- ensuite | kulturagenda | enBlog - https://ensuite.we-are.gmbh -

Guten Morgen Bern!

Von Stephan Fuchs - Das Berner Radio RaBe fei­ert zehn Jahre Ätherkultur. Grund genug, das Bestehen, die MacherInnen und die Idee zum ein­zi­gen Freien Radio von Bern zu fei­ern. Stadtweit. RaBe ist ein nicht weg­zu­den­ken­des Stück Berner‑, wenn nicht gar Schweizer Radiogeschichte. Für das kul­tur­ma­ga­zin ensuite und Stephan Fuchs Anlass, mit dem Mitinitiator, Anwalt und Radiomacher Dr. Willi Egloff Kaffee zu trin­ken.

 Herr Willi Egloff, Bern fei­ert 10 Jahre RaBe. Herzliche Gratulation. Aber braucht es in Bern über­haupt ein Radio RaBe?

Auf jeden Fall. Radio RaBe braucht es. Erstens weil wir grös­se­re Bevölkerungssegmente haben, die in den Medien über­haupt nicht zu Wort kom­men. Zweitens braucht es Radio RaBe, weil es das ein­zi­ge wirk­lich zwei­sei­ti­ge Radio ist. Ein Radio, das kei­ne kla­re Trennung zwi­schen Macher und Publikum kennt, son­dern wo sich jeder und jede aktiv an der Gestaltung die­ses Mediums betei­li­gen kann. Schliesslich braucht es Radio RaBe auch, weil gros­se Kulturbereiche in ande­ren Radios schlicht aus­ge­blen­det blei­ben.

 Sie sagen Radio RaBe braucht es. RaBe ist aber auch ein Freies Radio, es ist Bestand von AMARC, der World Association of Community Radio Broadcasters. Ein lin­kes Oppositionsradio in einer links regier­ten Stadt? Das ver­steh ich nicht.

Das ist durch­aus rich­tig. RaBe ist in dem Sinne oppo­si­tio­nell oder ergän­zend, dass es sich pri­mär dem wid­met, was in den ande­ren Radios nicht statt­fin­det, aber eigent­lich genau so berech­tigt ist. Wenn Sie sich die musi­ka­li­sche Programmierung von DRS 1, 2 oder 3 anschau­en, dann gibt es da klar Bereiche, die nicht berück­sich­tigt wer­den. Zum Beispiel im Hip-Hop oder in der expe­ri­men­tel­len Musik. Sicher, bei Radio DRS ist die Musikauswahl viel brei­ter als bei den Berner Radios BE1 und CapitalFM, wie das jetzt offen­bar heisst. Es gibt dane­ben aber noch eine sehr brei­te Palette rele­van­ter Musik… und die spielt Radio RaBe.

 Es geht ja aber nicht nur um Musik, son­dern auch um Inhalt…

…natür­lich geht es auch um Inhalt. Inhalt, der in der rela­tiv ein­för­mi­gen Schweizer Presselandschaft auch prak­tisch nicht ver­tre­ten ist. Alternative Informationen.

 Und wie darf ich das ver­ste­hen?

Man darf poli­ti­sche Information nicht an der par­la­men­ta­ri­schen Politik fest­ma­chen, denn jene reprä­sen­tiert ja auch nur einen Teil unse­rer Bevölkerung. In der Stadt Bern leben 19% der Einwohnerinnen und Einwohner ohne Schweizer Pass. Ihre Anliegen fin­den in der Politik schlicht nicht statt, denn sie ver­spre­chen kei­nen Wahlstimmen-Anteil. Bei Radio RaBe bekom­men sie eine eige­ne Stimme und wer­den akzep­tiert. Es gibt auch grös­se­re Segmente der Bevölkerung, die sich an der par­la­men­ta­ri­schen Politik nicht betei­li­gen, obwohl sie das Stimmrecht hät­ten. Auch sie und das sind nicht nur Junge fin­den über RaBe Gehör. Man kann eben durch­aus in rot-grü­ner Opposition zur RGM-Politik ste­hen, das ist eine gesun­de Opposition.

 Verstehen sie RaBe auch als Instrument, die Pressefreiheit auf­recht zu erhal­ten?

