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Menschen & Medien: Die Medien brau­chen ein Update

Von Lukas Vogelsang – Es hat schon etwas Verzweifeltes, wenn sich rund 80 Personen – haupt­säch­lich JournalistInnen und Mitglieder von der Mediengewerkschaft Syndicom – im Bundeshaus zu einer Medienwerkstatt zum Thema «Journalismus im digi­ta­len Zeitalter» tref­fen. Verzweifelt war es aus mei­ner Sicht, weil ich nur zwei Teilnehmer aus­ma­chen konn­te, wel­che mit einem Laptop oder einem iPad der Tagung folg­ten. Der iPad-Ianer war der Chefredaktor der Onlineredaktion der AZ-Medien, der ande­re war ich. Sicher, da waren vie­le Smartphones… aber aus­ser SMS an die Freunde wur­de damit wohl nicht gear­bei­tet (ich lass mich ger­ne des bes­se­ren beleh­ren!). Liebe Freunde, das digi­ta­le Zeitalter ist schon lan­ge über­all zuge­gen. Darüber jetzt zu dis­ku­tie­ren ist wie wenn wir ver­su­chen, ein Flugzeug zu bau­en: Die grund­le­gen­den Erfindungen lie­gen bereits weit in der Vergangenheit, und wir erfin­den nur noch Innovationen und Variationen davon – nicht mehr das Flugzeug selbst (mal abge­se­hen von Solarflugzeugen). Was also ver­sucht eine Gewerkschaft mit einem sol­chen Treffen zu errei­chen? Welches Ziel erhofft man sich?

Mit PowerPoint-Präsentationen wur­den uns Vorträge gehal­ten – alle mit dem wum­mern­den Unterton, dass man sich der digi­ta­len Welt stel­len soll­te, und dass die Medienkrise (Leser kün­di­gen mas­sen­wei­se ihre Abos) über neue digi­ta­le Technologien zu ret­ten ist. Das «Wie» hielt sich natür­lich still zurück, und wenn nicht, dann wur­de von Subventionen für Redaktionen gespro­chen. Nur ja nicht von der jour­na­li­sti­schen Arroganz einen Schritt zur Seite machen: Was die Medien tun ist nur rühm­lich und rich­tig. Auch wenn Sie die Welt ver­schla­fen haben. Es kommt nie­man­dem in den Sinn, dar­über zu debat­tie­ren, wie man die Themenvielfalt in den Medien wie­der viel­fäl­tig macht (Beispiel: die Berichterstattung wäh­rend Wochen über die Affäre Hildebrand und Blocher in allen Medien, oder, aktu­el­ler, die Berichterstattung über das Gurtenfestival 2012, wel­ches mit je bis zu 5 Artikeln auf allen Berner Medienplattformen über­prä­sent war). Man stöhnt nur über feh­len­des Geld in den Redaktionen und sucht kei­ne eige­nen Geschichten mehr. Die Monopolistin SDA (Schweizerische Depeschenagentur – sie erstellt alle Kurzmeldungen, wel­che die Zeitungen auf­grei­fen) ist kein Thema, obwohl sie die haupt­ver­ant­wort­li­che Quelle für die lang­wei­li­ge Tagespresse ist. Da die SDA aber den Zeitungen sel­ber gehört, ist sie so unfehl­bar wie die Redaktionen auch.

Die feh­len­de Bereitschaft, sich im Beruf der Zeit anzu­pas­sen, zeigt sich am näch­sten Beispiel – und ich las­se Namen bewusst weg –, als der älte­re Ex-Chefredaktor einer nam­haf­ten Medienunternehmung bei der Vorstellung eines neu­en, von StudentInnen, Unis und Hochschulen ent­wickel­ten, digi­ta­len Recherchewerkzeuges als ein­zi­ge Frage ein­warf: «Ja, und kön­nen die­se Jungen die­se Informationen auch rich­tig jour­na­li­stisch Kommunizieren?» – Das macht Freude und man schöpft Hoffnung für die Zukunft.

Auch inter­es­sant war die Feststellung, dass Medienunternehmen – vor­wie­gend die klei­ne­ren Anbieter – ange­ben, kein Geld mit den Webseiten ver­die­nen zu kön­nen. Schaut man aber auf die­se Webseiten stellt man unwei­ger­lich fest, dass auch kein Mensch frei­wil­lig auf die­sen Plattformen etwas lesen möch­te. Entweder ist das Angebot erschreckend unat­trak­tiv, oder aber – und das ist viel schlim­mer – mein­te man, mit dem Design einen eige­nen Standard ein­füh­ren zu wol­len. Der Effekt: Die Werbeflächen sind nicht stan­dar­di­siert und man muss für die Plattform extra Bannerwerbung pro­gram­mie­ren las­sen. In einem der­art schnel­len Markt, der vor allem durch die Geschwindigkeit domi­niert wird, ein per­fek­tes «Aus».
Die Innovation in den Medien beginnt mit den JournalistInnen – nicht mit der digi­ta­len Zukunft. Wer immer noch die Fehler aus­ser­halb der Redaktion sucht, hat den Zug ver­passt.

Foto: zVg.
ensuite,  August 2012