«ich will mit tra­di­tio­nel­lem Rap aus dem rah­men fal­len»

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Von Luca D’Alessandro – Interview mit Pascal Weber: Pascal Weber, bes­ser bekannt als Webba, hat im ver­gan­ge­nen Monat mit der Veröffentlichung sei­nes ersten Soloalbums «deheim?» Bewegung in die Schweizer Rap-Szene gebracht. Seither berich­ten die Medien fast täg­lich über ihn und sein Werbeaufkleber haf­tet an jedem Laternenpfosten der Bundeshauptstadt.

Der 29-Jährige ist in der Schweizer Hiphop-Szene schon seit mehr als zehn Jahren aktiv. Nach sei­nen ersten Gehversuchen als Human Beatboxer grün­de­te er 1999 zusam­men mit einem Kollegen die Rap-Combo Krümmelmonstaz. Es folg­ten diver­se Gastauftritte als Rapper und Beatboxer sowie Produktionen für ande­re Künstler. 2002 gaben Krümmelmonstaz die EP «Grössäwahn» und zwei Jahre spä­ter das Album «Inkubation» her­aus. Nach die­ser für ihn «sehr wich­ti­gen Erfahrung», wie er sagt, folg­te er sei­nem Instinkt und löste sich von sei­nem Rap-Partner. Er mach­te sich auf zu neu­en Zielen, die er mit dem kürz­lich erschie­ne­nen Album zum ersten Mal einem brei­ten Publikum zugäng­lich macht.

Für die Produkton von «deheim?» konn­te er auf die Unterstützung von ein paar der erfolg­reich­sten Schweizer Rapper zäh­len: Wurzel5, PVP, Baze, Drüklang und Merlo. Inhaltlich dreht sich das Album um Fernweh, aber auch Gangster-Rapper, wel­che kei­ne sind. Aufgesetzte Coolness behagt Webba nicht, er bleibt lie­ber sich selbst. Das gelingt ihm auch, zumal sein Album ehr­lich ist – kom­pro­miss­los ehr­lich.

ensuite – kul­tur­ma­ga­zin hat Webba zu Hause besucht, am Tag nach sei­nem gros­sen Auftritt im Berner Bierhübeli, wo er anläss­lich des zehn­ten Jubiläums von Chlyklass die Ehre hat­te, vor aus­ver­kauf­ten Reihen zu ste­hen.

ensuite – kul­tur­ma­ga­zin: Pascal, du siehst müde aus und dei­ne Stimme ist hei­ser. Gestern Abend hast du alles gege­ben.

Webba: Ja, in der Tat, der gest­ri­ge Abend war ein vol­ler Erfolg. Die Fetzen flo­gen und das Publikum ist ab dem ersten Moment auf den Beat ein­ge­stie­gen. Solche Events gefal­len mir und zei­gen, dass mein Weg, den ich musi­ka­lisch ein­ge­schla­gen habe, nicht ganz falsch sein kann.

Obwohl wir davon aus­ge­hen kön­nen, dass dich der Weg schon bald in ein ande­res Land füh­ren wird. In dei­nem Video sagst du, du willst weg von der Schweiz.

Wer will das schon nicht? (lacht) Es geht mir nicht dar­um, undank­bar zu sein. Ich habe ein erfüll­tes Leben in der Schweiz und ein Dach über dem Kopf. Ich muss­te nie Hunger lei­den, hat­te die Möglichkeit, zur Schule zu gehen und einen Beruf zu erler­nen, wenn auch das für mich oft eher ein «müs­sen» als ein «dür­fen» war. Trotzdem zieht es mich hin und wie­der weg von hier. Bin ich dann fort, seh­ne ich mich wie­der nach mei­nem Zuhause.

Der Albumtitel «deheim?» wirft die Frage nach dem Zuhause auf. Inwiefern hat die­se Frage mit dir zu tun?

Ich glau­be, dass dies eine der zen­tra­len Fragen des Lebens ist. Folglich hat das sehr viel mit mir zu tun. Mit «deheim» mei­ne ich nicht unbe­dingt einen Ort, son­dern eher einen Gefühlszustand. Das «Deheim» steht für mich für die Geborgenheit und Wärme, die man von sei­nem Zuhause erwar­tet und gewis­ser­mas­sen auch erhofft.

Das Fragezeichen im Titel gibt einem das Gefühl, dass du auf der Suche bist. Wonach?

