Otto Klemperer, 1885 – 1973

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Von François Lilienfeld – «In Beethoven par­ti­cu­lar­ly, (Klemperer) offe­red a gra­ni­te-like orche­stral son­o­ri­ty, and an objec­ti­vi­ty in his balan­ce of form and con­tent, that con­tra­sted refres­hin­gly with the styl­es of such ido­li­zed con­duc­tors as Furtwängler, Bruno Walter, and even Toscanini. Under Klemperer the grea­test Beethoven sound­ed more truthful and honest, and even more grand and inspi­ring.» William Mann

Man kann ohne Übertreibung sagen, dass, als Otto Klemperer vor 40 Jahren, am 6. Juli 1973 in Zürich starb, eine Epoche der Musikgeschichte ihr Ende fand. Er war ein über­ra­gen­der Dirigent – in jedem Sinne, war er doch auch einen Kopf grö­ßer als sei­ne Kollegen!
Er wur­de in Breslau gebo­ren und stu­dier­te Klavier und Theorie in Frankfurt und Berlin. Als der Dirigent Oskar Fried erkrank­te, durf­te Klemperer ihn ver­tre­ten: Auf dem Programm stand Offenbachs «Orpheus in der Unterwelt», Regie führ­te kein Geringerer als Max Reinhardt.

In Berlin diri­gier­te Klemperer 1905 das Fernorchester in Mahlers Zweiter Symphonie. Die Begegnung mit die­sem bedeu­ten­den Meister soll­te eine ent­schei­den­de Wirkung haben. Zwei Jahre spä­ter spiel­te Klemperer den von ihm her­ge­stell­ten Klavierauszug der­sel­ben Symphonie dem Komponisten vor. Er erhielt dafür von Mahler eine auf eine Visitenkarte geschrie­be­ne Empfehlung, die für sei­ne Karriere ent­schei­dend wer­den soll­te. Klemperer behielt die Karte sein Leben lang.

1919 hei­ra­te­te Klemperer die Sängerin Johanna Geißler. Sie schenk­te ihm vier jah­re spä­ter eine Tochter, Lotte, die sich nach Johannas Tod (1956) rüh­rend um ihren Vater küm­mer­te und sei­nen Nachlass ver­wal­te­te. Sie starb 2003.

Prag, Hamburg, Barmen, Straßburg, Köln und Wiesbaden waren Stationen auf dem Weg nach Berlin, wo Klemperer 1927 die Krolloper über­nahm. An die­sem fort­schritt­li­chen Haus konn­te er end­lich sei­nen Wunsch nach sorg­fäl­tig, fern vom Starsystem ein­stu­dier­ten Opern ver­wirk­li­chen. Klassische Werke stan­den neben Neuerem auf dem Programm. Die Regie – oft in den Händen Klemperers – war von neu­en Ideen geprägt, beruh­te jedoch – im Gegensatz zu heu­te! – auf einem Wunsch, den Intentionen von Librettisten und Komponisten gerecht zu wer­den.

Ab 1929 war Klemperer auch Leiter des Philharmonischen Chores Berlin. Künstlerische und poli­ti­sche Progressivität – Klemperer war ein begei­ster­ter Verfechter der «Dreigroschenoper» –hat­ten anfangs der dreis­si­ger Jahre einen schwe­ren Stand zur Folge. 1931 wur­de die Krolloper geschlos­sen. Nach zwei Jahren Mitarbeit an der Berliner Staatsoper erkann­te Klemperer die Zeichen der Zeit und emi­grier­te nach Los Angeles.

Damit begann die schwe­re Zeit im Exil: Die Entwurzelung, das Los Angeles Philharmonic Orchestra, das nicht zur Elite gehör­te, und ein Publikum, das weni­ger an Kunst als an gesell­schaft­li­chen Anlässen inter­es­siert war. Vor allem aber begann in die­ser Zeit eine lan­ge Serie von Krankheiten und Unfällen, wel­che die­sen rie­sen­haf­ten Körper auf schwer­ste Proben stell­te, den Geist des Künstlers jedoch eher stärk­te.

