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Offener Brief an die Schweizer Presse

Fatih Akin«Hiermit ver­kün­de ich mei­nen Protest gegen den Volksentscheid der Schweiz gegen den Bau von Minaretten an Moscheen. Dieser Volksentscheid wider­spricht mei­nem Verständnis von Humanismus, Toleranz und dem Glauben dar­an, dass ein har­mo­ni­sches Miteinander von Menschen unter­schied­li­cher Herkunft, Rasse und Religion mög­lich sein muss.

Da ich Kind mos­le­mi­scher Eltern bin, die in Minaretten kei­nen poli­ti­schen Islam, son­dern ledig­lich die voll­stän­di­ge Architektur ihrer Gotteshäuser sehen, füh­le ich mich durch den Volksentscheid auch per­sön­lich betrof­fen.

Deswegen wei­ge­re ich mich, in die Schweiz ein­zu­rei­sen. Ich wer­de am 16. Dezember 2009 nicht zur Schweizer Premiere mei­nes Films «Soul Kitchen» erschei­nen, um mei­nen Film dort zu bewer­ben.

Ich möch­te durch mei­ne Abwesenheit mei­nen Unmut aus­drücken. Mehr liegt lei­der nicht in mei­ner Hand.

Ich kann mir das Votum der Schweizer gegen den Minarettenbau nur mit Angst erklä­ren. Angst ist die Quelle allen Übels. «Angst essen Seele auf» heißt ein Film von Rainer Werner Fassbinder. Vielleicht hat die Angst in der Schweiz schon zu vie­le Seelen auf­ge­ges­sen.»  Fatih Akin

Mit freund­li­chen Grüßen
Karen Rudolph
Pressesprecherin von Fatih Akin

Hamburg, 2.12.09

(Anmerk. der Redaktion: Wir drucken die­sen Brief, weil Fatih Akin als öffent­li­che Person in die­ser Rolle als Briefschreiber inter­es­sant ist. Wir distan­zie­ren uns von der Minarett-Abstimmung und deren Ausgang. Einzig ein pri­va­ter Kommentar von Lukas Vogelsang (Chefredaktor) sei erlaubt: «Arabische Bauten sind wun­der­schön – es ist eigent­lich scha­de, wenn wir unse­re lang­wei­li­ge Baukultur nicht inter­kul­tu­rell berei­chern wür­den. Schliesslich bau­en wir jeden Blödsinn aus Amerika und Europa bei uns auch. Und so, wie wir die­se Architekten aus den ande­ren Ländern ver­göt­tern, kön­nen wir auch Minarette bau­en …»)