laStaempflis Kulturjahr 2019

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Januar: Skifahren eine aus­ster­ben­de Kulturtechnik

Früher gehör­te Skifahren zur Schweiz wie die Toblerone nach Bern. Doch die Matterhornschoggi ging zu einem US-Grosskonzern, aus der ehe­ma­li­gen Fabrik wur­de das „Tobler-Areal“ für die Uni. Skilager in Schweizer Schulen sind auch eine Rarität gewor­den, meist fal­len sie dem Rotstift zu Opfer. Heute sind es Kinder mit Migrationshintergrund, die Skifahren nur als Luxussport ken­nen; in mei­ner Jugend waren es die Arbeiterkiddies. Ich erin­ne­re mich noch gut an mein klas­sisch-grie­chi­sches Gymnasium. Unser Klassenlehrer frag­te im Vorfeld des Skilagers von oben her­ab: „Übrigens. Es gäbe noch eine Kasse für Minderbemittelte, die sich die Ferien nicht lei­sten kön­nen. Ist einer die­ser Sorte in die­ser Klasse?“ Selbstverständlich hielt ich mei­ne Hand hoch, denn mei­ne Mutter und mein meist arbeits­lo­ser Vater konn­ten weder Skiausrüstung, Skianzüge noch Ski Abos berap­pen. Die Demütigung ging im Skilager über­gangs­los wei­ter. Eine Professorentochter, die nie was aus ihren Bestnoten im Kirchenfeld anstel­len soll­te, erblick­te mich im Migros Ski Anzug und rief süf­fi­sant: „Hahaha, schaut mal alle her. Die Regula ist eine Migros-Fahrerin“. Dabei sah ich im Anzug super aus und auf dem Siegerpodest stand ich in der Abfahrt auf dem drit­ten (!) Platz. Dies, obwohl ich mir die fünf Wochenende vor­her sel­ber das Schifahren bei­gebracht hat­te. Seitdem weiss ich: Wenn ich will, dann will auch die Welt. Ein Winter ohne Berge ist für mich wie ein Tag ohne bri­ti­schen Humor: pos­si­ble but never desi­red.

Dolomiten in Polaroidlook von laStaempfli. Jajaja, Fotografen, not good. Aber mir egal: Lieber ein Polaroid statt Perfekt.…

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Februar: Nackt. Die Kunst der Blösse

Der wohl­ge­form­te Hintern glänz­te über­all: Von München nach Zürich bis zu sei­nem Ausstellungsort Basel. Das Antikenmuseum Basel und die Sammlung Ludwig besuch­te ich nicht zuletzt wegen der über­aus gelun­ge­nen Werbung für die Ausstellung „Nackt“. Die „Aphrodite Kallipygos“, mein Alter-Ego sozu­sa­gen, respek­ti­ve „die mit dem schö­nen Hintern“, ist über 2100 Jahre alt und war zu Gast in die­sem tol­len Museum, das den Charme einer Welt von Gestern per­fekt ver­sprüht. Schade nur, dass das Museum viel zuwe­nig Veranstaltungen mit zeit­ge­nös­si­schen Kultur- und Politikwissenschaftlerinnen offe­riert: Was hät­ten wir doch Spannendes zu erzäh­len! Allein über die öster­rei­chi­sche „Venus von Willendorf“ wür­den neun Abende kaum rei­chen, soviel gäbe es über matri­ar­cha­le Netzwerke und Modernität avant la lett­re und jen­seits des Machofeuilletons zu berich­ten. Die nack­te Göttin war zu Beginn der Menschheit Verheissung von Fruchtbarkeit und Transformation. Doch schon bei den Schriftgelehrten in Ägypten bedeu­te­te die Nacktheit Sklaverei. Mit der Schrift kam die Kleidung und damit fast ewi­ge Hierarchie. Seitdem wird die Blösse von männ­li­cher Macht dazu benutzt, Opfer zu kre­ieren: Opfer des Voyeurismus, Opfer der Schutzlosigkeit, Opfer sexu­el­ler Gewalt in unzäh­li­gen Bildern. Künstler sind lei­der oft erkenn­bar als wil­li­ge Vollstrecker iko­no­gra­phi­scher Dominanz: Von der Lust bis zum Tod.

