Von Eva Pfirter – Wer glaubt, nur hoch in den Lüften könne man ein Gefühl von Freiheit erlangen, der irrt. Auch im Wasser kann man sich so frei wie ein Vogel fühlen, denn manchmal ist Wasser dem Element Luft ganz ähnlich. Ganz besonders jetzt in den Sommermonaten.
Und weil wir nicht wie Vögel oder Schmetterlinge einfach abheben und uns einen Moment lang der (Alltags-) Welt entziehen können, bleibt uns Daheimgebliebenen und Sommerbüromenschen also nur der Sprung ins kühle Nass der Natur.
Wann immer ich kann, entfliehe ich so dem Alltagsstress, schüttle imaginären Staub und Müdigkeit ab. Nach einem langen Tag im stickigen Büro kommt das Eintauchen in den See einer Befreiung gleich … Zug um Zug entferne ich mich mehr vom Alltag, gleite dem offenen See entgegen, immer weiter weg von Smartphone, Computer, Piepser und Zeitungsbergen. Ja: Beim Schwumm unter freiem Himmel fühle ich mich fast ein bisschen wie ein Adler, der mit jeder Bewegung noch leichter schwebt, der sich mit jedem Flügelschlag mehr mit den Lüften verwebt, gerade so, als wäre er Teil des Himmels.
Genauso geht es mir beim abendlichen Bad im Zürcher Gewässer: Schon am Ufer streife ich ein Stück Erwachsenensein ab, und mit jedem Schritt hinein ins Wasser schärfe ich meine Sinne; ich rieche den See, betaste Entenfedern, lasse Wasser über mein Haar und in die Ohren perlen … Manchmal beobachte ich heimlich Goldküstenzürcher auf ihren Böötli oder tauche einfach einen langen Moment unter. Wann sonst kann man sich einfach so ausklinken, ein bisschen so tun, als wäre man weg?
Das Bad im See ist wie eine Lücke zwischen zwei Worten – und ich allein bestimme, wie lange sie dauert.
Beim «Landen» am Ufer bin ich jedes Mal aufs Neue erstaunt, dass ich über die grauen Wintertage wieder vergessen habe, wie gut das tut! Gerade so, als wäre ich bereits zu weit weg von meinen Kindertagen – dieser Zeit, als das Eintauchen in andere Welten zum Leben dazu gehörte.