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laStaempflis Polit-Kultjahr 2021

Titelbild: Regula Stämpfli und Heidi Buchers Werk im Haus der Kunst.

Januar: MedienUnkult

„Der heu­ti­ge Journalismus gleicht dem Boulevard gebro­che­ner Informationsträume“ laStaempfli.

 

2021 ist die Bilanz punk­to Frauen, Medien und Politik bit­ter. In Afghanistan über­neh­men die Taliban die Macht und in der Schweiz set­zen weis­se Feministinnen die Burka mit der Perlenkette gleich. Das Burka-Verbot wird trotz­dem im März ange­nom­men – Göttin sei Dank. Es war zwar idio­tisch, dar­über abstim­men zu müs­sen, doch das Ja war wich­tig: Als Zeichen, Symbol & Urteilskraft. Angenommen wur­de die Initiative dank der Romandie: Die Aktion in Le Temps (ich war unter den ErstunterzeichnerInnen des offe­nen Briefs) schlug hohe Wellen. Tele Leutschenbach ali­as SRF, ver­such­te mit allen Mitteln, die Initiative in die rechts­extre­me Ecke zu drän­gen: die Stimmenden lie­ßen sich dadurch nicht beein­drucken. Auch SRF nicht: So pro­mo­ten sie im September einen Beitrag mit „Hip mit Hijab“ und löschen kri­ti­schen Stimmen gegen die­sen Beitrag. Die Leitung von SRF Kultur ist voll auf der WOKE-Welle – aus man­geln­den Mut, den drit­ten Weg zwi­schen Rechtspopulismus und den „Pogromen des Intellekts“ ein­zu­neh­men, so wie es der Auftrag der SRG wäre.

Im März wen­den sich über 78 Journalistinnen in einem offe­nen Brief an die TX-Group im all­ge­mei­nen, an den TagesAnzeiger im Speziellen. Themen der Intervention sind: sexu­el­le Anzüglichkeiten, Diskriminierung bei Lohn & Job sowie Übergriffe zwi­schen den Hierarchien. Konsequenzen? Keine. Ach doch ja: Eine „Tagesanzeigerin“ wird im Dezember 2021 ange­kün­digt. Es ist kei­ne Tochtergesellschaft der  „Die Podcastin“ wie Inhalt und Name des Podcasts ver­mu­ten las­sen, nein: Es ist klas­si­scher Diebstahl gei­sti­gen Eigentums. Frauenerfindungen wer­den kol­lek­ti­viert, gestoh­len und letzt­lich unsicht­bar gemacht. Doch www.tagesanzeigerin.ch ist trotz­dem sau­ber: Die Homepage führt direkt zum „DiePodcastin“-Original.

Die SRG hat ein ähn­li­ches Media-Too-Problem. Auch hier gilt: Ausser Spesen, nichts gewe­sen. Offensichtlich gilt #MeToo nur für das Ausland. Apropos Ausland: In Deutschland gel­ten die glei­chen sexi­sti­schen, eher­nen Medien-Gesetze, doch BILD erfuhr die Macht der Good Governance in den von den lin­ken Europäern so ger­ne geschmäh­ten USA: BILD-Chef Julian Reichelt muss­te Ende Jahr dann doch gehen.

 

 

 


Februar: FRAUENKUNST

«Frauen wer­den ins Bild gesetzt, um aus der Welt geschafft zu wer­den.“  laStaempfli

 