Die Ausstellung war wirk­lich ein­zig­ar­tig und das „Antikenmuseum Basel und die Sammlung Ludwig“ ver­die­nen jede Werbung. Und wer weiss: Vielleicht kom­men die Verantwortlichen ja wirk­lich noch auf die Idee, die zeit­ge­nös­si­schen Denkerinnen zu einem neu­en Reigen in die Räume vol­ler gött­li­cher, anti­ker und nack­ter Botinnen der Inspiration zu laden. Ich wäre jeden­falls sofort dabei.

Fruchtbarkeitsgöttinnen: Gross, breit, weib­lich schön.

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März: Sagmeister&Walsh „On Beauty“

Stefan Sagmeister traf ich an einer Preisverleihung in Köln 2006. Ich unter­rich­te­te damals auf Einladung der gros­sen Professorin Dr. Uta Brandes und ihrem eben­so gros­sen Gefährten Professor Dr. Michael Erlhoff „Design und Demokratie“. Stefan Sagmeister ist einer der bekann­te­sten Grafikdesigner welt­weit. Mit sei­ner eige­nen Agentur gestal­te­te er unver­gleich­lich und unver­ges­se­ne Poster. So auch für uns, d.h. das Internationale Forum für Design in Ulm IFG, für wel­ches ich von 2005 bis 2013 tätig war bis die Stiftung ihr Geld für die auf­wen­di­ge Neukonzeption von Gebäude und Restauration auf­wen­den muss­te.

2012 tat sich der mitt­ler­wei­le 50 jäh­ri­ge Sagmeister mit der 24 Jahre jün­ge­ren Grafikdesignerin Jessica Walsh zusam­men; bei­de posier­ten nackt in ihrem Atelier „Sagmeister & Walsh“.„Beauty“ von Sagmeister&Walsh am MAK in Wien war ein ein­drück­li­ches Plädoyer für das Schöne, Wahre, Weise und für die poli­ti­sche Dringlichkeit ästhe­ti­scher Gestaltung. Architektur, Stadtplanung, Schriftzeichen wur­den mit allen mensch­li­chen Sinnen ver­bun­den.  Faszinierende Alltagsbeispiele aus Millionenstädten wie Sao Paulo mani­fe­stier­ten, dass selbst mini­ma­le Schönheits-Interventionen im öffent­li­chen Raum die Kriminalitätsrate vor Ort sen­ken und Gemeinschaft för­dern.

Schönheit ist im gegen­wär­ti­gen Diskurs extrem nega­tiv besetzt bleibt. Nicht zuletzt weil Schönheit defi­niert wird durch alte Machomänner, die nicht die Ästhetik, son­dern die por­no­gra­phisch fixier­te Schönheit meist an jugend­li­cher Frauen als ein­zig „schön“ pro­pa­gie­ren, um die­se auch in allen ande­ren Bereichen regel­recht zu por­no­gra­fi­sie­ren.

Aus „Schönheit“ by Sagmeister&Walsh in Wien.

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April: «Von der Verrückung der Wirklichkeit»

2019 war mein erfolg­reich­stes Österreichjahr so far. Mein Buch : «Trumpism. Ein Phänomen ver­än­dert die Welt“ erober­te den euro­päi­schen Alpenstaat mit Glanz und Gloria. Ich war auf Tournee in Wien, Innsbruck, Graz, Linz. Nur Salzburg fehl­te in der Liste der Buchtournee, doch am 9. Jänner 2020 war es soweit: Servus TV lud mich zur Expertenrunde „tür­kis-grün“ ein. Der Philosoph Alexander Tschernek und der Radiomacher Manuel Schmale kon­zi­pier­ten ein Hörspiel ent­lang mei­nes „Trumpism“ in ihrer ORF-Sendereihe „Philosophie Pur“ für den öster­rei­chi­schen Nationalfeiertag vom 26.10.2019. Höher kann eine Sachbuchautorin wohl nicht stei­gen, was für eine gros­se Anerkennung ich im Ausland erfah­ren durf­te!

