A.S.A. Harrison: Die stille Frau. Roman. Aus dem Englischen von Juliane Pahnke.
Von Simone Wahli – Jodie und Todd leben ein Leben wie im Märchen. Ihre luxuriöse Wohnung in Chicago gewährt einen atemberaubenden Blick auf den Michigansee, Jodies Tätigkeit als Psychologin gibt ihr genügend Raum, ihren Hobbys zu frönen. Mit Disziplin treibt sie Sport, kocht opulente Menüs und hält den gemeinsamen Haushalt in Ordnung. Todd hingegen ist ein typischer Selfmademan, welcher es ohne Studienabschluss zu einem der führenden Bauunternehmer in Chicago gebracht hat.
Dass Todd aussereheliche Beziehungen unterhält, darüber geht Jodie geflissentlich hinweg; statt eine Aussprache zu suchen, versteckt sie Todds Schlüssel.
Als Todd sich aber in die Tochter seines besten Freundes verliebt und Natascha von ihm schwanger wird, und diese Kind und ihn als dessen Vater und als ihren Lebensgefährten und zukünftigen Mann auch behalten will, sieht sich Todd genötigt, sich von seinem angenehmen Leben mit Jodie zu verabschieden. Dies tut er schweren Herzens und ohne ihr in allen Bereichen reinen Wein einzuschenken. Denn Jodie und Todd sind nicht verheiratet, die zwanzig Jahre, die sie ihm den Haushalt geführt hat, werden ihr in keiner Weise entgolten, wie Todds Anwalt ihr mitteilt.
Als ihre Freundin Alison, deren Exmann in zwielichtigen Kreisen verkehrt, vorschlägt, dass sich mit den richtigen Verbindungen beinahe alles lösen lässt, ist Jodie nicht abgeneigt. In Windesweile macht sie Schmuck und andere Wertgegenstände zu Geld. Und es kommt wie es kommen muss, und Jodie hat Glück im Unglück, kommt mit einem blauen Auge davon.
Wirkt Harrisons Roman zunächst eher platt – Mann betrügt Frau, Frau rächt sich –, verschieben sich die Sympathien zunehmend. Jodie ist zunächst ganz klar die Identifikationsfigur, doch auch in ihrer Biographie tun sich Abgründe auf, und irgendwann wird deutlich, dass ihr bewusst nicht konfrontatives Verhalten auch eine Art von Aggression ist.
Harrison, A.S.A.: Die stille Frau. Roman. Aus dem Englischen von Juliane Pahnke. Bloomsbury. Berlin 2013. ISBN 978 3 8270 1207 4. S. 382.
Publiziert: ensuite Nr. 140, August 2014