35. Zürcher Theater Spektakel: Leben und Arbeiten oder Let’s Rock!

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Von Fabienne Naegeli – Die «Stadtmusikanten» des Kollektivs papst&co. erobern mit einem thea­tra­len Konzert das 35. Zürcher Theater Spektakel.

Achtzehn Tage lang wer­den auch die­sen Sommer die Landiwiese, die Rote Fabrik und die Werft durch Arbeiten von KünstlerInnen aus der gan­zen Welt zum Anziehungsort Zürichs für Groß und Klein. Das jun­ge Schweizer Kollektiv papst&co., 2011 gegrün­det, ist mit «Stadtmusikanten», ihrer zwei­ten Produktion nach dem Robert Walser-Abend «Der Teich oder Die Unheimlichkeit des Gewöhnlichen», am Theater Spektakel prä­sent.

Leben wir um zu arbei­ten, oder arbei­ten wir um zu leben? Welchen Wert haben wir, wenn wir nicht gemäß den gesell­schaft­li­chen Konventionen einem Beruf nach­ge­hen, son­dern die Entfaltung des Selbst unser Lebensziel dar­stellt? Arbeitslosigkeit, Umschulungen, pre­kä­re Arbeitsverhältnisse, sozia­ler Leistungsdruck und wirt­schaft­li­che Krisen las­sen vie­le Menschen die Bedeutung von Arbeit hin­ter­fra­gen. Auch die Tiere im Märchen «Die Bremer Stadtmusikanten» der Gebrüder Grimm, die aus Altersgründen für ihre Herrschaften nutz­los gewor­den sind, müs­sen sich umori­en­tie­ren, anson­sten geht es ihnen an den Kragen. Durch ihre zufäl­li­ge Begegnung, ihren Zusammenhalt und Mut schaf­fen sie sich ein neu­es zu Hause und eine neue Lebensperspektive.

Mit Grimms Märchen als dra­ma­tur­gi­sche Vorlage und ihren eige­nen Erfahrungen als frei­schaf­fen­de KünstlerInnen haben sich papst&co. auf die Suche nach Menschen gemacht, in deren Leben der Konflikt zwi­schen Beruf und Berufung eine zen­tra­le Rolle spielt. Gefunden haben sie drei Musiker und eine Schauspielerin, die ver­su­chen, ihren Traum zu leben, auch wenn das finan­zi­el­le Schwierigkeiten, per­ma­nen­te Rechtfertigungen und das Finden alter­na­ti­ver Wege zwi­schen stän­di­gen Berg- und Talfahrten bedeu­tet. In den «Stadtmusikanten» erzäh­len sie von ihren Brotjobs als Velokurier, Service- und Reinigungskraft sowie von ihrer Tätigkeit im Büro, im Verkauf und als Schafhirte. Sie berich­ten über die Zeit der Arbeitslosigkeit, die unzäh­li­gen Nebenjobs um sich über Wasser zu hal­ten, und die frei­wil­li­ge Kündigung sowie den Wunsch, zu rei­sen und sich eine Existenz auf dem Land auf­zu­bau­en.

Basierend auf Interviews mit den vier PerformerInnen, die ent­lang des Märchentextes mon­tiert sind, ent­steht vor den Augen des Publikums eine Band, die wie die Bremer Stadtmusikanten das Räuberhaus die Theaterbühne erobern. Von den anfäng­lich vier ver­schie­de­nen musi­ka­li­schen Handschriften sol­le in der Besetzung Gitarre, Bass, Perkussion, Akkordeon und Gesang ein gemein­sa­mer Band-Sound kre­iert wer­den. Themen wie der Umgang mit Hierarchien, Freiheit, und der Balanceakt zwi­schen gesell­schaft­li­chen Erwartungshaltungen, Träumen und der Realität wer­den von den PerformerInnen selbst in Musik über­setzt, die anfäng­lich frag­ment­haft erklingt, und schließ­lich in ein mit­rei­ßen­des Konzert mün­det.

Die thea­tra­le Bestandesaufnahme «Stadtmusikanten» des Kollektivs papst&co. macht ArbeitnehmerInnen zu RockerInnen, löst indi­vi­du­el­le Geschichten vom Einzelnen, lässt Aussagen zu Messages wer­den, spielt mit Identitäten, der Wahrheit und Fiktion, und gibt sich auf unter­halt­sam berüh­ren­de Weise dem freud­vol­len Leben im Jetzt-machen-wir-erst-mal-Musik! hin.


35. Zürcher Theater Spektakel 14.–31. August 2014
www.theaterspektakel.ch

«Stadtmusikanten» von papst&co. 18.–20. August 2014, 19:30 Uhr, Bühne Süd.
Mit: Melina Gafner, Flo Götte, Sacha Leuenberger, Maxi Schmitz. Regie: Anna Papst. Text/Dramaturgie: Myriam Zdini. Musikalische Leitung: Martin Schumacher. Bühne: Gabriela Neubauer. Kostüm: Mirjam Egli. Ton: Susanne Affolter. Licht: Martin Wigger, Urs Blickle. Produktionsleitung: Saskia Keel.

Bild: «Stadtmusikanten» von papst&co, zVg.

 

Publiziert: ensuite Nr. 140,  August 2014

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