«Eine Revolution ist im Gange, die von vie­len Intellektuellen viel zu wenig auf den Punkt gebracht wird. Es ist eine Revolution, bei der es dar­um geht, uns die Welt und die Wirklichkeit, so wie wir sie ken­nen, aus der Realität zu rech­nen.“

Diese Sätze waren auch mei­ne Begleiterinnen bei mei­ner Hannah Arendt Vorlesung an der Universität St. Gallen. Über 140 Personen fan­den sich über Wochen hin­weg im Hörsaal für jeweils zwei Stunden „Vita Activa: Mit Hannah Arendt durch den Alltag“ ein. Ich rede­te frei, war im Flow und ärger­te mich nur spä­ter, dass ich mei­ne streng ein­ge­üb­ten und druck­rei­fen Vorlesungenblöcke nicht auf­ge­nom­men habe. Meine Parforce-Leistung hat­te indes­sen Vorteile: Die Zuhörenden blie­ben gefes­selt, in mes­ser­schar­fer Aufmerksamkeit mit­den­kend.

Hier ein paar Zückerchen: „Falsch erzählt, ist die Demokratie schnell gekreu­zigt“, „Im poli­ti­schen Diskurs regiert Nihilismus bei gleich­zei­tig ver­gol­de­ten Innenleben“, „Kreuzdumme Biopolitik, kom­bi­niert mit finanz­po­li­ti­schen Dystopien, gefor­dert von Selfie-Elementarteilchen mit Smartphones.“ „Das Leben als Kreditkarte behin­dert die Ausübung der Demokratie.“ „Die Streuwaffe Sexismus im glo­bal ver­brei­te­ten Frauenhass wird ger­ne via Hyperlink markt­taug­lich gemacht.“ „Die Kombination alte Männer-Medien-Seilschaften und jun­ge Newcomerinnen ist als Infotainment-Combi kaum zu schla­gen.“ „Trumpism ist ein System von Selbstbezogenheit, Datengläubigkeit und media­ler Inszenierung.“ „Der Begriff ´Styleguide´für Branding-Strategien von Staaten stammt aus der Pornoindustrie.“ „Corporate Design gehört zu TRUMPISMUS wie der Senf zur Wurst.“„Demokratien garan­tie­ren öffent­li­chen Zugang zu Bildung und sind nicht dazu da, mit Steuergeldern Listenplätze auf dem fik­ti­ven Shanghai-Rating zu ver­ge­ben.“ (Copyright Regula Stämpfli, da eini­ge Schweizer Männer dazu nei­gen, mich stän­dig zu besteh­len… Insidergruss)

Lesung in der „DenkBar“ St. Gallen als Auftakt zur Vorlesung „Politische Philosophie“. Dieses Jahr war sie zu „Vita Activa: Mit Hannah Arendt durch den Alltag.“

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Mai: Alles neu macht MARY QUANT

Es war ein Sonntag. Seit mei­ner Erziehungshaft im Gymnasium Kirchenfeld in Bern, als ich dach­te, ich hät­te mei­ne unbän­di­ge Gier an Wissen, Kultur und Welt für immer ver­lo­ren, ist für mich jeder Museumsbesuch ein Segen und unbe­schreib­li­ches Glück. Wüssten doch all die Museen, durch die ich mit klop­fen­den Herzen, offe­nen Augen und dem schön­sten Lächeln in mei­nem Gesicht, wie über­le­bens­wahr sie mir sind!

Das V&A Museum gehört zu den besten Kunst- und Designmuseen der Welt und: der Besuch ist gra­tis. Die Sonderausstellungen wie DIOR oder MARY QUANT, die ich bei­de gese­hen habe, kosten, es gibt lan­ge Warteschlangen, doch die nor­ma­le Sammlung gehört der Öffentlichkeit. Alle dür­fen im Park, ein­ge­rahmt in den ein­fach­sten Gold, Grün, Blau und Rot, Kaffee und Garten genies­sen. Zauberhaft.

In mei­ner Kindheit waren Museen Tempel für Reiche. Selbst im Gymnasium wur­de streng dar­auf geach­tet, dass nur Auserwählte der Altgriechen Kunst kom­men­tie­ren oder, bewah­re, sel­ber ver­su­chen durf­ten. Doch seit dem ersten Tag mei­ner Befreiung an der Universität gehört ein monat­li­cher, meist ein wöchent­li­cher Besuch einer Ausstellung zu mei­nem Leben. „Merci Pierre Bourdieu!“ kann ich da nur rufen. Denn es war nicht zuletzt sein Werk: „Wie die Kultur zum Bauern kommt“, die mich befreit hat. „Streitbar“ wur­de Bourdieu stän­dig in der Presse beschimpft, dabei hat­te er – wie ver­traut dies doch klingt – noch gar nicht rich­tig zu strei­ten begon­nen.