Es ist schon auf­fal­lend, dass RaBe von den Berner Zeitungen seit Anbeginn tot­ge­schwie­gen wird. Die ein­zi­ge Nachricht über uns in den Berner Tageszeitungen war, dass Radio RaBe dem­nächst ster­ben wer­de. Das wur­de vor zehn und dann vor neun Jahren geschrie­ben und noch eini­ge Male wie­der­holt, bis auch das nie­mand mehr glaub­te. Seither war RaBe in den Berner Medien nicht mehr prä­sent. Der «Bund» hat wenig­stens unse­re Programme abge­druckt, die «Berner Zeitung» konn­ten wir nur mit mas­si­vem Druck dazu brin­gen, dass sie auf der Radioseite auch unser Programm abdruck­te. Wir muss­ten ihr eine Kartellklage andro­hen, weil sie ihr eige­nes Radio Extra Bern mit der Nichterwähnung unse­res Senders pri­vi­le­giert haben.

 Das ist star­ker Tobak.

Richtig.

 Ist denn RaBe über­haupt eine Konkurrenz gegen­über den Flachlandradios der Stadt Bern?

Ja und nein. Die ande­ren Stationen in der Stadt Bern sind als Begleitradios kon­zi­piert, wir nicht.

 Was heisst das?

Das heisst: Sie fah­ren Auto oder arbei­ten im Büro und hin­ten dran plät­schert das Radio. RaBe hin­ge­gen ist ein «Einschalt Radio». HörerInnen schal­ten bewusst RaBe ein, weil sie aktiv Musik hören möch­ten oder eine Sendung mit­ver­fol­gen wol­len, die sie inter­es­siert. Wir kon­zi­pie­ren aber einen Teil des Programms auch als Begleitradio. Dort wird RaBe zu einer ernst­zu­neh­men­den Konkurrenz.

 Wie ver­hält sich der Marktanteil?

Das ist eine schwie­ri­ge Diskussion und es ist dabei, zu defi­nie­ren, was Marktanteil heisst. Wir haben eine sehr gros­se maxi­ma­le Reichweite. Das heisst, es gibt sehr vie­le Leute, die im Verlauf eines Monats Radio RaBe ein­schal­ten. Das sind mehr Menschen als zum Beispiel beim ehe­ma­li­gen Radio Extra Bern. Wenn man aller­dings von Marktanteil spricht, dann spricht man in der Regel von der Tagesreichweite und dabei lie­gen wir im Schnitt zurück, da unser Radio eben nicht unbe­dingt ein Begleitradio ist.

 Sie sind Mitinitiator von RaBe, Sie machen sel­ber auch aktiv eine Sendung, Sie kom­men­tie­ren dabei poli­tisch aktu­el­le Themen und illu­strie­ren sie mit klas­si­scher Musik. Das ist ein auf­wen­di­ges und teu­res Hobby.

Ja, das ist ein teu­res Hobby. Radio RaBe ist für mich eben etwas, das ich nicht aus kom­mer­zi­el­len Überlegungen mache. Wenn ich da eine Sendung pro­du­zie­re, dann ist das nicht nur sehr viel Arbeit, son­dern ich muss dafür auch noch bezah­len. Radio machen und unter­hal­ten ist eine teu­re Sache, da haben Sie Recht. Obwohl vie­le Leute ehren­amt­lich mit­ma­chen und das Radio mit­ge­stal­ten, ent­ste­hen enor­me Kosten, vor allem in der Infrastruktur. Wir wer­den vom BAKOM sub­ven­tio­niert, der Rest wird fast aus­schliess­lich von den rund 500 Mitgliedern getra­gen.

 Wie drückt sich das in Finanzzahlen aus?

Das Radio kostet jähr­lich eine hal­be Million Franken. Dabei wird rund die Hälfte für rei­ne Technikkosten, für Übermittlungskosten und ande­re Fixkosten auf­ge­wen­det. Das sind aus­schliess­lich Kosten, über­haupt sen­den zu kön­nen. Da gibt es kei­ne Sparmöglichkeiten.

 Das ist nach Abzug der BAKOM Subvention wohl ein recht gros­ser Batzen, der von den Mitgliedern getra­gen wer­den muss. Ist Radio RaBe die Geschichte des Robin Hood?

Vielleicht ja. Radio RaBe ist etwas wich­ti­ges, das man nicht aus kom­mer­zi­el­len Überlegungen macht. Es gibt in der Schweiz aber vie­le Menschen, die Geld für Freizeitaktivitäten aus­ge­ben, die einem grös­se­ren Interesse und der Öffentlichkeit die­nen. Zum Glück! Also inso­fern ist das Engagement für Radio RaBe nicht eine Ausnahmeerscheinung.

 Ist RaBe fähig, tech­nisch und kon­zep­tio­nell eine Entwicklung durch­zu­ma­chen?

