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Menschen & Medien: Seriös: So wer­de ich berühmt!

Von Lukas Vogelsang – Wer in der Medienwelt arbei­tet hat mit inter­es­san­ten Auswüchsen von «wie wer­de ich berühmt» zu tun. Ich habe davon schon oft ein Klagelied gesun­gen. Aber jedes Jahr wird das Theater absur­der, das «ich bin megaperfekt»-Feeling, die Unfehlbarkeit und die Unfähigkeit sich zu reflek­tie­ren haben Formen ange­nom­men, die nur noch unge­sund sind. Im Facebook kann sowas ja noch «lustig» sein – in der Realität aller­dings ist die­ses Verhalten krank.

So erhal­ten wir Anfragen wie die­se: «Wir möch­ten anfra­gen, ob es mög­lich ist, dass im ensuite ein Bericht dazu erscheint? Gerne schrei­ben wir auch einen Text vor.» Oder aber die Anfrage lau­tet: «Ich wür­de ger­ne wis­sen, was ein Portrait über mich im Ensuite kosten wür­de von: hal­be Seite oder gan­ze Seite mit Text und Bild.» Wir hat­ten schon Anfragen von Leuten, die unbe­dingt auf der Titelseite erschei­nen woll­ten und «fast» jeden Preis bezahlt hät­ten. Das ist absurd.

Natürlich gibt es dann in unse­rer Branche KollegInnen, die die­se Verhalten als Businessmodell ver­wen­den und Mails schrei­ben wie die­ses: «In der Novemberausgabe No.11/2013 unse­res (…)-Magazins (Erscheinungszeitraum vom 25. Oktober bis Ende November 2013) wer­den wir Ihre kom­men­de Ausstellung mit «Künstler sound­so» als Tipp der Redaktion emp­feh­len. In die­sem Zusammenhang wür­den wir uns freu­en, wenn Sie ergän­zend hier­zu mit einem Inserat auf Ihre Ausstellungsaktivitäten hin­wei­sen. Unsere Mediadaten fin­den Sie unter (…).»

Kein Wunder, dass wir von den VeranstalterInnen erpresst wer­den: «Ich schal­te nur ein Inserat, wenn Ihr über den Film einen Artikel schreibt.» Während wir die­se Angriffe abweh­ren wol­len, rol­len die schwar­zen Schafe in der Branche den roten Teppich aus. Und wie, lie­be LeserInnen, wol­len sie noch sicher sein, dass das, was sie lesen nicht ein­fach ein Promo-Artikel für irgend­ei­ne Lobby ist? Das ist selbst für uns JournalistInnen nicht ein­fach.

Für mich zeigt es vor allem eines: Diese WerberInnen haben kaum noch eine Ahnung, was Werbung ist. Das läuft kom­plett plan­los, ohne Aufbau und Linie, ohne Fokus auf ein Publikum, ohne Erfolgsquotenrechnung etc. Kein Wunder wer­den wir bei Anfragen bei einer Bank oder Versicherung mit der Sponsorenabteilung ver­bun­den. Kein Wunder aber auch, dass das Vertrauen in Firmen, Kulturinstitutionen und Produkte schwin­det. Es ist für mich ein unlös­ba­res Rätsel, war­um Kulturinstitutionen den Besucherschwund nicht mit feh­len­der Werbung, fal­schem Marketing erklä­ren. Im Gegenteil: Es wird gefor­dert, dass die Presse über Produkte oder Vorstellungen schreibt – und damit die Werbung gra­tis macht. Das läuft aber total unkon­trol­liert ab. Ich per­sön­lich möch­te kei­nen sol­chen Marketing-Plan.

Was in der Zeitung steht soll­te die Meinungsbildung ermög­li­chen. Wir sind wei­ter davon ent­fernt als je zuvor. Heute gilt: Was in der Zeitung steht «ist die Meinung». Und aus der Sicht der Firmen und VeranstalterInnen heisst es: Wir bezah­len die Zeitung mit einem Werbeinserat, wenn sie in einem Artikel eine posi­ti­ve Meinung über uns ver­öf­fent­licht. Mir wird ein­fach schlecht.

Doch zurück zum Thema: Leute, die in der Redaktion ihre 5‑Minuten Berühmtheit mit sol­chen «bit­te macht mich berühmt»-Anfragen beackern, wer­den in der Tat sogar berühmt. Allerdings nur in den Redaktionsräumen, wo man schreck­li­che Witze und abgrün­di­ge Sprüche über die­se Personen macht. Liebe LeserInnen, sie wol­len nicht wis­sen, was JournalistInnen hin­ter der Abschrankung von roten Teppichen (zum Beispiel an der «Gala de Berne») wirk­lich erzäh­len. Das sind Wahrheiten und Meinungen über die Eitelkeiten von Menschen – man wür­de sich in Grund und Boden schä­men. Also, über­le­gen sie sich ob sie berühmt wer­den wol­len, oder ob nicht ein­fach gute Werbung gesün­der wäre.

Foto: zVg.
ensuite, November 2013