Nach dem Krieg folg­te ein Intermezzo in Budapest (1946–1950), das Klemperer wegen poli­ti­scher Unstimmigkeiten mit dem neu­en Regime abbrach. Seine neu­en Wohnsitze wur­den Zürich und London. In letzt­ge­nann­ter Stadt erleb­te er einen gera­de­zu unglaub­li­chen «Indian Summer», eine über zwan­zig Jahre dau­ern­de künst­le­ri­sche Spätphase, mit Aufführungen und Schallplattenaufnahmen, die zu den bedeu­tend­sten Ereignissen der Musikgeschichte des 20. Jahrhunderts gehö­ren. Er arbei­te­te fast aus­schließ­lich mit dem Philharmonia Orchestra, das er, in einer ein­ma­li­gen Symbiose, zum wohl besten Orchester sei­ner Zeit mach­te. Als der Initiant des Philharmonia, Walter Legge – ein geschick­ter Produzent, aber ein skru­pel­lo­ser Charakter – 1964 aus einer Laune her­aus das Orchester auf­lö­ste, über­nahm es Klemperer unter dem Namen New Philharmonia Orchestra, nicht ohne den Übergang mit einer groß­zü­gi­gen finan­zi­el­len Unterstützung zu ermög­li­chen.

Klemperers Persönlichkeit war facet­ten­reich und nicht unkom­pli­ziert. Schuld dar­an war in erster Linie ein Leiden, mit dem er sein Leben lang kämp­fen muss­te: Er war schwer manisch-depres­siv. In mani­schen Phasen war er ruhe­los, vol­ler Aktivitätsdrang, und kom­po­nier­te ein Werk nach dem andern. Dies waren auch die Zeiten, in denen er über­star­ke libi­di­nö­se Schübe erleb­te; oft beschrie­ben wur­de der Skandal um sei­ne Affäre mit der berühm­ten – und ver­hei­ra­te­ten – Sopranistin Elisabeth Schumann, mit der er 1912, nach einer «Rosenkavalier»-Vorstellung in Hamburg, für eini­ge Zeit «ver­schwand». In depres­si­ven Phasen jedoch kom­po­nier­te Klemperer kaum und war puri­ta­nisch und ver­schlos­sen. Dass die­se Krankheit sein Leben und das sei­ner Umgebung bedeu­tend erschwer­te, unter­liegt kei­nem Zweifel.

Er konn­te auch zynisch sein, sein Humor war oft grim­mig, und in sei­nen ersten Jahren als Dirigent waren sei­ne Proben von Orchestermusikern gefürch­tet. Doch hin­ter die­ser rau­hen Schale ver­barg sich ein zutiefst huma­ni­sti­scher Kern, ein Mensch, für den die Kunst ein hei­li­ger Auftrag war. «Seine» Musiker im Philharmonia Orchestra wären für ihn jeden­falls durchs Feuer gegan­gen!

Klemperer war vom Mystizismus sehr ange­zo­gen, vor allem vom katho­li­schen. Dies erklärt, wie­so er sich 1919 tau­fen ließ. Ein hal­bes Jahrhundert spä­ter kehr­te er aller­dings zum Judentum zurück. Auch wäh­rend sei­ner katho­li­schen Zeit besuch­te er gele­gent­lich Synagogen. Hier, wie in der Musik, such­te er stän­dig nach der Wahrheit – ein Begriff, der, wie man weiß, schwie­rig zu defi­nie­ren und sehr per­sön­lich ist. Ein Dogmatiker war Klemperer nie. Auch sei­ne Sympathien für den Kommunismus waren von Idealen sozia­ler Gerechtigkeit geprägt; kom­mu­ni­sti­scher Politik gegen­über blieb er sehr kri­tisch.

