Ich versuche mich mal an einer kleinen Analyse der Mühle Hunziken-Sache, oder vielleicht müsste ich sagen: „Ich denke mal laut“. Der Streit in der Mühle Hunziken wird momentan öffentlich auf einem persönlichen, familieninternen und angeblich würdelosen Level geführt. Alle Stimmen verurteilen den Streit und appellieren an die Vernunft. Vor allem an die Vernunft von Pesche Burkhart, dem legendären kauzigen Mühli-Pesche, der sich selber als Königskarikatur auf seiner Webseite darstellt (www.muehli-pesche.ch): „Der Alte kann sein Lebenswerk nicht aufgeben, hergeben, abgeben.“ „Der Alte lässt den Jungen keine Chance, selber was aufzubauen.“ Pesche, hau ab, geh in den Ruhestand und lass uns in Ruhe.“ Fast in jeder Berichterstattung kommt ein ähnlicher Slogan. Das wirkt wie eine Parole, ein Mantra. Für mich ist das Anlass, Fragen zu stellen. Denn irgendwie klingt das alles zu einseitig und klischiert.
Erst eine kleine unvollständige Chronologie der Berichterstattung:
Als am 23. Juni die Berner Zeitung titelte: „Mühli-Pesche gibt den Betrieb der Mühle Hunziken ab“, war die Welt in Ordnung. Ein lange angekündigter Nachfolger war angeblich gefunden worden, man lag sich fröhlich in den Armen. Und Pesche verkündete auch „Es gibt ein Leben ohne die Mühle Hunziken“ – nämlich in Frankreich mit seiner Frau Pia. Zwar war man überrascht, dass der Philipp Fankhauser, der 17 Jahre lang Mühli-Verbot hatte, sich mit Pesche versöhnen konnte. Doch wer wollte da den Spielverderber spielen? Wenn sogar Pesche dem Philipp eine Chance gibt?
Am 20. Dezember hiess es dann noch hoffnungsvoll in der Berner Zeitung: „Neue Töne in der Mühle“, man stellte das Programm der zweiten Saison unter dem neuen Team rund um Philipp Fankhauser vor. Doch bereits am 31. Dezember veröffentlichte die gleiche Zeitung „In der Mühle Hunziken hängt der Haussegen schief“ – der Konflikt um die Mühle wurde öffentlich. Am 4. Januar geht’s los: „Es knirscht im Gebälk der Mühle Hunziken“ und einen Tag später meint Pesche „Es ist frustrierend, wies abläuft“ und gleichzeitig wird ein dubioses Schreiben vom Mühle-Team veröffentlich, eigentlich ein Werbebrief, der das neue Team lob, die Verdienstorden beleuchtet und den Pesche als böswilliger, profitgieriger, alter Rentner einstuft (so steht’s nicht im Text – nur zwischen den Zeilen). Am 6. Januar wird von „Seilziehen um die Mühle Hunziken geht weiter“ und noch gleichentags wird verkündet, dass das Mühle-Team jetzt mit Philipp Cornu von Appallooza GmbH zusammenspannt: „Jetzt kommt Cornu in die Mühle Hunziken“. Allerdings war der „Erfolg“ von kurzer Dauer: Am 16. Januar titelte die BZ: „Kaum Publikum in der Mühle Hunziken“.
Und so geht’s weiter und das nur in der Berner Zeitung, bis heute. Wenn man nur diese Titel liest, fällt auf, dass beide Lager unterschiedliche Ziele haben: Pesche will den Philipp Fankhauser weg haben. Philipp macht nicht, was er Pesche versprochen hat – so Pesche. Für ihn ist ebenfalls der alte Zwist wieder hochgekommen, die 17 Jahre Verbannung aus der Mühle haben ihn eingeholt. Es gab einen Grund – das ist sicher. Und dieser Grund ist des Müllers Grundrecht – er ist ja niemandem irgendwie verpflichtet: Noch ist die Mühle sein Lebenswerk, seine Handschrift. Ohne Pesche gäbe es ja gar keine Mühle – zumindest nicht jene, die wir in Erinnerung haben – und damit auch keinen Streit. Einen Grund hat also auch Sohnemann Thomas und Blueser Philipp – jetzt, nach fast einem Jahr wird öffentlich darüber gestritten, dass die Mühle zu teuer von Pesche verkauft würde. Was nicht so gross geschrieben wird, ist, dass eine Kaufsabsichtserklärung unterzeichnet wurde und man erst jetzt anscheinend verstanden hat, was man gekauft hat.
Aha.
Das neue Mühli-Team versucht mit jeder medialen Öffentlichkeit junge Dynamik, Machergeist, Unternehmerlust an den Tag zu legen. Man hat den Familienzwist nach vorne geschoben und Pesche als Verhinderer dargestellt: Pesche bremst alle aus, Pesche macht dies, Pesche macht das – und wir sind die Guten, Armen, die unter dem Papi-Komplex jetzt endlich losstrampeln wollen. In der Darstellung versucht man auf Opfer zu machen. Klingt doch gut und vor allem ist das ganz einfach verständlich für alle.
