Internationale Kurzfilmtage Winterthur

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Von Walter Rohrbach – Viel zu ent­decken an den Internationalen Filmtagen in Winterthur! Vorwiegend aus Afrika – einem Kontinent, des­sen Filme nicht oft hie­si­ge Cineasten errei­chen.

Auf geht’s nach Afrika! Gestartet wird am 9. November 2011 in ver­schie­de­nen Winterthurer Kinosälen, wo mit dem dies­jäh­ri­gen Programmschwerpunkt das aktu­el­le afri­ka­ni­sche Kurzfilmschaffen prä­sen­tiert wird. Wer kennt ihn nicht, die­sen wun­der­schö­nen Kontinent? Wiege der Menschheit, Kontinent des Aufbruchs, der Revolutionen und der Hoffnung, aber auch eine Region des Hungers, der Kriege und der Verzweiflung. Die fünf gezeig­ten Programme bie­ten die Möglichkeit, Kurzfilme zu sehen, die nur sel­ten unse­ren Kontinent errei­chen, und erlau­ben einen bewe­gen­den Blick auf das Afrika der Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft.

Unglaublich was in den letz­ten Monaten in den nörd­li­chen Staaten Afrikas pas­siert ist. Ausgehend von Tunesien brei­tet sich die Revolution auch auf ande­re ara­bi­schen Staaten Nordafrikas aus. Das Volk lehnt sich gegen die herr­schen­den Machtverhältnisse auf, for­dert mehr Transparenz, Demokratie und Menschenrechte. Die afri­ka­ni­sche Gesellschaft befin­det sich im Wandel – zwei­fels­frei. Bloss – in wel­che Richtung? Dem Thema des gesell­schaft­li­chen Wandels wid­met sich das Programm «Africa is Social Change». Kurzfilme die­ser Rubrik zei­gen sub­ti­le Zeichen des Umbruchs auf. Beispielsweise der Film «The A77A Project (on Presidents and Superheroes)» der bereits 2009 ent­stan­den ist, und erste Anzeichen der Veränderung dar­stellt. Weitere span­nen­de Kurzfilme doku­men­tie­ren die Veränderung des afri­ka­ni­schen Geschlechterverständnisses. Abseits der west­li­chen Berichterstattung wer­den alte, patri­ar­cha­le Strukturen auf­ge­bro­chen, eman­zi­pie­ren sich die Frauen und gehen mit einem neu­en Selbstbewusstsein in die Zukunft. Wie bei­spiels­wei­se in Liberia, wo mit Ellen Johnson-Sirleaf das erste weib­li­che Staatsoberhaupt Afrikas gewählt wur­de. Viele neue Filme sind ent­stan­den, wel­che die afri­ka­ni­schen Geschlechterrollen the­ma­ti­sie­ren und einen «stil­len» Wandel der afri­ka­ni­schen Gesellschaft doku­men­tie­ren. Dieser liegt aber auch in den Händen der Jugendlichen: Werden sie es schaf­fen, mit ihren Vorstellungen und Hoffnungen die Gesellschaft und die Zukunft Afrikas neu zu gestal­ten? Die jün­ge­ren Generationen, ihre Ideale und ihr Wille zur Veränderung, sind die trei­ben­de Kraft des Wandels, sie haben den «Arabischen Frühling» aus­ge­löst, auf die Strasse und auf die Leinwand gebracht.

Ähnlich dra­ma­tisch ist ein wei­te­rer emp­feh­lens­wer­ter Teil des Programms namens «History Uncut». Südafrika, Ende der 1980er Jahre, die Nationale Partei (NP) regiert das Land der strik­ten Rassentrennung: Ehen zwi­schen den ver­schie­de­nen Rassen sind ver­bo­ten, und in allen öffent­li­chen Einrichtungen, Behörden, Verkehrsmitteln, sogar auf den Toiletten wird nach Rassen unter­schie­den. Schwer wie­gen auch die öko­no­mi­schen Diskriminierungen. Der «Mines and Works Act» von 1911 bei­spiels­wei­se ver­pflich­tet Schwarze, aus­schliess­lich nie­de­re Arbeiten zu ver­rich­ten, und garan­tiert damit die Verfügbarkeit bil­li­ger Arbeitskräfte. Das süd-afri­ka­ni­sche Apartheidregime kommt Ende der 1980er Jahre unter Druck, und die Machthaber ver­su­chen den Medien die unab­hän­gi­ge Berichterstattung in die­ser tur­bu­len­ten Zeit zu unter­bin­den. So auch die Arbeit des «Video News Service Kollektivs» (VNS), wel­ches eng mit der Widerstandsbewegung zusam­men­ar­bei­tet. Dieses doku­men­tiert die Aktionen der Widerstandbewegung, deren Streiks, Wahlboykotte und Versammlungen. Ein poli­ti­scher Machtwechsel in Südafrika liegt in der Luft, damit neh­men die Zusammenstösse mit der Polizei zu – eben­so der Druck auf die Medien. Die drei VNS-Journalisten müs­sen ihre Arbeit von der Strasse zuneh­mend auf die umlie­gen­den Häuser und Dächer ver­schie­ben. Von dort aus wird das Geschehen auf­ge­zeich­net, es ent­ste­hen über 3000 Stunden Video- Material, und damit eine umfas­sen­de Dokumentation der poli­ti­schen Unruhen. Aus die­sem Material ist 2004 die 12-teil­i­ge Serie «History Uncut» ent­stan­den, wel­che mög­lichst unge­schnit­ten die histo­ri­schen Schlüsselmomente aus dem Originalmaterial rekon­stru­iert. Die 25-minü­ti­gen Sequenzen fol­gen nicht der «logi­schen Kausalität der Geschichtsschreibung», son­dern geben unkom­men­tiert die Ereignisse wie­der. Mit Darryl Els – Kurator des Independent-Kinos Bioscope in Johannesburg – kommt zudem ein Fachmann an die Winterhurer Kurzfilmtage, der über die histo­ri­schen Hintergründe und die aus­ser­ge­wöhn­li­chen Produktionsbedingungen von «History Uncut» Auskunft geben kann.

Weitere the­ma­ti­sche Programmpunkte, die den Kontinent aus der Makroperspektive beleuch­ten, sind «Africa is Heritage», «Africa is Migration» und «Africa is Imagination».
Natürlich bil­det das hier erwähn­te nur einen klei­nen Teil des reich­hal­ti­gen «Winterthurer» Programms ab. Geht hin, infor­miert Euch – und ent­deckt wei­te­re span­nen­de Einblicke in die Welt des aktu­el­len Kurzfilms.

Foto: zVg.
ensuite, November 2011

 

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