MARY QUANT, das Bild stammt aus der gleich­na­mi­gen Ausstellung, war mir – im Unterschied zu DIOR im sel­ben Haus – zu wenig poli­tisch, histo­risch, erklä­rend, son­dern sehr ober­fläch­lich Upper-Class goes Streetwear-Slang. Minirock, Regenmäntel und Bubikragen erschei­nen im Rückblick weni­ger rebel­lisch als dies die Presse gern her­vor­hebt. Mary Quant war trotz­dem die Vorreiterin demo­kra­ti­scher Designerstücke: Sie liess alle, die woll­ten, ihre Schnittmuster ver­wen­den. Der Snobismus sei aus der Mode gekom­men, erklär­te Mary Quant: „In unse­rem Laden ran­geln sich Herzoginnen mit Büromädchen um das­sel­be Kleid“.

Mary Quant im V&A 2019

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Juni: Welt aus, OBS an

Das Glück zu leben geht im Juni wei­ter: Laut Rolling Stone Magazin fin­det „Das beste klei­ne Open Air Festival der Welt“ jedes Jahr um Pfingsten in Beverungen, in der Nähe von Kassel, Deutschland, statt. Das „Orange Blossom Special“, Abkürzung OBS, ist das Musikereignis des Glitterhouse-Tonträgerlabels. Drei Tage Konzerte auf dem höch­sten Niveau, mit den zau­ber­haf­te­sten Menschen, die frau im gros­sen Kanton im Norden fin­den kann. Drei Tage wird durch­ge­tanzt, es gibt ver­füh­re­ri­sches Essen, tol­le Buden mit nach­hal­ti­gen, öko­lo­gi­schen Produkten und das OBS sam­melt Tausende von Euros für einen guten Zweck: Letztes Jahr war es für Sea-Watch, die Seenothilfe für Flüchtlinge. Und es gibt: Musik, Musik, Musik, Musik, Musik, Musik…

Das OBS ist fried­lich, ver­bin­det Unbekannte und Popstars, Independents und gros­se Namen. OBS-Neulinge machen meist rie­si­ge Karrieren, so AnnenMayKantereit, die 2014 noch auf der Pausenbühne spiel­ten und mitt­ler­wei­le die gros­sen Arenen fül­len.

Aus einer völ­lig ande­ren Welt kom­mend, habe ich durchs OBS Musik ken­nen­ge­lernt, die viel zuwe­nig in den Radios gespielt und in den Podcasts bespro­chen wird. Das OBS ist wie eine zar­te, blon­de, sen­ti­men­ta­le Fee und hart­ge­koch­ter, männ­lich-macho-hexen­der Witcher gleich­zei­tig: Es geht von einem Rausch zum näch­sten: Super-Rembert Stiewe, sein Team und Dynamo-Windrad-Geist Lutz Mastmeyer sind die schön­sten, geni­al­sten, inno­va­tiv­sten, enga­gier­te­sten „alten weis­sen Männer“, die sämt­li­che Boomer-Beschimpfungen als stin­ken­de Fürze fehl­ge­lei­te­ter Hashtag-Tussis und Möchtegern-Mackers ver­damp­fen las­sen. Seit es das OBS gibt, weiss ich, dass Pfingsten wahr­haf­tig ist. Ein Wunder: Eines, das mein Leben für immer ver­än­dert hat.

