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Korruption ‒ und wer sie sicher nicht bekämp­fen kann

Von Patrik Etschmayer ‒ «Transparency International», die Organisation, wel­che seit Jahrzehnten die inter­na­tio­na­le Korruption bekämpft, hat fest­ge­stellt, dass Religion nicht wirk­lich das ent­schei­den­de Pfund ist, mit dem der IS wuchert, son­dern das Versprechen, mit der gras­sie­ren­den Extrem-Korruption der Regimes auf­zu­räu­men, die er zu stür­zen beab­sich­tigt.

Nepotismus, Postenhandel, Behördenwillkür, Machtmissbrauch, Sicherheit nur gegen Geld, kei­ne Rechtssicherheit: All die­se gera­de­zu läh­men­den Phänomene, wel­che vor allem Entwicklungsländer fest im Würgegriff haben, fin­den ihren Ursprung so gut wie immer in der Korruption von Politikern und Behörden.

Korruption ist dabei nicht nur teu­er und läh­mend für die wirt­schaft­li­che und gesell­schaft­li­che Entwicklung. Sie ist auch extrem fru­strie­rend und kann ein Volk oder eine Bevölkerungsgruppe in ihrem Hass auf die Obrigkeit eini­gen, die vol­ler Willkür und Verachtung die Menschen aus­saugt. Es ist daher logisch, dass Transparency International in sei­nem Bericht schreibt, dass eines der wich­tig­sten Propagandainstrumente des IS das Versprechen sei, mit der all­ge­gen­wär­ti­gen Korruption auf­zu­räu­men. Das ist zwar eine blan­ke Lüge des IS, aber wer jeden Tag sei­ne Kinder hun­gern las­sen muss, um das Schmiergeld für die einen drang­sa­lie­ren­den Sicherheitskräfte zu haben, hat ver­ständ­li­che Zweifel dar­an, dass es noch viel schlim­mer wer­den könn­te.

Doch es wird natür­lich noch schlim­mer, denn die schlicht gie­rig-kor­rup­ten Schergen wer­den in der Folge durch gie­rig-kor­rup­te Schergen mit gött­li­cher Rechtfertigung ihres Treibens ersetzt, die ihre Willkür als Dienst an ihrem Schöpfer sehen. Tja. Gier ist ja schon Scheisse. Religiöser Wahn ist eben­falls Scheisse. Beides mul­ti­pli­ziert? Die Rechnung ist nicht all­zu schwer zu machen.

Natürlich ist es jetzt ein­fach, auf die dor­ti­gen Länder zu zei­gen und sich toll zu füh­len. Doch was im Irak und in Syrien der IS, ist bei uns der mei­stens rech­te Populismus. Diese Bewegungen, sei­en es nun SVP, AfD, FN, UKIP, FIDSZ, Cinque Stelle oder Prawo und zuletzt Trump, tre­ten mit dem Feindbild der kor­rup­ten Eliten an, wel­che sie aus ihren Machtpositionen ver­trei­ben wol­len, um das Volk angeb­lich (in Tat und Wahrheit aber nur sich sel­ber) wie­der näher an die Macht zu brin­gen.

Wobei es durch­aus stimmt, dass sich über­all Machteliten eta­blie­ren kön­nen, wel­che ange­grif­fen, kri­ti­siert und refor­miert wer­den müs­sen. Und zwar immer wie­der. Doch die Rechtspopulisten sind so ziem­lich die Letzten, die in die­ser Hinsicht Kompetenz und gute Referenzen vor­zu­wei­sen haben. So sind Länder, in denen Populisten an der Macht sind, garan­tiert kei­ne Beispiele dafür, wie man es bes­ser machen kann. So ver­lor Ungarn zwi­schen 2012 und 2016 sie­ben Punkte im Korruptionsindex, Polen ver­bes­ser­te sich bis 2015 kon­stant, um seit der Machtübernahme des Populisten Kaczinsky zu sta­gnie­ren, Erdogans Türkei befin­det sich seit 2013 im frei­en Fall (-9 Punkte) und Venezuela, wo ‒ tol­le Abwechslung ‒ Linkspopulisten seit fast zwan­zig Jahren mit Propagandalügen, Wahlfälschung, Gefälligkeiten und Waffengewalt herr­schen, schafft es, fast jähr­lich die extrem tief lie­gen­de Korruptions-Limbostange noch wei­ter run­ter zu bewe­gen. Die USA sind der­zeit auf Platz 18 der Liste. Es wird span­nend sein, wohin sich die­ses Land unter Trump bewegt; falls es in die Richtung von Russland geht, das unter der Führung des popu­li­sti­schen Multimilliardärs Putin seit Jahren im unter­sten Viertel des Korruptionsindexes steht, wür­de dies ganz klar «abwärts» bedeu­ten.

