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«Mir erschien der Teufel»

Von Pascal Mülchi – Ob als Sänger der Band The Monsters, als Chef des Voodoo-Rhythm-Labels oder als One-Man-Band Reverend Beat-Man: Der 41-jäh­ri­ge Beat «Beat-Man» Zeller geniesst in der Rock’n’Roll-Underground-Szene Kultstatus.

Der Refrain sei­nes komisch-sur­rea­len, auto­bio­gra­fisch ange­hauch­ten Songs «The Beat-Man Way» ist ein­dring­lich: Da ist ein Mann am Werk, der sei­nen Weg trotz aller Widerstände und Hürden kon­se­quent sucht. Und fin­det. Ursprünglich als Comic-Charakterfigur ins Leben geru­fen, wird Beat Zeller seit dem 13. Lebensjahr von allen nur noch Beat-Man genannt, sogar von sei­ner Grossmutter. Als Batman-Fan kre­ierte er das Wortspiel. Der Anti-Held war gebo­ren.

Selbsternannter Prediger Angefangen hat alles mit einer skur­ri­len Begegnung mit eben die­sen 13 Lenzen. «Mir erschien der Teufel», sagt Beat-Man mit ern­ster Miene. Dieser habe ihm gesagt, er sol­le sei­nen Traum ver­wirk­li­chen und ein berühm­ter Musiker wer­den. Er käme dann wie­der, mein­te er. Und tat­säch­lich. Er kam. Beat Zeller ver­kauf­te ihm aber nicht sei­ne Seele. Nein. Er wähl­te die hel­le Seite der Macht. «Ich sag­te ihm, dass ich mei­nen eige­nen Weg gehen will.» Seither sei er nie mehr gekom­men.

Alsbald nimmt Beat Zeller sei­ne erste Kassette unter dem Namen «Taeb Zerfall» auf. Mitte der 1980er springt er auf die Psychobilly-Welle auf und grün­det mit The Monsters sei­ne erste Band. Seine Begeisterung gilt der rebel­li­schen Musik der 1950er und sei­ner Ikone Hasil Atkins. 1992 ruft der Berner Voodoo Rhythm ins Leben. Das Label bezeich­net er heu­te als sein Lebenswerk. Dann tourt er als Lightning Beat-Man mit einer Wrestling-Show durch die Welt. Die Solonummer begei­stert, die inter­na­tio­na­le Rock’n’Roll-Underground-Szene ist fas­zi­niert. Bis er sich den Rücken bricht und sei­ne Stimme «ver­liert». «Hey, ich bin kein Iggy Pop, sag­te ich mir damals.» Denn selbst zer­stö­ren woll­te er sich nicht. So ernann­te er sich zum Reverend, zum Reverend Beat-Man. Seither, das war 1999, pre­digt er: Den Beat-Man-Way.

Schuhtritte in die Eier «Am wich­tig­sten ist, auf sei­nem Weg die Augen offen zu hal­ten und zu lau­fen, anstatt sit­zen zu blei­ben und die Augen zu ver­schlies­sen», erklärt der 41-Jährige. Mit dem eige­nen, grund­fe­sten Glauben ist er über­zeugt, alles errei­chen zu kön­nen. Denn: «Jeder kann glau­ben!» Der Mann mit nur noch ver­ein­zel­ten Haaren auf dem Kopf, leicht krum­mer Nase und ein­dring­li­chem Blick erzählt all dies ganz gelas­sen und unkom­pli­ziert. Als wäre es eine Trivialität. Der ein­ge­schla­ge­ne Weg ist zu einer Mission gewor­den. Auch, weil er mit 30 Jahren «das Licht» als Bestätigung des ein­ge­schla­ge­nen Wegs und als Kontrast zum Teufel gese­hen hat. «All mei­ne Lasten flo­gen davon, ich fühl­te mich befreit und vie­les wur­de mir klar.»

Als One-Man-Band – er spielt gleich­zei­tig Gitarre und ein simp­les Schlagzeug – zele­briert er die erwor­be­ne Ungezwungenheit. Seine Show ist eine Art Performance-Kunst. Ein Theater. Er erzählt, spielt ein paar Akkorde, macht Pausen, steht auf, erzählt wie­der. Kurz: er macht, was ihm grad so passt. «Du kannst machen, was du willst, und dabei völ­lig abge­hen.» Als eigent­li­che «Aussenseiter-Musik» bezeich­net er sein Tun, das ihm 2007 einen loka­len Anerkennungspreis der Stadt Bern ein­ge­bracht hat. In sei­nen Songs the­ma­ti­siert er den Tod, Gott und die (ver­lo­re­ne) Liebe. Seine Musik nennt er Blues Trash. Blues Trash? «Das ist Blues, der dir wie ein Schuh in die Eier schlägt», erwi­dert er. Und beginnt inbrün­stig zu lachen.

