Klarer Tim, kla­rer Struppi

Von

|

Drucken Drucken

Copyright: Edgar P. Jacobs, «Das Geheimnis der grossen Pyramide», Magazin «Tintin», Cover, 1950, Editions du LombardVon Vojko HochstätterDer bel­gi­sche Zeichner Hergé per­fek­tio­nier­te in den 1930er-Jahren einen weg­wei­sen­den Stil: die „Ligne clai­re“. Sie kenn­zeich­net eine deut­li­che schwar­ze Umrandung, ihr Siegeszug führ­te sie rund um den Globus. Nun wid­met das Cartoonmuseum Basel ihr eine eige­ne Ausstellung: „Die Abenteuer der Ligne clai­re – Der Fall Herr G. & Co.“

Um Irritationen von vorn­her­ein aus­zu­schlies­sen: Dieser „Herr G.“ im Ausstellungstitel ist nie­mand ande­res als Hergé, natür­lich – aus „Copyrightgründen“, wie Kuratorin Anette Gehrig ver­rät. Seine Figuren Tim und Struppi gehö­ren längst zur Allgemeinbildung. Was die Abenteuer des schlau­en Reporters und sei­nes treu­en Begleiters künst­le­risch so bedeut­sam macht, stellt die Ausstellung gleich zu Beginn klar. Linkerhand im ersten Raum prangt an der blass­grü­nen Wand eine knap­pe Charakterisierung von Hergés Grundidee: „Mit Ligne clai­re ist eine Art zu zeich­nen gemeint, die fol­gen­de Prinzipien berück­sich­tigt: Farbflächen sind durch eine gleich­mäs­si­ge Linie mit kla­ren Konturen abge­grenzt, sie sind flä­chig kolo­riert, ohne Schraffuren und Schattierungen.“

Aufgestellt hat die­se Definition der nie­der­län­di­sche Comiczeichner Joost Swarte anläss­lich einer Hommage an Tim und Struppi 1977. Der Begriff „Ligne clai­re“ geht ana­chro­ni­stisch auf ihn zurück. Der Meister selbst beschrieb sei­nen Grundsatz prag­ma­tisch: „Ohne über­flüs­si­ge Details.“ Im Vordergrund sol­le das Leseverständnis ste­hen. Tim und Struppi waren die Initialzündung.

Tusche, Tipp-Ex und „Tintin“
Den schör­kel­lo­sen, ein­fach wir­ken­den Federstrich hat­te Hergé bei puri­sti­schen Zeichnern aus den USA ent­deckt, er war begei­stert. Bei die­sen Einflüssen setzt die Ausstellung im Basler Cartoonmuseum an, mit George McManus‘ bekann­tem Cartoon „Bringing Up Father“ von 1928.

Die Exponate im Erdgeschoss illu­strie­ren die Entwicklung der Ligne clai­re in den Anfangsjahren, dar­un­ter natür­lich auch Hergé mit einer Tuschezeichnung des Covers von „Tim in Amerika“ im Original (1932). Verschiedene Konzept- und Druckseiten aus dem popu­lä­ren Comic-Magazin „Tintin“, so der fran­co-bel­gi­sche Name Tims, ver­deut­li­chen die Einheitlichkeit des Strichs unter ver­schie­de­nen Zeichnern. Herausgeber Hergé präg­te also nicht nur einen Stil, son­dern gleich eine gan­ze Schule.

In Bilderrahmen und Vitrinen prä­sen­tie­ren sich die gezeich­ne­ten Schätze den Blicken der Ausstellungsbesucher, mit klei­nen Infotafeln datiert und aus­führ­lich beschrif­tet. Behutsam auf­ge­tra­ge­ne Korrekturen mit Tipp-Ex bei ein­zel­nen Skizzen sind beson­ders bemer­kens­wert. Sie zeu­gen vom Prozess, wie eine illu­strier­te Seite ent­steht, und füh­ren das betrach­ten­de Auge förm­lich an den Zeichentisch her­an. Allein wegen die­ser Exponate lohnt sich ein Besuch in der Basler St. Alban–Vorstadt.

Cartoonmuseum Basel: Ausstellungsraum 1. Stock – Copyright: Cartoonmuseum Basel„Herr G.“ und sei­ne Nachfolger
Im ersten und zwei­ten Obergeschoss beschäf­tigt sich die Ausstellung mit der Nachwirkung Hergés. Epigonen vor allem aus Benelux, Frankreich und England nah­men die Ligne clai­re auf und ent­wickel­ten sie wei­ter – Edgar P. Jacobs, Yves Chaland oder eben Joost Swarte. Auch die bekann­te Figur Globi des Schweizer Künstlers Robert Lips hält sich, seit ihrer Entwicklung in den 1930ern bereits, an die­se neue Ästhetik der Einfachheit.

In der tra­di­ti­ons­rei­chen US-Cartoon-Szene fand die Ligne clai­re eben­falls ihren Platz. Von Chris Ware, einem preis­ge­krön­ten Illustrator aus Illinois, ist eine Tuschezeichnung von „Rusty Brown“ aus dem Jahr 2005 zu sehen. Hervorstechend hier ist die unre­gel­mäs­si­ge Seitenaufteilung. Mit „Jimmy Corrigan“ über eine kom­ple­xe Vater-Sohn-Beziehung hat­te er in den 90ern sei­nen Durchbruch gefei­ert. Ware zählt heu­te zu den wich­tig­sten Vertretern des Stils.

„Die Abenteuer der Ligne clai­re – Der Fall Herr G. & Co.“ zeich­net ein­drucks­voll die Stationen von Hergés Grundsatz der kla­ren Kontur nach. Belege zu allen Epochen sind dank der Initiative zwei­er Comic-Experten, Ariel Herbez und Jean-Marie Derscheid, in aus­rei­chen­der Fülle vor­han­den, Werke von etwa 50 Künstlern ins­ge­samt. Gleichzeitig gewährt die Ausstellung über die Ligne clai­re einen inter­es­san­ten Einblick in die Rezeptionsgeschichte, von der Hochphase in den 50ern dank des Magazins „Tintin“ über das Abflauen nach der 68er-Revolte bis zur Renaissance in den 80ern. Nicht nur für Anhänger der gezeich­ne­ten Geschichte sehr sehens­wert!

Die Ausstellung läuft noch bis zum 9. März 2014 im Cartoonmuseum Basel: www.cartoonmuseum.ch

 

Fotos:  

  1. Copyright: Edgar P. Jacobs, «Das Geheimnis der gros­sen Pyramide», Magazin «Tintin», Cover, 1950, Editions du Lombard
  2. Cartoonmuseum Basel: Ausstellungsraum 1. Stock – Copyright: Cartoonmuseum Basel

 

Einen Text gelesen und der hat gefallen? Spende per TWINT ein paar Franken - ohne Abo, aber mit gutem Gewissen. Geht doch auch.



Newsletter

Unsere Newsletter kommt nicht oft und nur dann, wenn etwas wichtig ist. Sie können sich jederzeit wieder abmelden.




Mit der Nutzung dieses Formulars erklärst Du dich mit der Speicherung und Verarbeitung Deiner Daten durch die Schweizer-Newsletter-Software von «ensuite» einverstanden. (CH-Server)

logo