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Jubiläumsbuch 175 Jahre Sprüngli

Von Lukas Vogelsang – Anlässlich des 175-jäh­ri­gen Jubiläums hat die Confiserie Sprüngli ein Pralinen-Buch her­aus­ge­ge­ben. Die bekann­te­sten Luxemburgerli, für wel­che man frü­her als Berner weit rei­ste, fin­det man unter­des­sen nicht nur in Zürich am Paradeplatz oder im Flughafen Kloten – auch in Bern und Basel gibt es jetzt Sprüngli-Läden. Entsprechend sind die Erwartungen. Beim Durchblättern der rund 264 Seiten dicken Süssparade über­kommt einen aller­dings dann und wann das Gefühl, dass die 6. Generation Geschäftsführer, Milan und Tomas Prenosil, aus dem klas­si­schen Luxenburgerli-Laden lie­ber ein «Tiffany» gemacht hät­ten. So prä­sen­tie­ren Sie mit vie­len Berühmtheiten und Inszenierungen, vor allem aber mit viel «Klimbim» ihre Leckereien.

Schön ist die Idee eine Geschichte von Federica de Cesco ein­flies­sen zu las­sen. Allerdings fehlt dem Buch lei­der jeg­li­ches Inhaltsverzeichnis, und das Kapitel «Overview» prä­sen­tiert nur die Pralinen-Ansammlung mit Best-Of-Adjektiven, wel­che den «Brand Sprüngli» mar­kie­ren sol­len. Irritiert stellt man fest, dass zur Unübersichtlichkeit eine eigen­wil­li­ge Typographie hin­zu­kommt, und weder Lesefluss noch Bildlogik in Sichtweite sind. Das Buch ist kon­se­quent in Deutsch und Englisch geschrie­ben – was das Konzept nicht ver­bes­sert. Da hät­ten wir also auf der einen Seite Pralinen, wel­che wir in der Fantasie fast zu rie­chen begin­nen, und auf der ande­ren Seite wird das alles ziem­lich chao­tisch und wür­de­los prä­sen­tiert. Wozu?

Die Fotoarbeiten von Patrizio Di Renzo machen den eigent­li­chen Zweck die­ses Buches zunich­te: Die Bildseiten mit einer Grösse von 24cm x 33.8cm schrei­en ja gera­de­zu nach bril­lan­ten Schokolade-Bildern. Einige sind im Buch auch zu fin­den. Doch bei den mei­sten Fotos haben der Fotograf und die Druckerei es hin­ge­kriegt, dass sie unscharf sind. Schlimmer noch: Auf vie­len Seiten wur­den die Pralinen durch digi­ta­le Bearbeitung als rei­ne Bild-Objekte ange­ord­net. Dadurch geht noch mehr an Natürlichkeit und Schärfe ver­lo­ren. Bei ganz­sei­ti­gen Pralinenbildern fehlt die Tiefenschärfe – sogar Schatten wur­den teils künst­lich gesetzt. Die flie­gen­den Luxemburgerli zum Beispiel über­zeu­gen nicht wirk­lich – irgend­wie ist die Wurf-Unschärfe zu gleich­för­mig und wirkt digi­tal.

Das Jubiläumsbuch ent­spricht nicht den Erwartungen und dem Namen, wel­che dahin­ter eine solch tra­di­ti­ons­rei­che Geschichte beher­ber­gen. Es hät­te ein wun­der­ba­res Werk wer­den kön­nen, aber es wur­de irgend­wie im Konzept zu wenig auf das wirk­lich höch­ste Gut von Sprüngli Rücksicht genom­men: Den Geschmack. Und um die­sen zu insze­nie­ren braucht es das Feingefühl, wel­ches uns eben den Wert eines Luxemburgerlis, wie ein Schmuckteil von Tiffanys füh­len lässt. Dafür gehe ich lie­ber an den Paradeplatz und kle­be mei­ne Nase ans Schaufenster von Sprüngli, in der Fantasie im Paradies.

Foto: zVg.
ensuite, Januar 2012