Pandemie zwei­tes Jahr: laStaempfli wird nicht nur zur Wien-Pendlerin, son­dern ver­än­dert ihr Leben radi­kal mit, durch und als Kunst. „Wenn Frauen, auch Ehemänner und Kinder im Stich las­sen, und die Gesellschaft das juri­stisch und sozi­al tole­riert wie im Fall des Mannes; wenn also Frauen ein­mal all das errei­chen – dann wer­den sie eine (eben­so) umfas­sen­de Kreativität ent­fal­ten.“ Valie Export ist mein Guide, die Guerilla Girls eh und in der Schweiz Hulda Zwingli – der beste Account auf Instagram. Regula Stämpfli fand in Wien Sheila Hicks (sie­he Bild), Nan Goldin (in Wittgenstein-Ausstellung), Sonia Delaunay (an Geburtstagsparty), Frieda Kahlo (in der Albertina auf dem Stand Women Artists“), Emilie Flöge (bei Klimt), Grete Wolf und Maria Jungwirth (Die Frauen der Wiener Werkstätte), Lee Krasner (in Die Podcastin über Künstlerinnen), Cindy Sherman (die sie dank der Künstlerin Louise Deininger kauf­te), Xenia Hausner (Einzelausstellung Albertina), Michaela Ghisetti (Einzelausstellung Albertina), Kiki Smith (Albertina in „Natur und Symbol“), Daniela Frimpong (most wan­ted fema­le art auc­tion), Zanele Muholi (dank Artdealer Raimund Deininger), Maria Lassnig (Einzelausstellung), Shirin Neshat (Taliban-Folge der Die Podcastin & Graffiti in Wien) und vie­le ande­re mehr. Im „artis­a­pi­e­ce­of­ca­ke“ eta­bliert Regula Stämpfli den Podcast der ande­ren Art, da sie weiss: Die Pandemie is here to stay.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


März: China 1989 – 2022

„Symbolpolitik ist nicht nichts“ laStaempfli zur Wirkung des diplo­ma­ti­schen Beijing 2022-Boykott

 

Boykotte sind wich­tig, selbst wenn sie als „sym­bo­lisch“ lächer­lich gemacht wer­den wie bei Aktionen gegen Weltmächte. Ich plä­die­re für die wah­re und wirk­sa­me Cancel-Culture gegen Beijing 2022. Gefolgt sind mir Ende Jahr eini­ge Staaten, die kei­ne diplo­ma­ti­sche Repräsentanz in die volks­chi­ne­si­sche Digitaldiktatur schicken. Eine ande­re Idee von mir und all den­je­ni­gen, die sich um die west­li­chen Demokratien Sorge machen, wur­de noch nicht ver­wirk­licht: Asyl für Hunderttausende von Hongkong-Chines:innen, die sich in der Demokratiebewegung enga­giert haben. Dies wäre die beste demo­kra­ti­sche Verteidigung gegen die domi­nie­ren­de Weltmacht VR CHINA.

Auf dem Bild erken­nen Sie das Werk von Jia Ma. Es heisst 1989, besteht aus Stahl (China ist der gröss­te Stahlexporteur der Welt) und riecht dank hohem Eisenanteil nach Blut. Das Werk wur­de wäh­rend der „The most wan­ted fema­le Art Auction“ in Wien bei artcare.at erstei­gert. Die Quietscheentchen on Top stam­men von laStaempfli: China als Stahl, Blut und Plastikkapitalismus.

 

 

 

 

 

 

 

 

 


April: Von Amoako Boafo zu Daniela Frimpong

„Von der Kunst, Leben zu sein.“ laStaempfli

 

Ein Kunstmärchen. Bei uns zuhau­se hin­gen drei Jahre ein Bild von Amoako Boafo. Der Jahrhundertkünstler stammt aus Ghana, stu­dier­te in Wien und gehört zum Shootingstar zeit­ge­nös­si­scher Malerei. Seine Porträts sind umwer­fend, sei­ne Biografie rasant, sei­ne Persona cha­ris­ma­tisch. Er erfüllt unser aller Welten mit Farben, wir schwim­men in deren Sinnlichkeit und zele­brie­ren mensch­li­che Schönheit. Unabhängigkeit, Freiheit sowie das Ausschalten vor­ge­fass­ter Meinungen in Bezug auf Identitäten gehö­ren zu Amoako Boafo wie das genia­le Handwerk zu sei­ner Kunst.

