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Leserbrief

Es geht der Schweiz immer mehr nur noch um das Eine…
Sauer auf­sto­ßen? Wenn der Magen rumort kommt das vor. Aber gewis­se Entscheidungen sei­tens Behörden sto­ßen auch sau­er auf. Noch immer hin­ter­lässt die Finanzkrise ihre Spuren. Die Gier der Großbanken nach schnel­lem aber unsi­che­rem Geld löste eine rekord­ver­däch­ti­ge Rettungsaktion durch Regierungen aus. Steuergelder muss­ten eingschos­sen wer­den, damit das gan­ze Abendland sta­bi­li­siert wird. Wo Mittel abge­zo­gen wer­den, ent­ste­hen neue Löcher. Da mel­det zum Beispiel die Credit Suisse neue Milliardengewinne und die gleich­zei­ti­ge Bekanntgabe, dass das Unternehmen aus Erholungsgründen noch kei­ne Steuern zah­len muss.

Gleichzeitig las­sen staat­li­che Kulturfördereinrichtungen aus­rich­ten, dass Gelder gestri­chen wür­den. Für die Rettung der Altersvorsorge und Versicherungen wer­den Gelder von der Realwirtschaft abge­zwickt. Kleinunternehmen und Kultureinrichtungen kämp­fen ums nack­te Überleben und die Hochfinanz inve­stiert in Geschäfte und Löhne als wäre die Finanzkrise ein Rülpser in der Wirtschaftsgeschichte.

Verkannte Notwendigkeit der Kultur
Das stößt sau­er auf. Kultur ist nicht immer klar zu defi­nie­ren. Damit ver­bin­det man Musik, Film, Tanz, Kunst, Theater und Literatur. All die­se Kunstformen gehö­ren zum Leben. Zum Leben mit Kreativität, Ideen, Perspektiven und Visionen. Kultur ist lebens­not­wen­dig und sie ist oft da prä­sent, wo der Passant oder Konsument sie nicht rea­li­siert aber nutzt. Kultur ist auch ein Wirtschaftsfaktor, als Generator für Fantasie und Mobilität, die jeder Mensch im Business braucht.

Schweiz tickt wie­der ein­mal anders
Hochhäuser, Fußballstadien und Autobahnen fin­den immer Geldgeber. Wenn die Literatur, der Jazz oder der Film an die Tür klopft, heißt es: „bit­te war­ten.“ Es sei denn, man garan­tiert einen Blockbuster oder Beststeller. Sauer auf­sto­ßend ist auch das Trauerspiel mit der Buchpreisbindung, das in Bern auf­ge­führt wird. In Nachbarländern wird der Sinn der Buchpreisbindung für eine Gewährleistung für Bücher zu mode­ra­ten Preisen – auch in länd­li­chen Gegenden – ein­ge­se­hen. Aber die klei­ne Schweiz tickt natür­lich wie­der mal anders. Feste Preise für Bücher ermög­li­chen die Finanzierung von Titeln, die eben nicht mas­sen­taug­lich sind und Gewinne abwer­fen. Hand aufs Herz, was haben wir davon wenn die Autobiografie von Dieter Bohlen gün­sti­ger wird? Sind Billigangebote für sol­che und ähn­li­che Bücher eine Kulturleistung wenn im Gegensatz stil­le Literatur, fei­ne Lyrik, ori­gi­nel­le Philosophie und gewin­nen­de Bildung unbe­zahl­bar wird oder gar nicht mehr erschei­nen? Was pas­siert mit unse­rer Kultur, wenn wir von ihr erwar­ten, im frei­en Markt bestehen zu müs­sen? Die Antwort fin­den Sie beim ver­such­ten Genuss eines Spielfilms bei Privatsendern wie RTL oder Sat1.

Schweiz AG?
Es scheint so, dass unse­re Regierung alles an den Markt dele­gie­ren will. Man könn­te ja die Eidgenossenschaft in eine AG umwan­deln und den Bayern die Alpen ver­kau­fen, Hauptsache es gibt Kohle. Privatisieren wir auch gleich die Feuerwehr. Dann hie­ße es am Telefon: „Möchten Sie das bren­nen­de Haus umge­hend gelöscht haben, so geben sie Ihre Kreditkartennummer ein. Ansonsten drücken Sie Taste 2 für Aufräumarbeiten zum Weekend-Tarif.“

Denkfehler
Kultur ist mit der Lebensqualität so ver­floch­ten, dass sie unver­zicht­bar ist. Auch wenn Politiker immer wie­der auf die Idee kom­men, sie als geson­der­ten Teil unse­rer Gesellschaft zu wer­ten. Dieser Denkfehler wird Mode und gefähr­det eine Qualtität des Lebens, die für spä­te­re Generationen teu­er zu ste­hen käme. Kultur, mei­ne Damen und Herren der Politik, gehört zum Grundservice eines Landes, in das ich mein Steuergeld inve­stie­re.

Urs Heinz Aerni