Körper an Unorten

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Von Pascal Mülchi, Montpellier -«bodies in urban spaces»: eine der zig Darstellungen, die Mitte November am ZAT (vgl. Box) in Montpellier begei­ster­te:

14, rue de Verdun in Montpellier, unweit des Place de la Comédie, dem geschäf­ti­gen Herz der Mittelmeermetropole. Gegen 150 ZuschauerInnen sind in Erwartungshaltung. Es ist dies der Ausgangspunkt der Performance von Willi Dorner. Plötzlich kom­men zwan­zig bunt geklei­de­te, Kapuzen tra­gen­de, jun­ge Menschen ange­rannt. Es sind die ArtistInnen. Das Publikum folgt ihnen, bewaff­net mit Fotoapparat. Was es jetzt zu sehen bekommt, ist aus­ser­ge­wöhn­lich. Die KünstlerInnen zwän­gen sich zum Beispiel hin­ter eine Parkuhr, in klei­ne Wandeinbuchtungen oder zwi­schen eine Hauswand und eine Strassenlampe. Andernorts tür­men sie sich zu einer klei­nen Skulptur auf. Das Erstaunen des Publikums ist durch­ge­hend. So etwas hat die Mehrheit noch nie gese­hen.

Die Choreographie von Dorner, einem öster­rei­chi­schen Künstler, ist aus­ge­klü­gelt. Das Publikum folgt den TänzerInnen via Bahnhof, zum Einkaufszentrum Polygone bis ins Stadtviertel Antigone. Auf jedem klei­nen Wegabschnitt gibt’s etwas Abartiges zu bestau­nen, es ist eine Kette von meh­re­ren ein­zel­nen Darbietungen im urba­nen Raum. Manchmal müs­sen die BegleiterInnen der Performance das Publikum auf­for­dern, wei­ter zu gehen. Ewig kann an den Unorten nicht aus­ge­harrt wer­den – der Parcour ver­langt von den TänzerInnen viel ab. Sie sind stän­dig in Bewegung. Sie ren­nen immer wie­der am Publikum vor­bei, um eine näch­ste Überraschung zu pro­vo­zie­ren. Ein Stunde lang. Bis sie alle zu einem Schlussbouquet zusam­men­kom­men und einen nicht enden wol­len­den Applaus ern­ten.

«bodies in urban spaces», so der Titel der Choreographie, will urba­ne funk­tio­nel­le Strukturen und die dar­aus resul­tie­ren­den limi­tier­ten Bewegungsmöglichkeiten und ‑gewohn­hei­ten auf­zei­gen. So steht es auf Dorners Homepage. Das Gehirn des Publikums soll ange­regt, irri­tiert wer­den. Die ZuschauerInnen sol­len sel­ber über ihre Bewegungen – oder viel­mehr Bewegungsgewohnheiten – im urba­nen Umfeld nach­den­ken. Das Projekt pro­vo­ziert ein neu­es Stadt-Erlebnis. Eines, das sei­ne Spuren in der Erinnerung der Augenzeugen hin­ter­las­sen soll. Premiere fei­er­te das Spektakel 2007 in Paris. 2008 war es anläss­lich des «tanz.in» auch in Bern zu bestau­nen.

 


ZAT – «Zone arti­stique tem­po­rai­re»
Vom 11. bis 14. November 2010 orga­ni­sier­te die Stadt Montpellier im Quartier Antigone erst­mals das ZAT, «une zone arti­stique tem­po­rai­re»: eine mehr­tä­gi­ge Begegnung zeit­ge­nös­si­scher Kreationen im öffent­li­chen, urba­nen Raum; haupt­säch­lich dar­stel­len­de, aber auch visu­el­le Kunst, Street Art, Performances, Filme und sogar Parcours mit Smartphones. Geplant sind 3–4 ZATs pro Jahr, jeweils zwi­schen September und Mai. Das letz­te ZAT soll im Dezember 2020 statt­fin­den. (pm)

Foto: zVg.
ensuite, Dezember 2010

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