Mit erkenn­ba­rer Poesie

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By Christian Felix

Das Kleinkunstduo «Helge und das Udo» fei­er­te im Migros Hochhaus die Schweizer Premiere sei­nes neu­en Programms «Ohne erkenn­ba­re Mängel». Es war erst die fünf­te Aufführung des Programms über­haupt. Für des­sen Gestaltung wähl­ten die bei­den Kabarettisten ein unge­wöhn­li­ches Vorgehen. Sie arbei­te­ten die Pressekritiken ihrer Vorstellungen durch und beho­ben ange­mahn­te Mängel. Die fast zwei­stün­di­ge Aufführung wür­de sich zu kei­ner Einheit fügen, bean­stan­de­ten die Journalisten. Und ein Spannungsbogen feh­le. Helge berich­tet frei­mü­tig dar­über – und bricht dadurch der Kritik schon mal die Spitze.

Schwabe und Fischkopp

Tatsächlich gibt es zwi­schen den Nummern des Programms «Ohne erkenn­ba­re Mängel» kaum Verbindungen. Wobei die­ser Mangel weni­ger schwer wiegt, als es viel­leicht den Anschein hat. «Helge und das Udo» – schon die­ser Name weist auf die selt­sa­me Beziehung zwi­schen den bei­den Bühnenkünstlern hin. Das Udo ist ein Ding, sozu­sa­gen Helges Instrument, auf dem die­ser spielt. Zwischen dem bered­ten Hanseaten Helge und dem Udo aus Schwaben gibt es ein Gefälle wie zwi­schen Herr und Diener. Es ist das klas­si­sche Verhältnis eines männ­li­chen Komödianten-Paars. Der eine gibt vor zu wis­sen, und belehrt den ande­ren, den schein­bar Naiven, der am Ende oft Recht behält mit sei­nem Zögern. Die geschickt und vari­an­ten­reich insze­nier­te Beziehung zwi­schen Helge und Udo ver­leiht dem Auftritt der bei­den nicht nur Spannung: Sie ist der rote Faden, den es eben im Programm doch gibt.

Überhaupt zeich­nen sich «Helge und das Udo» durch ein sorg­fäl­ti­ges Schauspiel aus, min­de­stens im Vergleich zu ande­ren Kleinkünstlern. Sie behal­ten die Gefühle und die Stimmungen auf der Bühne in der Hand. Damit alles sitzt, ver­zich­ten sie ab und zu auf einen Lacher. Dafür stürzt kaum eine Pointe ab. Wunderbar wirkt in die­ser Hinsicht das Lied, in dem Udo die Liebe zu ver­schie­de­nen Frauen mit je einem Gemüse ver­bin­det, wobei Zweideutigkeiten natür­lich ein­ge­plant sind. Zotig wird das nie. Udo bleibt bei sei­nem lie­be­voll ero­ti­schen Ton. Selbst wenn sei­ne Banane lei­der nicht auf der Höhe des Geschehens ist. Das ist bit­ter, wie so vie­les im Programm. Udo und Helge ken­nen das Geheimnis der Komödie: Hinter der Clownerie bewe­gen sich die Figuren in einer elend trau­ri­gen Welt. Weshalb sonst wür­den Hlege und Udo eine Bühnennummer Kafkas «Prozess» wid­men?

Deutsche Komödientradition

«Helge und das Udo» ver­knüp­fen ihr Programm mehr­mals mit bekann­ten Namen aus Literatur und Theater. Neben Kafka auch mit des­sen Freund Max Brod. Damit neh­men die bei­den ein Risiko in Kauf. Nicht alle im Publikum kön­nen mit sol­chen Bezügen etwas anfan­gen. Nur weni­ge erin­nern sich zum Bespiel noch an Heinz Erhard. Ihn ehren Helge und Udo mit einem Sketch aus bestehend Wörtern, die alle mit U anfan­gen, sowie einem Stück in H (Heinz Erhart hat­te ein Theaterstück in G geschrie­ben). «Helge und das Udo» stel­len sich so in die Tradition der Literatur und vor allem der deutsch­spra­chi­gen Komik. Auch dadurch erhält das Programm «Ohne erkenn­ba­re Mängel» einen inne­ren Zusammenhalt.

«Helge und das Udo» pfle­gen zudem Schüttelreime, eine uralte deut­sche Versform, die vor allem der Komik dient. Dabei wer­den Silbenanfänge ver­s­tauscht: Du bist Buddhist; Hans stand am Sandstrand im Handstand. Aus die­sem Vers ent­wickelt das Duo eine rüh­ren­de poe­ti­sche Geschichte von zwei Hanseaten (sie spre­chen S‑trand, s‑tand), an der nichts wei­ter komisch ist, aus­ser eben die Versformen. Sprachwitz ist eine Stärke von «Helge und das Udo». Den gröss­ten Applaus des Publikums ern­ten jedoch die Improvisationstücke. Die bei­den ent­wickeln aus einer dra­ma­ti­schen Situation eine Geschichte, die das Publikum steu­ert. Das ergibt urko­mi­sche Effekte und bringt den Saal am Ende doch zum Schütteln und Wiehern. Es ist eben die hohe Kunst der Komödie, ein anspruchs­vol­les Publikum anzu­re­gen und gleich­zei­tig die all­ge­mei­ne Vergnügungssucht zu bedie­nen. Dies ist an der Premiere von «Ohne erkenn­ba­re Mängel» tadel­los gelun­gen.

: http://www.kulturkritik.ch/2014/helge-und-das-udo-ohne-erkennbare-maengel/

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