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Menschen & Medien: Wenn einer die Medien kri­ti­siert

Von Lukas Vogelsang – Wahrscheinlich wer­den wir jetzt jedes Jahr die glei­che Leier hören: Der Publizistikprofessor Kurt Imhof wird in sei­nem Jahrbuch die Qualität der Medien ver­kla­gen, und die Mediengilde wird jedes Mal in ihrer Übermacht zurück­schla­gen. Es ist ein doo­fes Spiel: Wer Journalisten kri­ti­siert, kriegt gleich dop­pelt zurück. Dabei kämpft Professor Kurt Imhof auf der glei­chen Seite wie die Journalisten, und ver­sucht nichts wei­ter, als dem Beruf der JournalistInnen die Würde zurück­zu­ge­ben.

Ich per­sön­lich füh­le mich auf jeden Fall durch die Arbeit von Professor Kurt Imhof in mei­ner Meinung und in mei­ner Wahrnehmung bestä­tigt. Ich mache eben­falls die Erfahrung, dass die Qualität der soge­nann­ten Berichterstattung bereits weit unten im Boden liegt. Vielleicht muss man anfü­gen, dass es gewis­se Disziplinen gibt, die übler dran sind als ande­re. Aber jede Zeitung die ich öff­ne, strotzt von faden­schei­ni­gen Artikeln, schlech­ten Recherchen. Je nach­dem, wel­che poli­ti­sche PR-Maschine grad am Rollen ist, fal­len die Berichte aus. Das ist in der Politik genau­so, wie in der Sektion Lifestyle oder Wirtschaft. JournalistInnen sind nicht mehr draus­sen, «uf dr Gass» anzu­tref­fen. Heute hat man ein Telefon und Email. Hauptsache der Bürostuhl klebt gut – aber die Augen des Gegenübers kennt man nicht. Und war­um? Die Verleger wol­len spa­ren, um die grösst­mög­li­che Rendite aus dem Betrieb raus­zu­ho­len – und die JournalistInnen sind faul gewor­den. Die Spesen sind gestri­chen und «schnell, schnell» zum Ziel bedeu­tet mehr Zeit für ande­re Dinge.

Professor Kurt Imhof kri­ti­sier­te in sei­nem neu­sten Jahrbuch den Online-Journalismus – aus­ge­rech­net das Steckenpferdchen, die gros­se Hoffnung der Medienbranche. Da wagt also einer zu behaup­ten, dass nicht alles Gold ist, was glänzt, und dies in Zeiten, wo der Goldpreis ins Schwindelerregende steigt und das Fussvolk damit spe­ku­liert, ob es sich viel­leicht doch lohnt, den gol­de­nen Ehering zu ver­hö­kern.

Professor Kurt Imhof hat selbst in sei­nen Veröffentlichungen eini­ge Fehler gemacht. Zahlen oder Studien waren allem Anschien nach nicht so gut recher­chiert, oder die Zahlen falsch berech­net. Solche Dinge sind natür­lich übel und mise­ra­bel. Allerdings haben am lau­te­sten eben jene Medienvertreter geschrien, nach derer Präzision wir täg­lich die Lotto-Scheine aus­fül­len kön­nen: 20 Minuten, Tagesanzeiger, Weltwoche. Auffallend ist auch, dass die Kurt-Imhof-Kritiker fast aus­nahms­los die Chefs die­ser Medien sind. Also ver­lags­lei­ter­na­he oder gar die Verleger sel­ber, Chefredaktoren, wel­che die rech­te und die lin­ke Hand der Verleger sind… Aber wir hören eigent­lich kei­ne Stimmen aus den «nie­de­ren» Rängen – also jenen, wel­che die jour­na­li­sti­schen Texte schrei­ben. Warum? Weil die kei­ne Stimme haben.

Nun, wer sel­ber Internetangebote betreut weiss, dass die Zahlen und Statistiken nicht aus­sa­ge­kräf­tig sind. Es gibt noch heu­te kei­ne ver­bind­li­che Messung, wel­che die Wahrheit wider­spie­gelt. Die Hauptprobleme dabei sind die Roboter, wel­che eben­falls die Webseiten durch­for­sten, die Suchmaschinen, ein Haufen ChinesInnen, JapanerInnen, RussInnen, und die immer noch links fah­ren­den EngländerInnen, wel­che die deut­sche Sprache immer noch als Provinzdialekt ihrer Landessprachen ver­ste­hen. Ein Beispiel: ensuite.ch hat sie­ben ver­schie­de­ne Traffic-Messmethoden – doch kei­ne ein­zi­ge ist der ande­ren gleich. Allerdings sind jene Messinstrumente, wel­che den Werbevermittlern am Nächsten ste­hen, auch jene mit den höch­sten Resultaten. Deswegen appel­lie­ren die Medienvertreter so vehe­ment gegen die Studie von Professor Kurt Imhof: Es könn­te ja sein, dass die «Erfolgsmeldungen» der Verlags-leiterInnen und ChefredaktorInnen bezüg­lich der Online-Auswertungen eben­falls falsch lie­gen. Soviel zur Genauigkeit und Glaubwürdigkeit im Journalismus. Ein Hoch auf Professor Kurt Imhof und sein Team. Ich hof­fe, dass wir noch viel mehr Kritik zu hören bekom­men…

Cartoon: www​.fauser​.ch
ensuite, November 2011