OPAK von Eliane Bertschi und Elias Gamma

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By Philipp Spillmann

Opak, das heisst undurch­sich­tig, licht­un­durch­läs­sig. Ein sehr abstrak­tes Wort. Ein Wort ohne Aussehen. Das dann aber doch Bilder erzeugt. Bilder von mil­chi­gem Glas. Von ver­schwom­me­nen Fensterscheiben. Von dickem Nebel, schumm­ri­gen Novembernächten, düste­ren Treppenhäusern und schat­ti­gen Wäldern. Von der schwei­gen­den Tiefe unter Wasser. Oder vom Nachtwind am Strand, der den Horizont ver­schluckt.

Was opak ist, schreit nicht. Es flü­stert. Es flü­stert Szenen einer Welt, die sich ent­fernt, sich ablöst, auf­löst, absinkt, ent­glei­tet. Einsame Szenen. Szenen, wie sie im Kurzfilm OPAK von Eliane Bertschi und Elias Gamma zu einer dich­ten, mit­reis­sen­den Geschichte aus­wu­chern.

Der acht­mi­nü­ti­ge Experimentalfilm schil­dert einen Ausschnitt aus dem Leben einer jun­gen Frau. Er han­delt von einem ein­sa­men Streifzug durch eine graue, ver­schwie­ge­ne Grossstadt. Und erzählt in Momentaufnahmen. Von ihren Eindrücken, Beobachtungen, Visionen. Von einem Innenleben, bei dem beim nähe­ren Hinsehen nie ganz sicher ist, ob es die Aussenwelt spie­gelt oder ob die Umwelt eine Projektion ihrer inne­ren Bilder ist.

An den Rändern des Bewusstseins

Die Geschichte beginnt zöger­lich. Ein weiss-schlei­e­ri­ges Nirgendwo, weich durch­setzt von den aus­ge­wa­sche­nen Konturen eines weib­li­chen Körpers. Haut, Haare, ein Kleid. Das Hintergrundrauschen eines offe­nen Fensters. Dann, ein Moment lang, Stille. Eine Hand auf grau­em Grund. Und eine Frauenstimme: «In mir drin ist ein Körper.» Schnelle Schnitte, unru­hi­ge Bilder, unbe­stech­li­che Nahaufnahmen. «Ich will über­fal­len wer­den. Will beraubt wer­den. Ich will durch­kaut wer­den.» Sie wacht auf.

Die Bilder über­schla­gen sich, die Worte schwel­len an. Ein inne­rer Monolog. Sie ist eine Poetin. Eine ein­sa­me Jägerin, die ihrer Stimme folgt. Die sich in Watte packt, abschnürt, iso­liert. Um die Augen zu öff­nen, für Details, die sonst ver­lo­ren gehen. Geheimnisse, Schätze, für die es kei­ne Karte gibt. Bruchstücke, so fein, dass sie durch die Finger rie­seln. Die nur einen Moment lang da sind. Sie fin­det sie nicht, die­se Dinge, sie wird von ihnen heim­ge­sucht. Dabei gelangt sie so nahe an sie her­an, dass die Welt ins Surreale kippt. Dass sie an ihr vor­bei rasen, sich über­la­gern, abreis­sen. Sie saugt alles in sich auf. Verliert sich in Details, schwimmt in ihnen, ertrinkt.

Glühende Sehnsucht

Bei all den grau unter­mal­ten Farben, den Betonträumen, den Unschärfen und sub­ti­len Sounds, ist OPAK doch ein Film star­ker Kontraste. Kontraste zwi­schen Worten und Bildern, schar­fen Schnitten und wei­chen Übergängen. Zwischen Erzählung und nicht Erzählbarem, ungreif­ba­rer Nähe und uner­reich­ba­rer Ferne, zwi­schen unter­schwel­li­gen Stimmungen und ent­la­de­nen Gefühlen.

OPAK beschreibt die Welt als etwas, was übrig geblie­ben ist. Wovon ist unklar, trüb; opak eben. Was bleibt, ist Sehnsucht. Und eine unter­schwel­li­ge Ahnung, dass da etwas ist.

Die Leidenschaft mit der sich die Protagonistin die­ser Sehnsucht hin­gibt; mit der sie sich an die Ufer ihrer Ahnung trei­ben lässt, ent­blösst ein uner­war­tet poli­ti­sches Moment: Opazität als Widerstand. Widerstand gegen alles, was so tut, als sei es so, wie es scheint. Auflehnung gegen einen Blick, der die Dinge aus­zieht, indem er sie ansieht. Der ent­schei­den kann, wann er sich abwen­det. Ein Widerstand, der nur gelebt wer­den kann, indem er erlit­ten wird.

: http://www.kulturkritik.ch/2014/opak-von-eliane-bertschi-und-elias-gamma/

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