Er will kein Schaf sein Der Beat-Man-Way ist ein ganz eigen­wil­li­ger. Auf der Bühne kracht es. Daneben sei er aber «ganz easy und sozi­al» drauf. «Eigentlich bin ich nicht so, wie es auf der Bühne aus­sieht.» Als allein erzie­hen­der Vater küm­mert er sich tag­täg­lich um sei­nen Sohn. Sein zwei­tes Kind lebt in Los Angeles. So wild und absurd oder gar sata­ni­stisch wie an sei­nen Konzerten wird es da kaum zu und her gehen.

Denn sei­ne «Jesus-Freak»-Predigten stecken vol­ler Ironie. Nur eine dum­me Belustigung will er nicht dahin­ter sehen. Es sei schon viel mehr. «Es geht um dei­ne eige­ne Freiheit in dir drin, dar­um, dass du den Respekt vor dir wie­der fin­dest.» Das Bild und Wesen der Kirche in den 1970ern hat ihn stark geprägt: «Als ich auf­wuchs hat die Kirche immer von oben nach unten auf dich gezeigt.» Dem hat die Kultfigur abge­schwo­ren. Er will kei­ne Anleitung, kein Schaf sein. «Ich muss sel­ber her­aus­fin­den, wer ich bin, was ich tun will und war­um ich es tun will.»

«Man muss mich suchen» Für Mighty Mike von den Juke Joint Pimps, einer Voodoo-Rhythm-Band, ist die Stageshow von Reverend Beat-Man «pure Blasphemie», aber «total geni­al». In den Augen der Folk-Band The Dead Brothers soll­te der Begräbnis-Kappellen-Prediger ein Nationalheld sein. «Uns stört, dass er aus­ser im Underground kei­ne gros­se Persönlichkeit ist.» Vielleicht wird sich das ja bald ändern: Beat-Man plant ein «Voodoo Rhythm» in America. Dazu will er sich in den Staaten nie­der­las­sen. «Wie das genau aus­se­hen soll, steht aber noch in den Sternen», sin­niert er.

Bei sei­nem Label hat Beat Zeller bis­lang rund 30 Retrocombos aus aller Welt ver­öf­fent­licht. Absurde Musikbezeichnungen sind Programm, wobei der Schwerpunkt bei Rockabilly, Garage und Rock’n’Roll liegt. Es sind dies alles Bands, die sei­ne Philosophie ver­kör­pern: Sie suchen die­je­ni­ge Musik, die in ihnen steckt. Und wohl auch in Beat-Man und sei­nem Label, das auf die­sem Grundsatz auf­ge­baut ist: «Man muss mich suchen. Die Musik soll einem nicht unter die Nase gebun­den wer­den.» Halt ganz nach dem Beat-Man-Way: «I don’t give a fuck, I just wan­na go the Beat-Man-Way!»

Infos: www.voodoorhythm.com


Voodoo Rhythm Records ist geret­tet!

Nach meh­re­ren Gesprächen mit der SUISA (Schweizerische Gesellschaft für die Rechte der Urheber musi­ka­li­scher Werke)  konn­te eine gute Lösung für alle Beteiligten gefun­den wer­den. Zur Erinnerung: Im Januar 2009 flat­ter­te eine Rechnung von rund 42’000 CHF für aus­ge­blie­be­ne Urheberrechtszahlungen ins Haus, die Beat-Man zu Hilfeschreien und Spendenaufrufen ver­an­lass­te. Dank zahl­rei­cher Eingänge, der unglaub­li­chen Loyalität sei­tens der Fans und auch der Presse sowie zahl­rei­chen Benefiz-Veranstaltungen kamen cir­ca 46’000 CHF zusam­men. Und: Infolge Entgegenkommen der SUISA und damit ver­min­der­ten Forderungen bleibt nun gar ein Überschuss von cir­ca 20’000 CHF. Voodoo Rhythm Bands, die Geld zur Unterstützung über­wie­sen haben, bekom­men die­ses zurück (cir­ca 4’000 CHF). Ein gros­ser, noch unbe­kann­ter Betrag, wird in drin­gend benö­tig­te Infrastruktur flies­sen. Der Beat-Man-Way der Verwaltung wird damit auf­ge­weicht und durch eine ordent­li­che Buchführung mit ent­spre­chen­der Hard- und Software ersetzt. Ausserdem – und das ist hoch erfreu­lich – ermög­licht der Überschuss vor­erst glei­che oder zumin­dest ähn­li­che Deals (Gratisexemplare plus gün­sti­ge Selbsteinkäufe der Tonträger) wie vor­her für die Bands. Das heisst, Voodoo Rhythm wird auch künf­tig in der Lage sein, Underground-Musik zu ver­öf­fent­li­chen. Reverend Beat-Man ali­as Beat Zeller befin­det sich der­zeit auf US-Tour. (pm)

Zur Person Beat Zeller (41) ist in Hinterkappelen bei Bern auf­ge­wach­sen. Der gelern­te Elektromonteur und –zeich­ner ist zwei­fa­cher Vater und geschie­den. Seit dem 13. Lebensjahr ist Musik sein Leben.

Bild: Der Reverend / Foto: Pascal Mülchi
ensuite, August 2009