Ja natür­lich. Vor zehn Jahren war Radiomachen bei uns ganz anders. Damals lief alles über Freiwilligenarbeit. Heute gibt es eine per­so­nel­le Infrastruktur. MitarbeiterInnen, die ein Minimum an Lohn garan­tiert bekom­men und die sicher­stel­len, dass der Betrieb funk­tio­niert. Dann sicher auch die Sendetechnik, die sehr viel raf­fi­nier­ter gewor­den ist und dafür sorgt, dass Ausfälle fast nicht mehr vor­kom­men kön­nen. Das ist für die MacherInnen, aber auch für die HörerInnen eine wich­ti­ge Sicherheit. Wir sind heu­te auch viel bes­ser in der Lage, Direktübertragungen zu rea­li­sie­ren, wir kön­nen raus zu den Menschen – ein wich­ti­ger Schritt. Wir haben aus unse­ren Erfahrungen viel gelernt und die Programmstruktur hat sich wei­ter­ent­wickelt.

 Inwiefern?

Insofern, dass wir das Programm bes­ser und kom­pak­ter glie­dern. Die Rockliebhaberin soll wis­sen, an wel­chem Tag sie das zu hören bekommt, was ihr am lieb­sten ist. Ebenso die Informationsund die fremd­spra­chi­gen Sendungen. Das ist ein wich­ti­ger Schritt hin zum akti­ven Hören.

 Sie haben eben die Fremdsprachen ange­spro­chen, auf die Sie im Radio gros­sen Wert legen. Da kom­men mir schon Gedanken, die auch ein Freies Radio an die Grenzen brin­gen kann.

Wie mei­nen Sie das?

 Ich den­ke das könn­te bis­wei­len ja recht kom­pli­ziert wer­den, wenn sich zwei Menschen aus einer Kriegsregion begeg­nen… Noch mar­kan­ter die Vorstellung, wenn jemand zum Terror auf­ru­fen soll­te. Kommen Sie da nicht in einen Clinch mit der Freiheit?

Die Frage stellt sich und hat sich auch schon gestellt. Übrigens stellt sich die­se Frage auch bei RadiomacherInnen mit Schweizer Pass. In jedem Medium. Es ist natür­lich beson­ders aktu­ell, wenn wir Radiomacherinnen und Radiomacher aus Krisengebieten haben. Wir muss­ten schon wäh­rend des Kosovokrieges ser­bi­sche und alba­ni­sche RadiomacherInnen anein­an­der vor­bei schleu­sen. Trotzdem – oder erst recht ‑geben wir ihnen eine Stimme. Sie woh­nen bei uns, sie haben etwas zu sagen. Wir wol­len zur Kommunikation zwi­schen die­sen ver­schie­de­nen Bevölkerungsgruppen, zur sozia­len Integration bei­tra­gen. Die Sendungen dre­hen sich daher in der Regel, auch die fremd­spra­chi­gen, um Belange der Region Bern oder Stadt Bern. Dass jemand zum Terror auf­ruft, das hal­te ich nicht für mög­lich.

Was macht Sie da so sicher? Kein Berner ver­steht die­se Sprachen…

Wir schon. In uns­rer Programmkommission sit­zen Leute, die die­se Sprachen ver­ste­hen. Wenn das nicht der Fall ist, zie­hen wir Leute mit den ent­spre­chen­den Sprachkenntnissen bei. Wir wis­sen was im Programm ist. Das ist nicht eine «Gesinnungskontrolle», son­dern eine Qualitätskontrolle, wie sie in jedem Radio betrie­ben wird. Wir haben schliess­lich eine redak­tio­nel­le und eine recht­li­che Verantwortung.

Sehen Sie RaBe über­haupt als ein poli­ti­sches Sprachrohr?

Nein, nicht unbe­dingt. Selbstverständlich wur­de das Radio als lin­kes Radio kon­zi­piert, dabei geht es aber mehr um gesell­schafts­po­li­ti­sche und kul­tur­po­li­ti­sche Aspekte als um par­la­men­ta­ri­sche Fragen. Es geht um Information, aber vor allem auch um Musik, um Kultur und Kulturaustausch.

RaBe hat sich in den zehn Jahren gewan­delt. Auch per­so­nell. Haben sie ein Problem mit den Generationenwechseln?

Nein, im Gegenteil, das ist ein Aufsteller. Das zeigt, dass die Idee trag­fä­hig und nach­hal­tig ist.

Herr Doktor Egloff, ich bedan­ke mich für das anre­gen­de Gespräch und wün­sche Ihnen und den MacherInnen von Radio RaBe wei­ter­hin gute und span­nen­de Radiosendungen.  

www.rabe.ch

Der Artikel erschien unter dem Titel: «Guten Morgen Bern – RaBe strahlt»

Bild: zVg.
ensuite, März 2006