Plakat OBS 2019

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Juli/ August 2019: Titaninnen und Olympierinnen

Philosophen ver­fas­sen ger­ne „Must-Reads“ zum Angeben. Der Habitus von den­ken­den Männern bleibt unge­bro­chen schief, vor allem mit wach­sen­den Jahreszahlen. Philosophinnen gibt es weni­ge wahr­haf­ti­ge. Wer schon, aus­ser mir, legt es sich mit gan­zen Fachrichtungen punk­to Denken, Weltanschauung, Logik, Weltverlust so wort­mäch­tig und öffent­lich an? Richtig. Im deutsch­spra­chi­gen Raum gehö­re ich zu gros­sen Ausnahmen mei­nes Geschlechts. Wohl des­halb wur­de ich noch nie zur „Sternstunde Philosophie“ SRF ein­ge­la­den, was in fünf­zig Jahren dann mit Büchern wie „Eine Frau kommt zu früh“ bedau­ert wer­den kann. Der Feuilleton in Deutschland, Österreich und in der Schweiz, der auch im Hashtag #dich­ter­dran in den Kakao gezo­gen wur­de, ist der­art sexi­stisch, dass es einem auch 2020 kotz­übel wird. Die Männer, von jung bis alt, rüh­men sich ihrer Fortschrittlichkeit und schmücken sich mit jun­gen Frauen, „neu­en“ Talenten und bedie­nen damit ein Muster, das so alt ist wie staat­li­che Kulturförderung. Igitt. Nur so ist erklär­bar, dass aus­ge­rech­net ein Peter Handke den Nobelpreis für Literatur gekriegt hat. Peter Handke? Are you joking? Marlene Streeruwitz hin­ge­gen wäre die ein­zi­ge und rich­ti­ge Wahl gewe­sen, hät­te es denn wie­der ein deutsch­spra­chi­ges Talent sein müs­sen. Vielleicht noch Ruth Klüger. Doch: Deutsche Frauengenies wer­den seit Jahrhunderten zu Lebzeiten beschimpft, ver­drängt und schliess­lich ver­ges­sen. Da trö­stet selbst Elfriede Jelinek nicht, die eh nie trö­sten, son­dern nur poe­ti­sie­ren will.

„Auch die Frau ist das für Frauen ande­re Geschlecht.“

„Die Frau ist als Ständer für Ständer oder frei nach Hegel: Die Frau ist für ande­re Frauen das ande­re Geschlecht“ laStaempfli über den Sommer 2019 als sie von mehr als nur einem Feuilletonisten und deren weib­li­chen Verbündeten ganz hin­ter­häl­tig ange­gan­gen wur­de…

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September 2019: Graz

 „Graz ist eine Schönheit“ twit­ter­te ich begei­stert nach mei­ner Lesung im Welthaus Graz. Damit mein­te ich nicht nur die „Grande Ville“, son­dern auch all die enga­gier­ten, wun­der­ba­ren Menschen, die ich in der Kulturhauptstadt Europa des Jahres 2003 ken­nen­ler­nen durf­te. Die Landeshauptstadt glänz­te gol­den bei mei­ner Ankunft im September 2019: „Aufsteiern“, das gröss­te Volkskulturfest Österreichs war im vol­len Gange. Zwar sind mir in Tracht stecken­de tan­zen­de Menschenmassen mit deut­scher Zunge auf­grund mei­ner Herkunft und Sozialisation meist sehr suspekt – ich war aus die­sem Grunde auch nur ein­mal am Rande am Münchner Oktoberfest und trust me, das hat mir gereicht. Doch in Graz wur­de ich von der Fröhlichkeit von all den schö­nen jun­gen Menschen ange­steckt. Lustige Gruppen for­der­ten mich stän­dig zum Mittanzen und Mittrinken auf. Die gan­ze Stadt war nicht ein­fach besof­fen, son­dern vor allem gut drauf. Auf dem Schlossberg sass ich dann im schön­sten Restaurant im Abendrot und hät­te fast zu wei­nen begon­nen: Nie waren Herbstfarben inten­si­ver und schö­ner als von die­sem lau­schi­gen Plätzchen, seufz. Die Grazer Altstadt und das Schloss Eggenberg gehö­ren mit Fug und Recht zum UNESCO-Weltkulturerbe. Ermöglicht hat mein Besuch das schon erwähn­te Welthaus von Graz, das sich gegen alle Ungerechtigkeiten ein­setzt, zur Diözese Graz-Seckau gehört und von enga­gier­ten, ganz tol­len Frauen und Männern gelei­tet wird. Sofort nach mei­nen drei Tagen in Graz mel­de­te ich mich bei der Universität Graz, ohne lei­der bis heu­te eine Antwort gekriegt zu haben. Doch abwar­ten, denn: Jede Stadt braucht eigent­lich eine Hannah Arendt-Dozentin.…

Das Steirische Wappen von Graz: Es ist ein sil­ber­ner Panther, der aus dem Rachen Flammen her­vor­stösst. Der Panther als Wappentier der Steiermark ist seit 1160 ver­bürgt. Ein ziem­lich unge­wöhn­li­ches, ein­drück­li­ches und vor allem uraltes Statussymbol Europas.