Hier ist Pesche konsequenter, ist König, Patron, Chef oder alles zusammen – zumindest ist er jener, der eine 30jährige Erfahrung mit den wohl übelsten Musikmanagements überlebt und das nicht vergessen hat und vor allem: kompliziert. Das versteht kaum jemand – bei Pesche muss man mitdenken. Im Leistungsausweis steht das neue Team um die Fankhauser-Brüder und Sohnemann Thomas hinter Pesche an. Im Gegenteil, sie haben sich mehrheitlich hochziehen lassen. Sohnemann Thomas von seinem – ach, so verhassten Unterdrücker-Vater (??) – und Philipp Fankhauser von Claude Nobs, der ihn in alle wichtigen Winkel der Musik vermitteln konnte. So wirklich den Blues kriegt man indes beim umtriebigen Philipp nicht wirklich – mir persönlich (und ich habe doch eine brauchbare Blues-Sammlung für eine Beurteilung) fehlt da einfach noch was. Und ich verstehe beim besten Willen nicht, wie Thomas seine Bar in der Mühle im Streit mit dem Vater weiterzieht und Forderungen stellt. Das hat etwas absurdes.
Stutzig gemacht hat mich aber, dass Thomas erst den Philipp nicht in der Mühle haben wollte und selber auch nicht Müller werden wollte – dann aber plötzlich doch einen Sinneswandel vollzog. Dieses Detail ist vielleicht ein Indiz dafür, wer wen gefunden hat. Thomas hatte nicht von alleine Antrieb, öffentlich Radau zu schlagen – erst in Begleitung und gestützt von weiteren Personen. Philipp Fankhauser wiederum wünschte sich sicher einen Club, so wie die grossen Blues alle einen eigenen Club haben, doch würde ich ihn eher als Musiker und damit in die Ecke der Träumer, als der harten Unternehmer-Realisten stellen. Ohne Manager ist Philipp nur ein halber Alltagsmensch – was keine böse Kritik, sondern eine normale Qualität eines Musikers beschreibt.
Also. Wer hat diese beiden Menschen gegeneinander ausgespielt? Und jetzt kommt diese Mühle-Kaufsgeschichte ins Spiel. Einerseits hat man eingewilligt, Verträge unterzeichnet, aber nur in Form von Absichtserklärungen. Die Preisverhandlungen laufen nämlich immer noch. Pesche und die Fankhausers sind sich überhaupt nicht einig. Das Problem: Fankhauser kann das Geld nicht zusammentreiben. Die Banken spielen bei den Forderungen von Pesche nicht mit. Das ist auch kein Wunder: Die Banken rechnen nicht in Liebhaberwerten, sehen das Kunstwerk Mühle Hunziken nicht und vor allem will Philipp Fankhauser und Thomas ja gerade dieses Image jetzt abbauen und den Übervater aus der Mühle rausoperieren. Der Wert der Mühle wird also auf ein altes Gebäude zurückfallen und der Rest muss sich erst noch beweisen. Welche Bank soll daran Interesse haben? Versuchen Sie, liebe LeserInnen, nur mal einen Gegenstand der Liebhaberwert hat, zu versichern. Oder fragen Sie doch einfach mal, ob ihre Bank mal schnell ihren Lebenstraum finanzieren will… Schnell bekommen wir unser Wertsystem mit einer eigenen Realität zu spüren.
Darum geht’s. Die gesamte mediale Präsenz ist nur ein Geplänkel im Feilschen um den Preis. Und darin werden harte Register gezogen: Mit der internen Unterstützung von Dr. Thomas Bähler, Partneranwalt der renommierten Kellerhals Anwaltskanzlei, gleichzeitig (seit 2010) Vizepräsident der Philipp Fankhauser Productions AG, ist ein erfahrener Kampfanwalt im Fankhauser-Schiff. Der weiss, wie man in solchen Verhandlungen per Gerichte die Beteiligten zermürbt. Bereits vier Mal mussten Burkharts in den letzten Monaten vor das Schlichtungsgericht – für Bagatellen, die nicht wirklich der Sache dienlich sind. Aber der Druck, der damit aufgebaut wird, ist unmenschlich.
Stellen wir uns also vor, wir haben etwas zu verkaufen und der Käufer erklärt uns, dass er will, aber nicht zu diesem Preis und geht gerichtlich gegen uns vor. Komisch, oder? Aber bei gewissen Objekten ist das ganz normal. Pesche Burkhart hat deswegen schon öfters von „feindlicher Übernahme“ gesprochen. So Unrecht hat er wahrscheinlich nicht. Doch bin ich nicht über alle Details im Bilde und weiss nicht, welche Hunde noch sonst vergraben sind, als dass ich urteilen könnte. Und wenn, dann nur emotional: Mein Gefühl und meine Nase sagen mir, dass hier etwas nicht stimmt. Das Pesche sich wehrt hat einen geschichtlichen, menschlichen Grund. Dass sich das neue Mühle-Team wehrt, hat eine zukünftige, noch unerreichte Absicht. Das ist der Unterschied.
Und jetzt?
Lukas Vogelsang




