Kampf zwi­schen unglei­chen Gegnern

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By Rafaela Roth

Wie auf einer Modeschau flan­kiert das Publikum auf der Bühne A der Gessnerallee den Catwalk, wo an die­sem Abend Schauspiel und Tanz, also Text und Bewegung gegen­ein­an­der antre­ten sol­len. Wer sich auf einen Sieger gefreut hat, wird ent­täuscht. Es sind zwei unglei­che Gegner, die da auf­ein­an­der tref­fen. Schauspielerin Rahel Sternberg starrt schon vor Spielbeginn so angriffs­lu­stig ins Publikum, dass es kaum jemand aus­hält, ihrem Blick stand­zu­hal­ten. Schon gar nicht der Tänzer Frédéric De Carlo, der kei­ne rech­te Lust oder den Mut zu haben scheint, sich auf die­sen Kampf ein­zu­las­sen. Vielleicht hat es mit sei­ner Gegnerin zu tun, die von einem Hund auf dem Kopf beglei­tet wird, viel­leicht ist er auch nicht so wütend wie sie. Schnell wird klar, wie­so Wettkämpfer nur in ihren eige­nen Kategorien antre­ten. Die Ausgangslage hier scheint irgend­wie unge­recht.

Sei geil, sei gie­rig, sei gut

Genau das hat Sandra Knecht wohl dar­an gereizt. Die Masterabsolventin der ZHdK Fine Arts führ­te Regie und ent­wickel­te das Konzept sowie Choreografien. Sie stell­te sich in ihrer Abschlussarbeit die Frage, wie viel in der Kunst geplant wer­den kann und was dem Zufall über­las­sen wer­den muss. Sie nimmt ihr Publikum in der näch­sten Stunde mit auf eine fie­ber­traum­ar­ti­ge Reise, auf der Hunde ver­rückt spie­len, Lust und Macht durch­ein­an­der­wir­beln und das Rad des Lebens sich doch stän­dig wei­ter­dreht.

Der Tänzer lässt sich schliess­lich auf den Battle ein, win­det sich, als wäre sein Körper eine Waffe, zuckt mal robo­ter­haft, mal lust­ver­zerrt vor­wärts und ringt mit der Musik. Doch die Schauspielerin hat den Loop-Sampler im Griff. Sie lässt die Beats immer schnel­ler wer­den, lässt sie über­schla­gen, treibt den Körper des Tänzers in den Wahnsinn. Und geniesst es. Rahel Sternbergs Sex Appeal gewinnt. Wir beob­ach­ten das Rad des Lebens, den Kampf um Sieg oder Niederlage, um Erfolg oder Misserfolg. Es läuft, es läuft das Rad. Es läuft, wenn wir haben, falls wir alles haben. «Sei geil, sei gie­rig, sei gut», ruft Rahel Sternberg wie eine Marktschreierin an der Kirmes. Im Gegensatz zum Tänzer hat sie auch noch die ver­ba­le Sprache, mit der sie sich aus­drücken kann. Zu «Black Hole Sun» von Soundgarden tän­zeln sie umein­an­der her­um: «Black hole sun, won’t you come?
And wash away the rain.» – Vielleicht der Wunsch, das Hamsterrad des Lebens anzu­hal­ten? «Ich bin hier das schön­ste Tier», weiss die Schauspielerin oder viel­leicht flü­stert es der Hund in ihr. «I will be the king and you, you will be queen. We can be heroes», zitiert der Tänzer David Bowie, bevor er zuge­ben muss: «You, you, will be the king.» Es ist nicht uniro­nisch, die­ses Stück – wie wir tra­gisch­ko­mi­schen Helden unse­res eige­nen Lebens.

Kampf mit unglei­chen Waffen

Bevor sie über­haupt rich­tig gestrit­ten haben, schlies­sen die zwei Frieden. Sie fin­den sich in einem Tanz. Man hät­te sich mehr Interaktion gewünscht. Man hät­te sich gleich­wer­ti­ge­re Gegner gewünscht. Doch auf die­ser Bühne ist es wie im Leben: Wir sind mit unglei­chen Waffen aus­ge­rü­stet. Klar ist, dass es sich immer wei­ter dreht, das Rad des Lebens, wie ein Karussell. Und dass irgend­wo oben der Affe sitzt, der es am Laufen hält. Auch Sandra Knecht sass oben und hat­te die­ses Spiel im Griff. Man hät­te bei der Frage nach dem Zufall in der Kunst mehr Improvisation von den Spielern erwar­tet. Das Spiel schien jeden­falls durch­cho­reo­gra­fiert. Rahel Sternberg über­zeug­te mit ihrem star­ken Ausdruck, wohin­ge­gen der Charakter der Figur des Tänzers etwas unscharf blieb. Der Text von Kristin T. Schnider war durch klin­gen­de Alliterationen und star­ke Parolen geprägt.

Trotz unmög­li­chem Zweikampf ist «Oben sitzt ein Affe» ein sehr schö­nes Beispiel dafür, wie viel Sex ganz ohne Nacktheit, wie viel Emotion mit sehr wenig Text und wie Sinnsuche sehr komisch ver­mit­telt wer­den kann.

: http://www.kulturkritik.ch/2013/oben-sitzt-ein-affe/

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