Das ist eine gute Frage, die ich nicht mit Bestimmtheit beant­wor­ten kann. Ich den­ke, dass ich wie jeder ande­re nach Geborgenheit und einem gei­sti­gen Zuhause suche, in wel­chem ich mich ver­stan­den füh­le. Das heisst nicht, dass ich mich nicht gebor­gen füh­le, oder dass ich gar miss­ver­stan­den wer­de. Keineswegs. Es ist viel­mehr die Suche nach etwas, das auf einer Ebene liegt, die sich in weni­gen Worten nicht fas­sen lässt. Grundsätzlich gilt: Wer sucht, der fin­det.

Zumindest hast du einen eigen­stän­di­gen Stil gefun­den. Im Song «Rap» betonst du, dass du nicht zu den Gangster-Rappern gehörst.

Nun ja, das ist offen­sicht­lich. (lacht) In die­sem Song habe ich ver­sucht, eine Antwort zu geben auf die Frage, wes­halb ich nicht auf Gangster mache wie so vie­le ande­re. Ich woll­te beto­nen, dass ich mehr auf Persönlichkeit als auf Schein set­ze. Ich fin­de es wich­tig, den Kids zu ver­mit­teln, dass eigent­lich alles im Leben einen Sinn hat – auch wenn die­ser nicht immer ersicht­lich ist.

Hast du den Sinn gese­hen?

Meistens erst im Nachhinein. Aber das gibt einem mit der Zeit ein gewis­ses Vertrauen in das, was man tut. Auch wenn es im ersten Moment nach einer Katastrophe aus­sieht. Oft ist das, was man als gröss­tes Unglück ansieht, das Beste, was einem pas­sie­ren kann – und umge­kehrt.

«deheim?» ist ein sehr fun­ki­ges Album, gespickt mit Samples aus den 1970ern. Damit sprichst du nicht nur den übli­chen, rap-affi­nen Hörerkreis an, son­dern auch ein Publikum, das für gewöhn­lich zum Hiphop kei­nen Zugang hat.

Das ist doch super! Ein schö­nes Kompliment, fin­de ich. Wenn sich plötz­lich Leute für die Rapkultur inter­es­sie­ren, die bis­lang nichts damit am Hut hat­ten, ist das doch gross­ar­tig. Das wür­de bestä­ti­gen, dass ich mit mei­ner Musik mehr erreicht habe, als ich mir je erträumt hät­te. Ich freue mich jedes Mal über ein bunt gemisch­tes Publikum und gute Gespräche nach den Gigs.

Mit Baze, Merlo, Wurzel 5, Lo oder PVP hast du auf dei­nem Album ein paar viel­ver­spre­chen­de Featurings. Wie kam es zu die­ser Zusammenarbeit?

Merlo und Drüklang gehö­ren für mich schon seit Jahren zur «Familie». Daher war für mich klar, dass ich mit ihnen arbei­ten will. Baze, Wurzel 5 und PVP kann­te ich auch schon lan­ge. Aber bei die­sen Featurings ging es mir in erster Linie dar­um, mich auch neben gros­sen Acts als Rapper bewei­sen zu kön­nen und ihnen als Produzent mei­nen Stempel auf­zu­drücken. Der Song mit dem Ultimate-Battle-Gewinner 2008, Lo, ent­stand lan­ge, bevor die­ser das Battle gewon­nen und sich in der Schweizer Rap-Landschaft einen Namen gemacht hat­te. Ich war von Anfang an über­zeugt von sei­nen Fähigkeiten und woll­te ihn unter­stüt­zen.

Wie hast du die Zusammenarbeit mit den Jungs erlebt?

Grundsätzlich gut. Es war jedoch manch­mal auch etwas chao­tisch. Tja, das gehört wohl dazu.

Ein inspi­rie­ren­des Chaos, scheint es. Das Resultat lässt sich hören.

Danke. Sehr inspi­rie­rend sogar (lacht). Es macht Spass zu sehen, wie ande­re an die Sache her­an­ge­hen und wie schnell ein fal­scher Eindruck von einem Menschen ent­ste­hen kann. Die Rapper, die ich zuerst als chao­tisch ein­ge­stuft hat­te, waren am Ende am besten vor­be­rei­tet. Andersrum bei denen, die ich als zuver­läs­sig ein­ge­stuft hat­te: Sie waren die gröss­ten Chaoten. Aber alles in allem war die Zusammenarbeit frucht­bar und sehr ange­nehm.

Die Publikation der CD hat für Wirbel gesorgt in der Berner Hiphop-Szene. Es scheint, als hät­te die Fangemeinde sehn­lichst dar­auf gewar­tet?