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Oktober 2019: Babylon Berlin

Die „Innocracy“ des Progressiven Zentrums, die „Digitalkonferenz zur Demokratie“, führ­te mich auf Einladung von Milo Tesselaar nach Berlin.

Eine wirk­lich über­schätz­te Stadt.

Der Feuilletonist der Zwischenkriegszeit, Joseph Roth, mein­te ein­mal, dass Berlin vol­ler „Hungernden Billionäre“ sei. Was wie ein zyni­sches Paradox klingt, macht ange­sichts des glo­ba­len Berlin-Zeitgeist Sinn. Berlin ist nur im Kreuzberg ertrag­bar. Dort hört man auch nicht stän­dig Schweizerdeutsch. Wie zu Joseph Roths Zeiten kla­gen sogar die Totengräber über man­geln­den Lohn wäh­rend sich die von den Medien sexi­stisch beschimpf­ten „Latte Macchiato“-Mütter tat­säch­lich über die Stadt her­ma­chen als wären alle Strassen aus­schliess­lich für ihre Kinderwägen geteert. Berlin ist ein Edelmenschen-Dorf, das sich mit Vielfalt schmückt und im Kleingeist erstickt: Ich sage es ja. Viel zuvie­le Schweizer, nein, viel zuvie­le Zürcher in Berlin. Die mei­nen, sie sei­en der Kleinstadt ent­ron­nen, dabei sind sie nur auf dem Festland der Hipster gelan­det. Die Blasiertheit aller Schuldvermutung gegen­über dem, der es wagt, die lächer­li­che Berlin-Geilheit zu kri­ti­sie­ren, ist unge­bro­chen. Ganz übel ist Tom Tykwers „Babylon“. Ein Machwerk, das alle Frauen zu Nutten, die „Roaring Twenties“ als Orgien ver­klärt und die Nazis in ihren schicken Kostümen und Uniformen ero­tisch auf­lädt. Übrigens eine typi­sche Berlin-Story: Volker Kutscher hat genia­le Krimis geschrie­ben und Tom Tykwer ver­kitscht sie ins Bodenlose. Tja. Berlin. Dieser Stadt gelingt es, selbst aus Kirschblüten Katzenklos zu machen.

Ludwig Windstosser, Fotografie der Nachkriegsmoderne. Im Museum für Fotografie. Der Stuttgarter Fotograf gehör­te zu den füh­ren­den Industriefotografen Westdeutschlands. Ganz ein­drück­li­che kla­re Bilder, die das Lebensgefühl in Berlin vor Augen füh­ren. Ludwig Windstosser hat mich an den Tod mei­nes guten Freundes und Industriefotografen Josef Riegger in die­sem Jahr erin­nert. Er und ich sind auf immer ver­bun­den in unse­rem Werk: Frauen ohne Maske. Über Frauen und ihre Berufe – aus dem Jahr 2010. Wie schön es doch wäre, die Schweiz wür­de in nicht all­zu fer­ner Zukunft auch dem Schweizer Industriefotografen Riegger eine Ausstellung gewäh­ren… doch: Propheten gel­ten sel­ten etwas im eige­nen Land.

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November 2019: Kreativität. Macht. Realität.

 Welche Beziehung besteht zwi­schen Design und der Realität?

Inwiefern beein­flus­sen Gestalter gesell­schaft­li­che und sozia­le Zustände und haben dabei Macht?

Welcher Reiz besteht in der Kreation alter­na­ti­ver Realitäten?

Und wel­che Verantwortung ergibt sich dar­aus?

Um die­se Fragen und dreht sich das 12. Forum Mediendesign, denn: Design spielt eine gro­ße Rolle im gesell­schafts­po­li­ti­schen Kontext und ist ein weit­rei­chen­des Instrument.