Klemperer wird oft als «lang­sa­mer» Dirigent ver­schrien. Die Kritiken sei­ner Frühzeit aller­dings bekla­gen sich oft über zu rasche Tempi (was durch eini­ge sei­ner frü­he­sten Aufnahmen bestä­tigt wird). Tatsache ist, dass Klemperer im Alter in gewis­sen Werken eher zu gemäch­li­che­ren Tempi neig­te; die­se Tendenz als Anlass für ver­all­ge­mei­nern­de Kritik zu neh­men, ist jedoch unge­recht und falsch. Klemperer wähl­te die Tempi sei­ner Auffassung der Werke und den Umständen von Konzert oder Aufnahme (Akustik!) ent­spre­chend. Vielleicht spiel­te auch sei­ne jewei­li­ge Gemütsverfassung eine Rolle – Vergleiche ver­schie­de­ner Aufnahmen des glei­chen Werkes sind in der Beziehung sehr auf­schluss­reich. Immer aber sind sei­ne Aufführungen von einer pul­sie­ren­den Spannung erfüllt, lang­sam heißt nie schlep­pend oder brem­send; die Art, wie er ein Metrum uner­schüt­ter­lich durch­hält, ist beein­druckend.

Es gibt nur weni­ge Fälle aus sei­nem Spätwerk da man den Eindruck eines im abso­lu­ten Sinne zu lang­sa­men Tempos hat: Das Finale in sei­ner letz­ten Aufnahme von Beethovens Siebenter etwa, der Schlußsatz in Schumanns «Rheinischer», oder gewis­se Szenen in «Le Nozze di Figaro». Dass Klemperer sich aber genaue Gedanken über das Problem der Geschwindigkeit mach­te und ver­such­te, den Absichten des Komponisten zu ent­spre­chen, zeigt, unter ande­ren Beispielen, die Tatsache, dass er Mozarts «klei­ne g‑moll-Symphonie» (Nr 25, KV 183), eines sei­ner Lieblingswerke, bis zum Schluss rekord­ver­däch­tig rasch spie­len ließ. Frappant ist auch ein Beispiel aus der 2. Orchestersuite von Bach, wo er auf eine gemäch­li­che, an einen kri­no­li­nen­be­schwer­ten Einzug bei Hofe erin­nern­de Polonaise, ein rasan­tes Menuett fol­gen lässt.

Klemperer such­te nicht a prio­ri einen «schö­nen» Klang. Wichtig war für ihn die Klarheit der Architektur und der Instrumentation. So sind bei ihm die Holzbläser, von so man­chen Dirigenten unter einem Streicherrausch begra­ben, extrem wich­tig. Und die­se Klarheit, die­ses wie aus Granit gebau­te genaue Abbild der Partitur ergibt einen Klang, der eben dadurch wirk­lich schön wird.

Von Vorteil ist auch, dass Klemperer die Geigen teilt, d.h. Erste Geigen links, Zweite Geigen rechts vom Dirigenten, was die Transparenz erhöht und anti­pho­ni­sche Wirkungen ver­stärkt

Ich hat­te das Glück, 1969 und 1970 in London eini­ge der letz­ten Klemperer-Konzerte zu hören. Es war beein­druckend, wel­che künts­le­ri­sche Kraft in die­sem rie­sen­haf­ten, halb gelähm­ten Körper steck­te. Als ich zum ersten Mal erleb­te, wie er von zwei star­ken Orchesterdienern zum Podium gelei­tet, ja, getra­gen wur­de, war ich nicht nur erschüt­tert, son­dern auch von Zweifeln gepackt: Wie konn­te ein Konzert mög­lich sein? Doch vom ersten Einsatz an wichen die Zweifel dem Bewusstsein, Zeuge groß­ar­ti­gen Musizierens zu sein. Klemperer schlug mit der Rechten den Takt sehr genau, die Linke benutz­te er zumeist zum Drehen der Partiturseiten. Woher kam dann die Gestaltung? Abgesehen davon, dass Klemperer auch im Alter sehr genau prob­te, war es sein Gesichtsausdruck – ins­be­son­de­re die Augen –, der sei­ne Intentionen dem Orchester genau mit­teil­te. Ich kann das bezeu­gen, saß ich doch immer hin­ter dem Orchester.

