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MIGROS – Zum Glück eine Genossenschaft

gurten«Noch immer kur­siert die Meinung, der «Park im Grünen» sei für die Migros eine regel­rech­te Goldgrube. Genau das Gegenteil ist der Fall, denn nur dank des welt­weit ein­ma­li­gen Kulturprozents kann die Bevölkerung vom «Güsche» pro­fi­tie­ren. Allein 2008 belief sich das Betriebsdefizit — inkl. Abschreibungen — auf über drei Millionen Franken. Dies kommt auch daher, dass vie­le Dienstleistungen den Besucherinnen und Besuchern nicht ver­rech­net wer­den. Es zeigt sich ins­be­son­de­re in der heu­ti­gen Zeit, was für ein Vorteil es für die Öffentlichkeit dar­stellt, dass die Migros eine Genossenschaft ist und daher alle von ihrem Erfolg pro­fi­tie­ren kön­nen.»

So schreibt Thomas Bornhauser im Migros-Magazin vom 4. Mai 2009. Die MIGROS plan­te, dass der Betrieb das Anfangsdefizit von rund einer Million Franken pro Jahr sel­ber decken muss. «Davon sei man heu­te so weit ent­fernt, wie damals», erklär­te Thomas Bornhauser in einem Interview vom 17. Januar 2009 in der Berner Zeitung. Dies erklärt auch die rigo­ro­se Sparübung zum 10-jäh­ri­gen Bestehen vom Gurten – Park im Grünen. Beim ehe­ma­li­gen Kinder- und Familienberg wur­de zum Beispiel das per­ma­nen­te Kinderprogramm «Himmel über Bern» oder das alte Nostalgie-Karussell (was den Gurten aller­dings nie etwas geko­stet hat) ein­ge­spart. Das ist scha­de, denn mit die­sem sozia­len Engagement hat­te sich der Gurten in Bern und den Regionen einen guten Namen gemacht. Jetzt gibt es nur noch ver­ein­zel­te Aktionen und ein­zel­ne Events, die aber ein­zeln bewor­ben wer­den müs­sen und kaum die­se Beachtung wie­der­erlan­gen. Zudem – und da geht das Konzpet nicht auf – kostet die punk­tu­el­le Eventvermarktung ungleich mehr. Eine kei­ne unre­prä­sen­ta­ti­ve Umfrage von ensuite hat gezeigt, dass eini­ge Familien in die­sem Jahr weni­ger auf dem Gurten waren. Warum? Es wer­den feh­len­de Attraktionen genannt (Spiele und Karussell) – vor allem aber die feh­len­de Präsenz. Anders als bei einem Erlebnispark ändert auf dem Gurten die Kundschaft jähr­lich und wächst buch­stäb­lich davon. Ein Jahr spä­ter müs­sen also wie­der neue Eltern ange­spro­chen und auf den Berg geholt wer­den – es gibt bei einem Kinder- und Familienberg kaum «Dauerkunden».

Es ist zu hof­fen, dass das Jubiläumsjahr ein Konsolidierungsjahr ist, um neue Konzepte zu schmie­den und die Weichen neu zu stel­len. Die Krise als Chance, vor allem jene, die Defizitkosten zu ver­decken. Die MIGROS-Aare ist momen­tan zusätz­lich mit dem WESTSIDE und den Umstrukturierungen der MIGROS Aare stark gefor­dert. Das Defizit vom Berner Hausberg hat aber weit­wir­ken­de Auswirkungen und trifft die gesam­te Berner Kultur: Der Gurten wird über das Kulturprozent abge­rech­net. Das schröpft  das sonst als gross­zü­gig und mit Engagement bekann­te MIGROS-Kulturprozent emp­find­lich. Spürbar wird’s eben­falls in der Präsenz: Die MIGROS ist immer sel­te­ner bei klei­ne­ren Kulturproduktionen auf­ge­führt. Nach wie vor wich­tig sind für die MIGROS Events, die einen ein­deu­ti­gen Eigenwerbezweck ver­fol­gen: die MIGROS-Klubschulen, das Gurtenfestival oder das Theater Gurten. Das Kulturbüro ist eben­falls ein mit­fi­nan­zier­tes Projekt der MIGROS, stammt aller­dings auch aus einer ande­ren «Förderungsepoche».

Die Wirtschaftskrise wird in die­sem Jahr noch tie­fer Ihre Spuren auf dem Hausberg hin­ter­las­sen: Die Zeltvermietungen für Grossanlässe und Semiare. Was sonst gutes Geld abwirft, wird kaum in der Krisenzeit das Defizit auf­fan­gen kön­nen. Das hat sich im 2008 bereits sehr deut­lich gemacht. Dass jetzt Hans Traffelet, Leiter Gurten, zusätz­lich bis Ende 2009 inte­ri­mi­stisch im WESTSIDE die Leitung vom Bernaqua über­nimmt, wird nicht zur Besserung des Defizites des Hausberges bei­tra­gen.

Lukas Vogelsang*

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* Lukas Vogelsang war mit der Firma inter­werk gmbh die letz­ten neun Jahre für das Kinderprogramm auf dem Gurten zustän­dig und hat das Projekt «Himmel über Bern» auf­ge­baut und betreut. Der inter­werk gmbh gehört auch das Nostalgie-Karussell, wel­ches in den letz­ten Jahren auf dem Gurten stand.