Im zwei­ten Jahr der Pandemie muss­ten wir uns aus öko­no­mi­schen Gründen von Amoako Boafo tren­nen. Die Leerstelle haben wir gefüllt: Mit Daniela Frimpong. Sie hat das Potential, eben­so eine Jahrhundertkünstlerin zu wer­den. In der Klasse von Kirsi Mikkola trans­for­miert sie Trauma, Leben und Kraft in umwer­fen­de Bilder. Ihre Stimme, ihre Biographie, ihr Werdegang erzählt sie im Podcast artis­a­pi­e­ce­of­ca­ke – ein Gespräch, das alle Herzen berührt. Kunst ist es, die mich wei­ter­le­ben lässt: Denn all­zu oft ter­ro­ri­sie­ren mich Stimmen, TWEETS, Messages als Unglücksboten einer trum­pi­sti­schen Medienlandschaft.

 

 

 

 

 

 

 

 


Mai: Xenia Hausner – sie war, ist und bleibt.

„Alle Museen kön­nen mit Einzelausstellungen von Frauen bestückt wer­den.“ laStaempfli, die immer Hulda Zwingli abguckt.

 

Als Atheistin lässt sich gut glau­ben. Die Kirche, der Gesang, Bach, die hei­li­gen Verse, rie­chen nach Erhabenheit und Kultur. Doch in Dublin schmecken sie immer noch nach Blut. Die Geschichte der Katholischen Kirche – vom Islam ganz zu schwei­gen, des­sen Menschenhass Bomben legt, die dann von Neo-Woke-Anhängern als kul­tu­rel­le Selbstdeklaration gefei­ert wer­den – also die Geschichte der Katholischen Kirche in Irland, anders­wo sicher­lich auch, doch in Irland schleicht sie sich wie Krätze über­all in den Kopf und unter die Haut, also noch­mals: Die Geschichte der Katholischen Kirche ist grau­en­voll. Doch, und jetzt kommt die gute Nachricht: Sie ist Geschichte. Anders als der Islamismus. Deshalb prä­zi­ser: Als Atheistin lässt sich im 21. Jahrhundert im christ­li­chen Westen gut glau­ben. Denn die Katholische Kirche hat kei­ne Macht mehr, sie erschüt­tert kei­ne Reiche, son­dern sie ent­blät­tert sich wie eine Kultur aus der Vergangenheit, deren Grausamkeiten all­zu bekannt sind, aber deren Kultprodukte auch beein­drucken. So soll­te es auch dem Patriarchat gehen. Und dem Islamismus sowie­so.

Xenia Hausner fei­er­te ihren 70. Geburtstag, ihre Kunst war schon immer femi­ni­stisch. Nur ihre Vorgängerinnen in den Medien, die­se femi­ni­sti­schen Küken mei­nen oft, sie sei­en die Ersten. Die Leerstellen der ver­bin­den­den Linien zwi­schen Töchter, Mütter, Schwestern und Großmüttern, Großtanten sowie weib­li­chen Urverwandten schmer­zen. Sie wur­den gelöscht, selbst wenn sie, wie im Fall von Xenia Hausner, manch­mal nur 40 Jahre her sind. Xenia Hausner ist indes­sen ange­kom­men im Jetzt (Einzelausstellung in der ALBERTINA WIEN) und war schon immer da und wird blei­ben. Großartig.