Dass er auch als Komponist viel zu sagen hat, erleb­te ich bei der Uraufführung sei­ner 2. Symphonie unter sei­ner Leitung (30. Sept. 1969). Auch wenn Einflüße von Mahler und Schönberg nicht zu über­hö­ren sind, han­delt es sich kei­nes­falls um «Kapellmeistermusik».

Es ist der Firma EMI hoch anzu­rech­nen, dass sie die Philharmonia/New Philharmonia-Aufnahmen in einer Serie von CD-Boxen wie­der greif­bar macht. Die Präsentation ist muster­gül­tig: Alle Angaben über Aufnahmedaten und ‑orte, Produzenten und Erstveröffentlichungen sind ange­ge­ben, die Begleittexte sind sehr infor­ma­tiv. Einige Aufnahmen habe ich stich­pro­ben­wei­se mit den ori­gi­na­len LPs ver­gli­chen: Die digi­ta­le Aufbereitung kommt ohne Kompression, aber auch ohne Aufbauschen des Klanges aus. Lediglich die Präsenz und die Dynamik wur­den leicht ver­bes­sert, was als durch­aus posi­tiv zu bezeich­nen ist. Nebenbei bemerkt: Dass es den Technikern in den 60er-Jahren gelun­gen ist, Klemperers Klangmassen meist ohne Verzerrung auf Vinyl zu ban­nen, gehört zu den Wundern der Schallplattentechnik!

Besonders zu loben ist die Tatsache, dass die Edition alle Versionen von mehr­fach auf­ge­nom­me­nen Werken ent­hält, was inter­es­san­te, oft erstaun­li­che Vergleiche ermög­licht. Als Beispiele sei­en die Orchestersuiten von Bach und eini­ge Symphonien von Mozart und Beethoven (die Siebente gleich drei­mal!) erwähnt.

Zu bemer­ken ist noch, dass Klemperer die Atmosphäre im Aufnahmestudio nicht beson­ders schätz­te und immer dar­auf poch­te, anschlie­ßend an Aufnahmesessionen Konzerte mit dem glei­chen Programm zu geben. Auch hier ermög­licht die rei­che Ernte an Aufnahmen auf­schluss­rei­che Vergleiche zwi­schen Studiofassungen und Aufführungsmitschnitten (s.u.).

 


DISKOGRAPHISCHE ANGABEN

EMI-Edition
Bach, Händel, Rameau, Gluck, Haydn
2 48433 2 (8 CDs)
Mozart (Orchesterwerke) 4 04361 2 (8 CDs)
Mozart (Da Ponte-Opern und Zauberflöte)
4 04378 2 (11 CDs)
Beethoven (Symphonien, Ouvertüren)
4 04375 (10 CDs)
Instrumentalkonzerte (Mozart, Beethoven, Schumann, Brahms, Liszt)
4 04348 2 (6 CDs)
Romantische Symphonien und Ouvertüren
4 04309 (10 CDs)
Brahms (Orchesterwerke und Deutsches Requiem) 4 04338 2 (4 CDs)
Bruckner (Symphonien 4 – 9) 4 04296 2 (6 CDs)
Wagner, R. Strauss 2 48468 2 (5 CDs)
Mahler (Symphonien 2, 4, 7, 9; Lied von der Erde) 2 48398 2 (6 CDs)
Musik des 20. Jhdts (inkl. Werke von Klemperer)
4 04401 2 (4 CDs)
(Enthält eine Hördokumentation (auf eng­lisch) über Klemperer)

