Musik für Trummer

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[Von Hannes Liechti] – In der Serie «Musik für …» wird jeweils eine Persönlichkeit aus dem Berner Kulturleben mit einer aus­ge­wähl­ten Playlist kon­fron­tiert. Diesen Monat trifft es den Singer/Songwriter Christoph Trummer.

Zusammen mit sei­ner Band hat Trummer auf sei­nem fünf­ten Album »Fürne Königin« ein klei­nes »Paralleluniversum« an per­sön­li­chen Geschichten rund um das Leben geschaf­fen. Daneben ist der Berner seit zwei Jahren mit dem Musik-Theaterstück »Herr Lehmann« als Schauspieler unter­wegs. Sein Lebensgefühl umschreibt er mit einem Zitat aus einem Song sei­nes Berner Amtskollegen Gus McGregor: »Life is no rehear­sal, honey, this is it.«. Vorhang auf, Bühne frei.

Tom Waits
»Misery is the River of the World« ab dem Album »Blood Money« (Anti, 2002)

Die Songs ab dem Album »Blood Money« hat Waits für das Theaterstück »Woyzeck« geschrie­ben. Gerade erst wur­de es in den Vidmarhallen auf­ge­führt.
Leider habe ich die Inszenierung nicht gese­hen. Aber Tom Waits ist natür­lich ein Held! Er hat die­sen rau­en for­ma­len Zugang zu sei­nen Songs, dank dem er selbst Zärtliches und Zerbrechliches besin­gen kann, ohne dass es einem unan­ge­nehm wird. Das inspi­riert mich immer wie­der.

Tom Waits ist ein »Singer/Songwriter«, und auch du bezeich­nest dich so. Was steht hin­ter dem Begriff?
Heute wird ja alles, was eine aku­sti­sche Gitarre umhängt, als Singer/Songwriter aus­ge­ru­fen. Traditionellerweise ist der Begriff aber klar defi­niert: Jemand der Songs schreibt, die­se sel­ber singt und dabei als Person oder Erzähler in den Texten per­sön­lich prä­sent ist. Singer/Songwriter ver­su­chen im Unterschied zur Popmusik, text­lich einen Schritt tie­fer zu gehen. Nichts gegen Popmusik. Man muss ja nicht Singer/Songwriter sein. Der Begriff ist kei­ne Auszeichnung, nur eine Definition.

Nick Cave, Kylie Minogue & the Bad Seeds
»Where the Wild Roses Grow« ab dem Album »Murder Ballads« (Mute Records 1996)

Auch »Murder Ballads« steht in den Vidmarhallen auf dem Programm. Die Berliner Dramatikerin Rebekka Kricheldorf hat ein Stück rund um die Songs von Cave geschrie­ben.
Super Musik und coo­le Geschichten. Das Stück habe ich gese­hen, und es hat sich gelohnt. Es gibt zwar kei­nen eigent­li­chen Handlungsstrang, dank den Songs funk­tio­niert das aber wun­der­bar: Die Figuren tref­fen sich in einer Bar und rol­len in den Dialogen und Songs ihre Geschichten auf.
Gerade für die Inszenierung von »Herr Lehmann« haben wir uns musi­ka­lisch an der Berlin-Zeit und dem damals fin­ste­ren, har­ten Blues von Nick Cave ori­en­tiert. Seine Auftritte, wie auch jene von Tom Waits, haben immer etwas Theatralisches an sich. Beide spie­len auf der Bühne eine Rolle, die sie im täg­li­chen Leben kaum ver­kör­pern: Cave prä­sen­tiert sich dun­kel und unheim­lich, wäh­rend Waits einen Trunkenbold und Vagabunden ver­kör­pert. Sie sin­gen nicht unbe­dingt von sich selbst. Insofern könn­te man sich fra­gen, ob die Beiden über­haupt klas­si­sche Singer/Songwriter sind. Ist ja auch egal, jeden­falls sind sie bril­li­ant.

Nick Cave hat ein­mal gesagt, »jeder Song muss auf klein­stem Raum eine melan­cho­li­sche Geschichte erzäh­len kön­nen«.
Ich fin­de nicht, dass die Geschichte zwin­gend melan­cho­lisch sein muss, obwohl die Melancholie am Schluss dann doch häu­fig dabei ist. Da fliesst wohl das Naturell des Liederschmiedes mit ein. Sonst wür­de ich die Aussage aber unter­schrei­ben. Das Schreiben eines Songtextes hat eine gewis­se Nähe zu Lyrik und Poesie: Es geht dabei nicht zuletzt um Verdichtung.