 


Juni: Das Feuer der FRAUEN DEr Wiener Werkstätte und wes­halb Adolf Loos ver­ges­sen wer­den MUSS

„Das Böse kriegt zuvie­le Klicks.“ laStaempfli

 

Wer meint, die Männer hät­ten Wien zum Zentrum der Werkstätte in der gan­zen Welt und zur Vorläuferin der Bauhaus-Tradition gemacht, irrt. Wiewohl: irren ist hier das fal­sche Wort. Es ist eine Lüge. Die Wiener Werkstätte glänz­te durch Produktionen aus Frauenhand. Von 1903 bis 1932 werk­ten genia­le Frauen wie Mathilde Flögl, Felice Rix, Vally Wieselthier, Maria Likarz, Nelly Brabetz, Maria Vera Brunner, Mizi Friedmann und wei­te­re, spä­ter ermor­de­te gros­se Wienerinnen jüdi­scher Herkunft. 180 Künstlerinnen zeig­te die umwer­fen­de Ausstellung:„Die Frauen der Wiener Werkstätte“ im MAK WIEN. Genial kura­tiert von der wun­der­ba­ren Anne-Katrin Rossberg aus dem MAK sel­ber und der Gastkuratorin Elisabeth Schmuttermeier; mit einer Ausstellungsgestaltung von Claudia Cavallar und Lukas Lederer. „Sie haben die Welt ele­gan­ter gemacht“ meint die Süddeutsche Zeitung. Wie bit­te? Die Frauen der Wiener Werkstätte haben Welt, Möbel, Theater, Kleidung, Küche, Poster, Filme, erste Rechner, Tapeten, den gesam­ten Alltag von Menschen anders gedacht, anders gestal­tet und anders füh­len las­sen.

Die Geschichte der Frauenvernichtung wie­der­holt sich: In ihrer Zeit enorm beliebt und bekannt, wur­den die Frauen der Wiener Werkstätte dif­fa­miert. Unter ande­rem vom Kinderschänder Adolf Loos, der mein­te, und dar­in bis heu­te zitiert wird, dass weder die Wiener Werkstätte noch Frauen je hät­ten gestal­ten dür­fen, da es sich dabei um „Wiener Weiberkunstgewerbe“ hand­le. Well:

Loos gehört aus allen Register getilgt, wes­halb? Hören Sie den genia­len DIE ZEIT-Podcast „Die Kriminalakte Adolf Loos“.

 

 

 

 

 

 

 

 


Juli: Regula Stämpfli unter den zehn ein­fluss­reich­sten Intellektuellen

„Angesichts der Geschichte bin froh für jede Liste, auf der mein Name nicht steht.“ laStaempfli

 

Diesem Grundsatz blei­be ich treu, selbst wenn ich unter den ersten zehn Intellektuellen die­ses Landes auf­ge­führt bin. Ich ste­he übri­gens nur auf Platz sechs statt auf dem Podest der CH-Medienliste der „50 ein­fluss­reich­sten Intellektuellen“. Warum nur Platz sechs und wes­halb über­haupt? Weil Rankings immer Leerstellen auf­wei­sen und nur so gut sind wie die Methode, die dahin­ter steckt. Diesbezüglich hat CH Media eini­ges rich­tig gemacht und zumin­dest ver­sucht, objek­tiv Daten zu sam­meln: Digitale Präsenz war wich­tig – die lässt sich auch mes­sen. Dieses Rating wur­de anschlie­ßend durch eine Jury ergänzt. So wie es die Erfinderin der Medienratings, Dr. Regula Stämpfli, dies schon 2002 vor­ge­macht hat: Im dama­li­gen FACTS unter Chefredaktor Hannes Britschgi.  Das Rating war zu dem Zeitpunkt DIE Mega-Innovation, die mir 2003 von Denis von Burg und der Sonntagszeitung dann durch Einschüchterung, Drohung und hin­ter­häl­ti­ge Manöver gestoh­len wur­de – bis heu­te. Ich habe in mei­nem krea­ti­ven Leben meh­re­re intel­lek­tu­el­le und drei­ste Diebstähle erlebt – die­se war öko­no­misch wie gei­stig eine der übel­sten und nach­hal­tig­sten.