Oder schau­en wir die Geschichte an. Nazideutschland war ein Schmiergeldparadies, beherrscht von Politikern, wel­che die Weimarer Republik der wuchern­den Korruption bezich­tig­ten. Und der Fisch stank vom Kopfe her. Das fing damit an, dass Hitler kei­ne Steuern zahl­te, eige­ne Steuerschulden tilg­te, sich das Gehalt von Reichskanzler und Reichspräsidenten zusam­men gönn­te und die sehr hohen Tantiemen der Pflichtlektüre des 3. Reichs «Mein Kampf»» ein­strich. Selbstverständlich auch steu­er­frei. Auch einen tol­len Reibach mach­te der «Führer» mit der Reichspost, bezie­hungs­wei­se den Briefmarken mit sei­nem Konterfei drauf, die ab 1933 auf fast allen Briefen und Postkarten in Deutschland kleb­ten. So liess sich Hitler doch das «Recht am eige­nen Bild» durch die Post ver­sil­bern … Obwohl, bei die­sen Beträgen muss man sagen, ver­gol­den. Bis Kriegsende flos­sen zig Millionen aus Bildrechten, Tantiemen, Spenden und «Sonderfonds» in sein Privatvermögen. Ebenso bedien­te er sich bei Parteispenden durch die Industrie, wel­che sich so das Wohlwollen des Diktators erkauf­te. Seine Alpenresidenz in Berchtesgaden liess er sich natür­lich auf Staatskosten ‒ für in heu­ti­gem Geld ca. 10 Milliarden Franken ‒ auf- und aus­bau­en. Inklusive dem Teehaus auf dem Gipfel, dass durch einen 124 Meter hohen Aufzug erschlos­sen, wegen der Höhenangst Hitlers aber fast nie besucht wur­de.

Die Korruption ging natür­lich quer durchs System. Denn auch die ande­ren Führungspersönlichkeiten von Hitlers Kamarilla bezahl­te kei­ne oder nur mini­ma­le Steuern. Damit dies nie­mand aus dem nor­ma­len Volk erfuhr, wur­den die Steuerakten der Nazi-Elite unter streng­stem Verschluss gehal­ten. Mit dem Beginn der Judenverfolgung kam noch eine neue Form der Bereicherung hin­zu, der Raub von jüdi­schem Eigentum, sei es nun durch Beschlagnahmung, über­zo­ge­ne Preise für Reisepapiere oder die schlich­te Plünderung von Läden, Geschäften und Wohnungen geflüch­te­ter Juden.

Doch auch direkt vom Staat wur­de hoch­of­fi­zi­ell gestoh­len: Es wur­den Staatsposten für «Parteigenossen» und SS-Mitglieder geschaf­fen, die nach einem genau­en Verteilungsschlüssel ver­scha­chert wur­den. Korruption war der Kitt, der das Nazi-Pack zusam­men­hielt. Wer sich also wun­dert, was unter einem rechts­po­pu­li­sti­schen Regime abge­hen wür­de …

Diese Beispiele soll­ten eigent­lich klar zei­gen: Populisten wer­den garan­tiert nicht die Lösung der Probleme brin­gen: Sie füh­ren sie nur bis ans Limit und dar­über hin­aus, ohne Möglichkeit, sie wie­der los­zu­wer­den, wei­ter und ver­su­chen alle zu ver­nich­ten, die sich gegen sie stel­len. Der Beweis ist ein­fach zu füh­ren: Sowohl ver­gan­ge­ne als auch gegen­wär­ti­ge popu­li­sti­sche Regimes zeich­nen sich durch Korruption auf höch­stem Niveau aus.

Deshalb ist es umso wich­ti­ger, vor deren Machtübernahme den Kampf gegen Korruption ‒ durch stren­ge­re Gesetze, offe­ne­ren Zugang zu Informationen, trans­pa­ren­te Abläufe in der öffent­li­chen Beschaffung und das Verbot von Postenschachern zwi­schen Wirtschaft und Politik ‒ zu füh­ren. Und dies alles im Rahmen eines Rechtsstaates mit kla­rer Gewaltentrennung, einer Institution, wel­che von den Erdogans, Putins und nun auch Trumps die­ser Welt ver­ab­scheut und bekämpft wird. Denn sind die­se erst an der Macht, ist es mit dem Kampf gegen die Korruption vor­bei.

Auch sind die­se Beispiele aus der Vergangenheit und der Aufstieg des IS eine Lektion für alle demo­kra­ti­schen Parteien: Wer glaubt, mit Gemauschel und halb­sei­de­nen Deals die Macht zu sichern, spielt den Feinden der Freiheit direkt in die gie­ri­gen Hände.

www.transparency.org/news/feature/corruption_and_inequality_how_populists_mislead_people

www.transparency.org/news/feature/corruption_perceptions_index_2016

www.transparency.org.uk/press-releases/isis-cannot-be-defeated-without-addressing-corrupt-conditions-in-which-they-thrive/