Sechs Größen der inter­na­tio­na­len Kreativbranche hiel­ten bril­lan­te Vorträge, genia­le Roundtables, ein­drück­lich­ste Präsentationen.

An all dem durf­te ich mal als Gast und nicht als Referentin teil­neh­men. Und ich bin soo dank­bar und wer­be hier­mit für die näch­ste Konferenz 2021 „Forum Mediendesign“. Unbedingt anmel­den und auf Facebookseite, Vimeo und auf mei­ner Homepage könnt Ihr die wich­tig­sten Beiträge nach­schau­en.

Monika Hanfland hielt einen sehr behut­sa­men, ein­drucks­vol­len Vortrag über Menschen, die mit men­schen­ähn­li­chen Puppen zusam­men­le­ben. Sie schreibt: „In Zeiten der Digitalisierung, Social Media und der Suche nach Perfektion, kon­zen­triert sich das Projekt auf die Frage, ob RealDoll Liebespuppen den mensch­li­chen Partner erset­zen könn­ten. (…) Der Kontrast von tech­ni­schen Prozessen und ethi­schen Grenzen zeigt die Explosivität des Themas (…) Werden wir eine neue Art von Beziehungen ent­wickeln, denen wir uns nicht mehr bemü­hen müs­sen?“ Wie ger­ne wür­de ich mit der klu­gen jun­gen Künstlerin/Designerin/Fotografin eine Ausstellung machen. Ich war im Vorfeld des Vortrages so skep­tisch und bin hell­auf begei­stert.

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Dezember: Wien/Uganda

Louise Deininger ist eine der beein­drucken­sten, klüg­sten und schön­sten Menschen, die ich je ken­nen­ler­nen durf­te. Eine Künstlerin, based in Wien, die sich mit der „DNA des Krieges“ beschäf­tigt. Unermüdlich arbei­tet sie mit inspi­rie­ren­den Menschen, jun­gen, alten, viel­fäl­ti­gen Kreativen in Gulu, Norduganda, um Kunst und Kultur zum Heilungsprozess in einer Region zu ver­wan­deln, die unzäh­li­ge Leben bedroht, wo sie doch zum DASEIN gefei­ert wer­den soll­ten. Louise Deininger durch­bricht mit GYCO ACADEMY den Teufelskreis von öko­no­mi­scher Abhängigkeit und kul­tu­rel­lem Abstieg durch feh­len­des Selbstvertrauen, Traumata und Zukunftslosigkeit. „Building an empowered youth for a more sus­tainable, posi­ti­ve and peaceful socie­ty.“

Ich habe das gröss­te Glück auf Erden, GYCO zu unter­stüt­zen und Louise Deininger mei­ne Freundin zu nen­nen. Helft alle mit bei der GYCO ACADEMY . Da habe ich zum ersten Mal – nach sehr lan­ger Zeit, wie­der Zukunft gese­hen.

https://www.gyco.eu/about-us.php

Dezembertreffen mit Louise Deininger (Mitte, links von mir), Doris Kittler, Sharon (rechts von mir) und Liama Irene für GYCO. Nicht von den Männern im Hintergrund ablen­ken las­sen.

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WIDMUNG KULTURJAHR laStaempfli für FRANZ SCHUBERT

 „Das Glück kann man nicht suchen. Man muss von ihm gefun­den wer­den.“ 2019 war Wien, ganz Österreich, ein Glück ohne Ende. Es geht 2020 wei­ter. Dies habe ich vor allem einem gros­sen Mann zu ver­dan­ken. Franz Schubert. Charmant, gut­aus­se­hend, wit­zig, ein­drucks­voll, best Storyteller, gna­den­los geni­al ver­netzt. „MEIN“ Franz Schubert, Saxophonist, Kunstförderer, Medienmagier und intel­lek­tu­el­ler Überflieger: Ihm sei mein Kulturjahr 2019 gewid­met.

MILLE FOIS MERCI!

Mein Kulturjahr 2019 für Franz Schubert. Den gros­sen. Genau DER Franz Schubert. DER näm­lich lebt und uns alle ein Leuchten schenkt. Besuch: Café Korb. Bild von Facebookpage von Franz Schubert.

 

 

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