Als Rating-Erfinderin ken­ne ich, wie Weizenbaum, die Schwächen von Daten, denn: Sie lügen wie gerech­net. Daten ope­rie­ren nach Eingabe und die ist nie objek­tiv. Zudem gestal­ten Daten Welt, indem sie Dinge so berech­nen, dass sie in der rea­len Welt die gewünsch­ten Konstruktionen zur Folge haben. Nachzulesen unter STAEMPFLISCH, mei­nem neu­en Buch mit dem durch Google-Rating for­mu­lier­ten Titel: „Sex, Katzen und Diäten. Die Kult-Kolumnen von Regula Stämpfli.“

Im Büchermarkt feh­len Bühnenauftritte. Frauen ver­kau­fen Non-Fiction gut bei Vorträgen – im Feuilleton wer­den sie zu 80 (!) Prozent igno­riert.

 

 

 

 

 

 

 

 


August 2021: Identitti und „weib­li­che“ Steine

„Kultur und Politik gehö­ren zusam­men, da in ihnen bei­den Entscheidungen zugrun­de lie­gen, wel­che Dinge und Handlungen die gemein­sa­me Welt prä­gen.“ laStaempfli

Mithu Sanyal hat das beste Buch 2021 – neben Isabel Rohners „Gretchens Rache“ und Nicole Seiferts Frauen(durchgestrichen) ‑Literatur geschrie­ben. Identitti gehört in alle Haushalte, bringt uns alle zum lachen, schrei­en und wei­nen: Mithu Sanyal kann Dialoge, sozia­le Medien, Politik, Feminismus, Diversität und Podcasts mit ihrer Stimme, die sofort an Verführung aus uralten Zeiten erin­nert, damals, als die Welt noch nicht berech­net, son­dern erzählt wur­de. Mithu Sanyal und ich hat­ten das Vergnügen im Februar 2021 vom Literaturhaus Basel ein­ge­la­den zu sein und das Buch der deutsch­spra­chi­gen Öffentlichkeit zu emp­feh­len: It rocks.  Was mich zu den Steinen bringt. Im Landesmuseum Zürich, das neu­li­be­ral „Nationalmuseum“ heisst, grad so als ob die Schweiz eine Nation wäre und kein Willensgebilde, nun ja, in die­sem Museum eben, gibt es die schö­ne Menschenstein-Ausstellung (bis 16. Jänner 2022). „Menschen. In Stein gemei­ßelt.“ Alles wäre zau­ber­haft, wenn da nicht die lästi­ge Weibchen-Männchen-Einteilung wäre. Alles Fiktion, wenn sie mich fra­gen. Es gibt Steine, die sind ein­fach gött­lich und ohne Geschlecht, und wenn doch ein Geschlecht zuge­ord­net wer­den muss, dann halt das Weibliche. Es wäre so ein­fach, wenn Geschichte end­lich rea­li­sti­scher erzählt, statt wie üblich, im  Stile des 19. Jahrhunderts ideo­lo­gi­siert wür­de.

 

 

 


September: Meret Oppenheim und das 50 jäh­ri­ge Frauenstimmrecht

„Ein Staat ohne Frauenrechte ist kei­ne Demokratie, son­dern eine Geschlechterdiktatur.“ laStaempfli

 

Die Schweiz ist astro­lo­gisch gese­hen Jungfrau. Dieser sagt man nach, immer dann Unschuld zu simu­lie­ren wenn Verbrechen ver­tuscht wer­den sol­len. Well: Es war ein­mal ein „Pass für ALLE“. Propagiert von swis­s­in­fo, geschrie­ben von der Universität Bern, gelei­tet von der Schweizer Demokratie Stiftung und ver­teilt vom Departement für Auswärtige Angelegenheiten. In die­sem „Pass für Alle“, der in der gan­zen Welt für das System der Direkten Demokratie Schweiz wer­ben soll­te, feh­len die Frauen. „Wir woll­ten das poli­ti­sche System der Schweiz beschrei­ben und bewer­ben, kei­ne Abhandlung über Frauenrechte schrei­ben.“ Abgewertet, ver­ges­sen, wie­der­ent­deckt und wie­der­um dem Erdboden des Nichts gleich gemacht, so könn­te das Frauenstimmrechtsjubiläum 2021 beschrie­ben wer­den. Hier ein Ausschnitt aus mei­ner Kolumne im Klein Report:

„Meine Mutter durf­te nicht über ihr eige­nes Bankkonto ver­fü­gen, mei­ne Großmutter muss­te zuse­hen, wie ihr Ehemann all ihr Erspartes ver­soff und sowohl sie als auch die gemein­sa­men Kinder fast zu Tode prü­gel­te: alles nor­mal und im Männerstaat Schweiz bis 1971 rech­tens. Mein Patenonkel war ein Verdingkind, des­sen Mutter man­gels poli­ti­scher Rechte in eine Psychiatrie gesteckt wur­de. Er sel­ber und vie­le ähn­li­che Kinder wur­den von der «eid­ge­nös­si­schen Direktdemokratie» geprü­gelt, miss­braucht und als Gratis-Arbeitskraft fast zu Tode geschän­det. Mein Patenonkel durf­te sei­ne Mutter nie mehr sehen. Es gibt unzäh­li­ge sol­cher Traumata und sie hän­gen direkt mit den feh­len­den Frauenrechten in der Schweiz bis 1971 zusam­men.

Ein Staat ohne Frauenrechte ist kei­ne Demokratie, son­dern eine Geschlechterdiktatur.“ Eine Broschüre, die behaup­tet „Pass für Alle“ zu sein und Frauen als lästi­ge Nebenbemerkung abkan­zelt, ist kei­ne Demokratie- son­dern eine Talibanschrift.

Meret Oppenheim hat, als sie so sel­ten aus­ge­stellt, ger­ne ver­ges­sen und dann doch wie­der ent­deckt wur­de, eine eige­ne Ausstellung für sich kon­zi­piert. „Mon expo­si­ti­on“. Diese wur­de end­lich in Bern ver­wirk­licht – nach Oppenheims Tod selbst­ver­ständ­lich. Denn wo kämen wir denn hin, leben­den Frauen zu zu hören, wenn es doch viel ein­fa­cher ist, Tote zu ehren.

50 Jahre Frauenstimmrecht war 2021 ein Desaster. Allenthalben wur­den medi­al Klischees trans­por­tiert und die Abschaffung der weib­li­chen Entmündigung 1971 als Nebensache abge­wer­tet. Isabel Rohner und Zita Küng ver­dien­ten trotz­dem meh­re­re Ehrendoktorinnen-Titel. Denn ohne die­se zwei enga­gier­ten Frauen wäre das Jubiläum medi­al völ­lig ver­schwie­gen wor­den.

Meret Oppenheims Handschuhe: FRAUENHÄNDE. ABGEHACKT.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


Oktober: Trips, Chaos, CoronaUNkultur

„Kultur 2021: Leichen ster­ben frü­her.“ laStaempfli

 

Mitte Dezember 2020 erlag das kul­tu­rel­le Leben erneut. Es war tot. Nach dem Jahreswechsel ver­län­ger­ten die euro­päi­schen Regierungen die Lockdowns, ver­ord­ne­ten bis Ende März die Schließung sämt­li­cher Kulturbetriebe. Nur eine Stadt mach­te alles anders: Wien. Die ein­zi­ge Kulturhauptstadt Europas, die Museen und Theater zeit­lich VOR den Gaststätten öff­net. Während in der Schweiz und in Deutschland Galerien, Lesesäle, Bibliotheken, Museen, Kinos, Theater, Opernhäuser, Musiklokale, Konzertsäle etc. geschlos­sen wer­den und auch nach Öffnung alle Besuchenden schi­ka­nie­ren, dür­fen Fußball- und Shopping-Horden fröh­lich, unge­impft, unmas­kiert und unge­te­stet, rum­pro­le­ten.

