­gen Gitarren-Legenden einer gran­dio­sen Musikepoche.

Die Musik der frü­hen Genesis hat wenig mit dem Hitparadensound zu tun, den man vor allem mit Phil Collins ver­bin­det. Genesis star­te­te 1967 mit einer skur­ri­len und kon­ven­tio­nel­len Beat-Platte – ohne die­sen Start hät­te die Gruppe nie einen Plattenvertrag erhal­ten. Und erst nach dem zwei­ten Anlauf konn­ten Peter Gabriel und sei­ne Studienkollegen Toni Banks und Mike Rutherford zum eigent­li­chen Genesis-Sound auf­bre­chen. Doch der Anfang war alles ande­re als ein Senkrechtstart. Bis 1971 wur­de die Band mehr­mals per­so­nell durch­ge­wir­belt. Erst, als Peter Gabriel Steve Hackett durch eine Anzeige im «Melody Maker» ent­deck­te, bil­de­te sich die Gruppe zu der vor­erst end­gül­ti­gen Form. Der Inserattext könn­te heu­te noch gel­ten: «Einfallsreicher Gitarist/Songschreiber sucht Kontakt mit gleich­ge­sinn­ten Musikern, die wie er die Stagnation der heu­ti­gen Musikformen durch­bre­chen wol­len.» Das schrieb einer zu der Zeit, als die Rockmusik erst gera­de so rich­tig in Fahrt kam. Steve Hackett ist noch heu­te auf der Suche nach dem gros­sen Mysterium in der Musik und hat doch in der Zwischenzeit musi­ka­lisch Welten durch­wan­dert.

Steve Hackett ist einen Tag älter als Peter Gabriel. Geboren wur­de er am 12. Februar 1950 in London und begann bereits als Jugendlicher Mitte der 60er-Jahre mit aku­sti­schen und elek­tri­schen Gitarren zu Experimentieren. Geprägt von der Beat-Ära wur­den sei­ne Vorbilder die Rolling Stones und Beatles. Ab 16 Jahren spiel­te er in jeder frei­en Minute die aku­sti­sche Gitarre, wobei ihn die Bach-Interpretationen des klas­si­schen Gitarristen Segovia inspi­rier­ten, auch die E‑Gitarren mit deut­li­chem Hang zum Blues. Bei dem Genesis-Album «Nusery Crime» (1971) hielt er sich musi­ka­lisch noch zurück. Seine offi­zi­el­le musi­ka­li­sche Spur hin­ter­liess er erst mit dem Album «Foxtrott» (1972) – die­se war dafür umso deut­li­cher und bescher­te der Gruppe den inter­na­tio­na­len Durchbruch. Das wich­tig­ste Album, wel­ches den Sound von Hackett die­ser Zeit demon­striert, ist «Selling England by the Pound». Ein auch heu­te noch umwer­fen­des Zeitdokument des Progressiv-Rock-Genres.

Als Peter Gabriel nach einer aus­gie­bi­gen Tour 1975 die Band ver­liess, sank die Gruppe in ein Loch. Diese Zeit nutz­te Hackett, um an sei­nem ersten Soloalbum zu arbei­ten, wel­ches in Zusammenarbeit mit Phil Collins und Mike Rutherford, sei­nem Bruder John und eini­gen ande­ren Musikern noch im glei­chen Jahr erschien. Allgemein fällt auf, wie pro­duk­tiv die Musiker in die­ser Zeit waren. Pro Jahr ein Album, plus vie­le Konzerte oder gan­ze Touren – das schafft 30 Jahre spä­ter kaum noch jemand. 1977 erschien das Genesis-Album «Second Out» – was mar­kie­ren soll­te, dass die zwei­te wich­ti­ge Persönlichkeit die Band ver­las­sen hat­te: Steve Hackett.

Mit einer gesun­den Portion Berühmtheit konn­te er die Solokarriere in Angriff neh­men. Er hat­te ande­re musi­ka­li­sche Ideen und die konn­ten mit Genesis nicht umge­setzt wer­den. Das spürt man auf sei­nem wohl geni­al­sten Werk, «Please don’t touch» (1978), auf dem er mit bemer­kens­wert bekann­ten Mitmusikern spielt. Spielen ist hier auch das rich­ti­ge Wort. Die Hackett-Welt ist ein unend­li­cher, gren­zen­lo­ser Spielplatz. Auf die­ser Platte singt die schwar­ze Sängerin Randy Crawford eine der schön­sten je von ihr gesun­ge­nen Balladen. Ein Jahr spä­ter erschien «Spectral mor­nings», wel­ches vor allem für Gitarristen ein Highlight dar­stellt. Doch Steve schaff­te es mit sei­ner Musik nie mehr, am Erfolg der 70er fest­zu­hal­ten. Die Experimente zogen ihn wei­ter – das Publikum blieb ste­hen. Wenn er noch sicht­bar wur­de, so in Projekten wie 1986, als er zusam­men mit Steve Howe (von der Gruppe YES und Asia) die Single «When the heart rules the mind» durch alle Radiostationen beam­te.

Steve Hackett hat fast in jedem Jahr seit 1969 min­de­stens ein Album pro­du­ziert. Die Diskografie ist beacht­lich. Viele sind kei­ne Massenproduktionen, die in den Hitparaden und mit gros­sem Marketing-Brimborium auf sich auf­merk­sam machen müs­sen. Steve Hackett ging immer sei­nen eige­nen Weg und erscheint in der Öffentlichkeit nicht so bom­ba­stisch wie die Musik, die er schreibt.

Info: www.muehlehunziken.ch
www.hackettsongs.com

Foto: zVg.
ensuite, November 2009

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