EMI-Einzelausgaben
Bach: h‑moll-Messe 9 78315 2 (2 CDs)
Matthäus-Passion 5 67542 2 (3 CDs)
Mozart: Don Giovanni 7 04483 2 (4 CDs)
(Im Gegensatz zu der Mozart-Opernbox ent­hält die­se Ausgabe hoch­in­ter­es­san­te Probenausschnitte)
Beethoven: Missa solem­nis 5 67547 2 (2 CDs)
Fidelio 9 66703 2 (2 CDs)
Wagner: Der flie­gen­de Holländer
5 67405 (2 CDs)

Unbedingt emp­feh­lens­wert ist auch eine DVD, die ein Konzert in der Royal Albert Hall (London) mit Beethovens Neunter fest­hält, eine sehr ein­drück­li­che Aufführung. (Die DVD ent­hält als Bonus Beethovens Siebente unter Ernest Ansermet.) Diese Aufnahmen doku­men­tie­ren das Alterswerk Klemperers. Hier noch eine Auswahl aus frü­he­ren Zeiten:

Die Firma Archiphon hat auf 5 CDs sämt­li­che Schellackplatten Klemperers (1924–1932) mit dem Orchester der Berliner Staatsoper wie­der­ver­öf­fent­licht.
Zwei Mitschnitte der Marke Urania doku­men­tie­ren Klemperers Tätigkeit an der Ungarischen Staatsoper. Sie sind bered­te Zeugnisse dafür, dass er es dort nicht leicht hat­te: Das Orchester reicht bei wei­tem nicht an den Berliner Klangkörper her­an (noch viel weni­ger an das Philharmonia!), eini­ge der Sänger sind fast so undis­zi­pli­niert wie das Publikum … Trotzdem han­delt es sich um wert­vol­le Dokumente; Irrtum vor­be­hal­ten sind es die ein­zi­gen erhält­li­chen Theateraufnahmen des Meisters.

Die «Entführung aus dem Serail» wur­de 1950 auf­ge­nom­men; die Aufführung ent­hält die damals übli­chen Kürzungen, der Dialog wur­de auf den CDs weg­ge­las­sen, gesun­gen wird auf unga­risch. Deutlich wird beim Anhören die dra­ma­ti­sche Spannung, die Klemperer nicht zuletzt durch sein uner­bitt­li­ches Einhalten des Metrums erzeugt. Sein Osmin (Mihaly Szekely) ist her­vor­ra­gend, Maria Gyukovics (Konstanze) hat eine sehr schö­ne Stimme, mei­stert aber die Koloraturen nicht immer. Sari Gencsys Blondchen singt mit schar­fem Ton und sehr unge­nau. Endre Rösler (Belmonte) singt schön, aber immer etwas zu laut; sehr gut der Pedrillo von Arpad Kishegyi.

Als Bonus ist eine Aufnahme der 39. Symphonie von Mozart bei­gege­ben, anläss­lich eines Konzertes des Ungarischen Radioorchesters von 1949 auf­ge­nom­men. Leider wird die­ses Dokument durch die sehr appro­xi­ma­ti­ve Intonation der Bläser (Trio des Menuetts!) ver­dor­ben. (Urania URN 22.187, 2 CDs)

Eine wei­te­re CD bringt Auszüge aus einer «Lohengrin»-Aufführung von 1948, eben­falls auf unga­risch. Ihre Anschaffung ist sehr loh­nens­wert: Sie zeigt, dass Klemperer – damals wie spä­ter – einen von Pathos frei­en Wagner-Stil pfleg­te. Außerdem steht mit Jozsef Simándy ein mei­ster­haf­ter Lohengrin mit wun­der­schö­ner Stimme auf der Bühne. (Urania URN 22.147)