Das kann ich nicht beur­tei­len. Ich habe nie dar­auf geschaut, ob eine Veröffentlichung mei­ner­seits für Wirbel sorgt. Gehofft habe ich es natür­lich trotz­dem ein wenig. Man ver­öf­fent­licht schliess­lich kei­ne CD mit dem Gedanken, dass sie unter­ge­hen könn­te. Sollte dem so sein, dass man in Bern auf die CD gewar­tet hat, freut mich das natür­lich sehr.

Wo stehst du im Schweizerischen Rap-Kontext?

Keine Ahnung. Einerseits bin sich schon ewig dabei, ande­rer­seits habe ich nie gross auf die Szene gesetzt. Ich den­ke, dass es am Ende kei­ne Rolle spielt, wel­che Position ich in der Schweizer Rap-Landschaft bele­ge. Vielmehr ist es mir wich­tig, mit tra­di­tio­nel­lem Rap aus dem Rahmen zu fal­len. Ich habe mei­ne musi­ka­li­schen Wurzeln im Rap der 1990er-Jahre und dazu ste­he ich. Erstaunlich ist, dass es anschei­nend vie­le Leute gibt, die sich nach sol­cher Musik gesehnt haben, da zur­zeit vie­le Sachen sehr ähn­lich und weit ent­fernt klin­gen. Dies woll­te ich unbe­dingt nut­zen. Ausserdem woll­te ich den jun­gen Künstlern zei­gen, dass man nicht das tun muss, was ande­re tun. Es ist viel erfül­len­der, wenn man sich so gibt, wie man tat­säch­lich ist.

In einem Radiointerview kürz­lich wur­dest du – eher scherz­haft – als den Dr. Dre der Schweiz bezeich­net. Was hältst du von die­sem Vergleich?

Einfach schreck­lich und an den Haaren her­bei­ge­zo­gen. Dieser Vergleich ist nicht nur absurd, son­dern grenzt schon an Anmassung. Ich bin Lichtjahre von einem Dr. Dre ent­fernt. Ich sehe mich als klei­nen Beatbastler und Rapper aus der Schweiz, der sein Ding durch­zieht und sich freut, wenn sich ande­re dar­über freu­en.

Dein letz­tes Werk ist vor fünf Jahren erschie­nen. Wie hast du dich seit­her ver­än­dert?

Es ist schwie­rig für mich, die rich­ti­gen Worte dafür zu fin­den. Ich den­ke, dass die Person, wel­che sich ver­än­dert, immer eine ande­re Sichtweise auf das Gesamtbild hat, als jene Person, die die Veränderung von aus­sen erlebt. Gefühlsmässig habe ich ange­fan­gen, mich auf das Wesentliche, auf das Leben zu kon­zen­trie­ren. Das klingt jetzt ein biss­chen selbst­herr­lich, wenn man bedenkt, dass ich immer noch Songs habe, in denen ich mich über die «kras­sen Typen» lustig mache. Ich den­ke, am Ende des Tages bin ich ein­fach nur etwas älter gewor­den und habe gelernt, dass das Leben mehr zu bie­ten hat als ich es gedacht hät­te.

Was denn, zum Beispiel?

Zufällige Begegnungen mit Menschen, denen man nor­ma­ler­wei­se nicht begeg­net. Gutes Essen, wah­re Freundschaft, die auch in schwe­ren Zeiten hält. Schönes oder auch schlech­tes Wetter – was auch immer das heis­sen soll. Die Akzeptanz gegen­über Dingen, die man nicht ändern kann. Die Freude an den klei­nen Dingen des Lebens. Es gibt so vie­les, was mir jeden Tag begeg­net, und lei­der immer noch zu vie­le Dinge, die ich nicht zu schät­zen weiss. Tja, ich bin sehr jung, gera­de mal 29. Ich habe noch viel zu ler­nen.

Schon bald bricht eine neue Dekade in dei­nem Leben an. Was wird sie dir brin­gen?

An Projekten man­gelt es mir nicht. Ob deren Resultate jemals das Licht der Welt erblicken, weiss ich nicht. Klar ist, dass ich mit Miles Flint, einem befreun­de­ten Produzenten, stets an einem Instrumental-Album arbei­te. Daneben tüft­le ich an neu­en Songs für mein näch­stes, noch namen­lo­ses Album. Wann die­ses erschei­nen wird, kann ich im Augenblick nicht sagen. Ich wer­de von mir hören las­sen.

Info: www.webba.ch

Foto: zVg.
ensuite, April 2009

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