Impflicht? Ach, davon raten die fein­füh­li­gen Intellektuellen wie Richard David Precht und Svenja Flasspöhler, regel­mäs­si­ge Gäste bei Markus Lanz und SRF Kultur, ab.

Kein Wunder stirbt die Kultur.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


November: Versöhnung

„Nur eine Welt mit tan­zen­den und lachen­den Frauen ist eine demo­kra­tisch-lebens­fro­he Welt.“ laStaempfli

In the „House of Losing Control“ an der Nordwestbahnstrasse 53 redet die Künstlerin Louise Deininger im November 2021 über ihr Buch „DNA of WAR“. Ausgestellt war ihr Kunstwerk „Die Feder“, die Künstlerin ist hier im Bild mit ihrem Werk zu sehen. Louise Deininger ist ein Wunder: Voller Charisma, Aktivismus und Werken, die das Potential haben, die Welt zu ver­än­dern. Auch sie ist im Podcast „artis­a­pi­e­ce­of­ca­ke“ zu hören. Versöhnung ist Deiningers Thema. Wie schön wäre es doch, sie wür­de gehört – nicht zuletzt auch von mir. Ich mer­ke, wie mich die Pandemie und die Widerstände vie­ler Idioten, Regeln ein­zu­hal­ten, zer­mür­ben. Leila Slimani wohl auch. Sie ruft in ihrer auf­re­gen­den Rede am Berliner Literaturfestival auf „zum Verbrechen“. Das Verbrechen, Frauen lesen und schrei­ben bei­zu­brin­gen und Frauen lesen und schrei­ben zu las­sen. Sie hält nichts davon, ame­ri­ka­ni­sche Hochschuldebatten nach Europa ein­zu­füh­ren. „Die wah­re Cancel-Culture ist die, die dar­in besteht, Buddha-Statuen zu spren­gen, in Timbuktu histo­ri­sche Handschriften zu ver­bren­nen, das Kulturerbe Aleppos in Schutt und Asche zu legen, oder auf Menschen zu schies­sen, weil sie in Paris tan­zen.“

Deshalb: Versöhnen wir uns und för­dern die Freiheit von Frauen, die dar­in besteht, ohne Angst lesen und schrei­ben zu dür­fen (und nicht dar­in, den Körper gemäss gel­ten­den Moden zu klei­den…).

 

 


Dezember: Glück ist Ngozi Adichie zu lesen & Michaela Ghisetti zu sehen

„Kunst ist die Maschinenwerdung der Menschen auf­zu­hal­ten.“ laStaempfli

«Americanah» ist der wich­tig­ste Roman des 21. Jahrhunderts, 2013 geschrie­ben und mit unzäh­li­gen Preisen geehrt. Chimamanda Ngozi Adichie ist Feministin, Intellektuelle, Poetin. Eine Nobelmarke druck­te ihren TED-Talk «We should all be femi­nists» auf ein T‑Shirt, sie wur­de in «Flawless» von Beyoncé gesam­pelt und hat 2021 das erschüt­tern­de Buch «Trauer ist das Glück, geliebt zu haben» ver­fasst. Es ist kein Roman, dafür die poe­ti­sche Auseinandersetzung mit dem Thema Verlust. Ngozi Adichie ist mit dem schma­len Band wie­der ein gro­ßer Wurf gelun­gen: Sie ver­bin­det Privates bei­läu­fig und schlüs­sig mit men­schen­wür­di­ger Politik. Lest: „Trauer ist das Glück, geliebt zu haben“, von mir für ensuite im Literaturblog und im Heft rezen­siert.

Erschütternd gut die­ses Buch, erschüt­ternd gut auch die im Dezember gestar­te­te Einzelausstellung von Michaela Ghisetti  in der ALBERTINA.

2021 zeigt mir: Dem bar­ba­ri­schen, meist digi­tal auto­ma­ti­sier­ten Nexus kann mit Kunst sowie rea­lem poli­ti­schen Handeln ent­ge­gen­tre­ten wer­den.