Mash
»Ewigi Liäbi« aus »mash.nidvobärn« (Zytglogge Verlag, 2000)

Um gera­de an Nick Cave anzu­knüp­fen: Wenn ein Song eine Geschichte erzäh­len und etwas mensch­li­ches spür­bar machen soll, dann sind für mich Aussagen wie »Du hesch mis Härz i Brand gsetzt« lee­re Worthülsen. Das bedeu­tet alles oder nichts. Der Text steht im luft­lee­ren Raum, mir fehlt die Geschichte dar­um her­um, die die Gefühle glaub­wür­dig macht. Aber Popmusik hat die­sen Anspruch ja auch nicht zwin­gend.

Für das Musical »Ewigi Liäbi« hat man in Bern extra einen roten Klotz in die Landschaft gesetzt. Ist das nötig?
Für mich per­sön­lich ist »Eventkultur« ein Schimpfwort. Es ist eine Welt, die weni­ge Berührungspunkte mit mei­ner hat. Aber vie­len Leuten bringt es offen­bar Freude, das hat sei­ne Berechtigung. Ich fin­de mich auch sonst poli­tisch und kul­tu­rell lei­der mei­stens bei der Minderheit.

Element of Crime
»Wenn der Morgen graut« ab dem Album »Die schö­nen Rosen« (Motor Music, 1996)

Tolle Band! Dem Songschreiber von Element of Crime, Sven Regener, gelingt es bril­li­ant, ein Lebensgefühl auf den Punkt zu brin­gen und dabei gleich­zei­tig lyrisch zu sein. Obwohl es auch abstrak­te Bilder gibt, ist in der Grundstimmung immer klar, was er mit sei­nen Texten meint. Diese Mischung aus Lyrik und Deutlichkeit fas­zi­niert mich.

Für »Herr Lehmann« hast du unter ande­ren die­ses Lied ins Berndeutsche über­setzt. Welche Schwierigkeiten erga­ben sich?
Überraschend weni­ge. Das gröss­te Problem war, dass es im Berndeutschen kei­ne ein­fa­che Vergangenheit gibt. Man muss immer zwei Wörter ver­wen­den: Statt »war« muss man sagen »isch gsi«. Bei Zeilen wie »Es ist nichts mehr wie es war« aus einem ande­ren Song hät­te ich immer eine Silbe zuviel gehabt. Diese Schwierigkeit konn­te ich umschif­fen, indem wir das Lied dann auf Hochdeutsch gesun­gen haben. Sonst muss­te ich nur weni­ge Wörter erset­zen. Die »Strassenbahn« in die­sem Song ist zum Beispiel zum »Morgetram« gewor­den, damit die Silbenzahl gleich bleibt.

Trummer
»Neon Liecht Meitschi« ab dem Album »Fürne Königin« (Endorphin Entertainment, 2011)

Nach einer Aufführung von »Herr Lehmann« sind wir alle in den Dachstock tan­zen gegan­gen. Dort habe ich dann so typi­sche Samstagabendszenen beob­ach­tet: Grell geschmink­te Teenies, die in der Präsentation ihrer Ausgangsmaske noch nicht sehr sou­ve­rän sind und des­halb rela­tiv leicht durch­schau­bar. Das Thema, »es inter­es­siert mich, wie es hin­ter dei­ner Maske aus­sieht«, hät­te ich auch schon viel frü­her zu einem Song ver­ar­bei­ten kön­nen. Der danci­ge Beat und das Riff ist jedoch wesent­lich vom »Herr Lehmann«-Sound beein­flusst. So ein Blues-Lick hät­te auch Nick Cave in den 80er-Jahren in Berlin spie­len kön­nen.

»Fürne Königin« von Trummer ist im Handel erhält­lich.
»Woyzeck« in den Vidmarhallen hat­te sei­ne vor­läu­fig letz­te Vorstellung ver­gan­ge­nen März.
»Murder Ballads« wird im Mai und Juni in den Vidmarhallen gespielt.

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