Zwischen 1950 und 1958 diri­gier­te Klemperer mehr­mals das RIAS-Symphonie-Orchester Berlin. Die Firma Audite hat sämt­li­che erhal­te­nen Dokumente die­ser Zusammenarbeit wie­der­ver­öf­fent­licht. Die Sammlung ent­hält sowohl Mitschnitte wie Studioaufnahmen und ermög­licht inter­es­san­te Vergleiche mit ande­ren Aufnahmen glei­cher Werke (Beethoven, Mozart, Mahler, Hindemith). Die Überspielungen ab Original-Radiobändern sind aus­ge­zeich­net. (Audite 21.408, 5 CDs)

Einer der schön­sten Konzertmitschnitte Klemperers ent­stand in Amsterdam, am 17. Mai 1956, mit dem Concertgebouw-Orchester und her­vor­ra­gen­den Solisten. Auf dem Prograamm stan­den die Symphonien 8 und 9 von Beethoven. (Music and Arts 1191, 2 CDs)
Eine äußerst wich­ti­ge Ergänzung zur Klemperer-Diskographie lie­fert die Firma Testament: Eine Serie von Konzertmitschnitten aus der Royal Festival Hall in London, in den mei­sten Fällen von BBC Radio pro­du­ziert. Im Mittelpunkt steht ein Beethoven-Zyklus mit allen Symphonien, der Egmont-Ouvertüre und der Grossen Fuge (Fassung für Streichorchester). Dazu eine kon­zer­tan­te Aufführung des «Fliegenden Holländers».

Oft han­delt es sich um Aufführungen, die anschlie­ßend an Studio-Aufnahmen statt­fan­den. Auf Einzelheiten ein­zu­ge­hen wür­de den Rahmen die­ses Artikels spren­gen; aber all­ge­mein läßt sich sagen, dass die Studioaufnahmen ein getreu­es Abbild der Partitur, eine Illustration der vom Komponisten geschaf­fe­nen Werke dar­stel­len. Die Mitschnitte sind etwas fle­xi­bler, stim­mungs­ab­hän­gi­ger, und man spürt das Fluidum, das aus der Begegnung zwi­schen Ausführenden und Publikum aus­geht. Einige klei­ne Ungenauigkeiten sind unver­meid­lich, aber nicht stö­rend. Welche Versionen bevor­zugt wer­den, ist eine Frage des per­sön­li­chen Geschmacks. Ich per­sön­lich möch­te kei­ne mis­sen …

Die Aufnahme von Klemperers letz­tem Konzert (26. Sept. 1971) ent­hält von Beethoven die «König Stephan»-Ouvertüre und ein eher entäu­schen­des 4. Klavierkonzert (Solist: Daniel Adni), sowie eine groß­ar­ti­ge Aufführung der 3. Symphonie von Brahms.

Auswahl-Diskographie Testament:
Beethoven-Zyklus: SBT 1405–1408, 1177, 1332 (Alle ein­zeln erhält­lich)
«The Last Concert»: SBT2 1425 (2 CDs)
Wagner: Der flie­gen­de Holländer:
SBT2 1423 (2CDs)
Stravinsky: Pulcinella, sowie eine bis­her unver­öf­fent­lich­te Aufnahme von «Petrushka» (Studio) SBT 1156.

Besonders will­kom­men ist ein Mitschnitt von Klemperers Gastdirigat mit den Berliner Philharmonikern vom 31. Mai 1964 (Bach, Mozart, Beethoven). Das Konzert war ein Triumph. Was die Doppel-CD beson­ders wert­voll macht, sind die fast 45 Minuten Probenmitschnitte zur «Pastorale», eine sel­te­ne Gelegenheit, des Meisters Arbeitsmethoden mit­zu­ver­fol­gen; denn er war, zumin­dest in spä­te­ren Jahren, nicht bereit, Besucher zu sei­nen Proben zuzu­las­sen. Nebenbei bemerkt: So schön die Berliner auch spie­len, das Niveau des Phiharmonia Orchestra errei­chen sie nicht … (SBT2 1217 (2 CDs)

Foto: zVg.
ensuite, August 2013

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