Menschen & Medien: Nur was Geld wirft ist pro­fes­sio­nell

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Von Lukas Vogelsang – Ich muss mich mal wie­der recht­fer­ti­gen. Unser Alltag, unse­re gesam­te Bildung, Kultur, Partnerschaften, Familiengeschichten usw. bau­en auf einer simp­len Erfolgslüge: Geld macht pro­fes­sio­nell. Jede Tätigkeit wird nur als «pro­fes­sio­nell» ein­ge­stuft, wenn Geld fliesst. Der Gewinn ist des Menschen höch­ste Errungenschaft – will man uns, von links bis rechts, bei­brin­gen. Selbst Gewerkschaften schrecken davor nicht zurück: Als ich, als Betriebsleiter von Radio RaBe mit vie­len eige­nen Radiosendungen, bei der Gewerkschaft Comedia den übli­chen Presseausweis anfor­der­te, hiess es: Mit einer 50 % Anstellung sei ich nicht pro­fes­sio­nell und hät­te somit kein Anrecht. Nun, Radio RaBe konn­te zwar nur sym­bo­li­sche 50 % bezah­len – gear­bei­tet hat­te ich aller­dings ca. 120 %. Ich war sie­ben Tage die Woche am Sender – zum Teil über­nach­te­te ich auf dem Büroboden.

Auf dem dies­jäh­ri­gen Kultur-Gurtengipfel wur­de ich über­rascht von Ueli Balsiger (Balts Nill), der das 10jährige ensuite – kul­tur­ma­ga­zin plötz­lich vor der gesam­ten Veranstaltervereinigung öffent­lich ehr­te. Allerdings konn­te er es sich nicht ver­knei­fen und ver­glich das Onlinemedium «Journal‑B», wel­ches sich nicht mal ein Jahr finan­zie­ren konn­te, als «wesent­lich pro­fes­sio­nel­ler». Warum? Weil «Journal‑B» Löhne bezahl­te und damit Pleite ging?
Am Denkfest 2013 in Worms, in der Metropolregion Rhein-Neckar in der Nähe von Mannheim, an wel­chem ich im Juni als Referent ein­ge­la­den war, kam es nach der Tagung zu einer hit­zi­gen Diskussion, weil ein jun­ger Mann das Gefühl hat­te, dass ensuite – kul­tur­ma­ga­zin die Mitarbeitenden Schreiberlinge aus­sau­ge, sich an ihnen berei­che­re. Das unge­fäh­re Bild: Der böse Verleger, wel­cher die Journalisten aus­blu­ten las­se und sel­ber auf der Jacht Partys fei­ert. Ich war ziem­lich per­plex.

Geld hat mit einer Denkleistung, mit Fähigkeiten, Können, Wissen, Kompetenzen wirk­lich nichts zu tun. Selbst Bildung recht­fer­tigt kein selbst­ver­ständ­li­ches Zeugnis von Fähigkeiten – kann die­se höch­stens för­dern. Schreiben gelernt zu haben heisst nicht, dass wir jetzt eine BestsellerautorIn sind. Und wenn wir davon aus­ge­hen, dass sich Geld oft­mals nicht ganz gerecht­fer­tigt oder nur ver­erbt anhäuft, dann wird das gesam­te «Geld = Professionell»-Konstrukt mehr als frag­wür­dig.

Noch gro­tes­ker wird die­se Geschichte, wenn wir die welt­weit am mei­sten ver­wen­de­ten Webseiten hin­zu­zie­hen. An vier­ter Stelle steht hier WIKIPEDIA. Alle SchülerInnen, AkademikerInnen, JournalistInnen, AutorInnen ver­wen­den die­se Seite selbst­ver­ständ­lich – und ich bin nicht über­zeugt, dass alle Geld spen­den für ihre Wissens-Abfragen. Die AutorInnen beim gröss­ten Lexikon arbei­ten alle ehren­amt­lich, weil sie «die Erweiterung des eige­nen Wissens als wich­tig bis sehr wich­tig» (Wikipedia über sich selbst) ein­schät­zen. Ist des­we­gen der gesam­te Inhalt von WIKIPEDIA unpro­fes­sio­nell und berei­chert sich da jemand? Ich den­ke nicht – dafür gibt es demo­kra­ti­sche Strukturen, Mitspracherechte, und vor allem: WIKIPEDIA exi­stiert immer noch. Egal wo: Jede und jeder, wel­che Freiwilligenarbeit lei­stet, weiss, dass es dabei um Menschlichkeit geht. Nicht um Geld.

Professionalität ist dem­nach bei der Arbeit, bei allen Tätigkeiten nur die Menschlichkeit.

Cartoon: www​.fauser​.ch
ensuite, August 2013

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