Grausam ist der Mensch – kalt ist die Welt

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By Dave Schneider

Der Lockvogel ist Hugh Jackman. Der Hollywood-Beau ist bekannt für sei­ne meist glatt­ge­bü­gel­ten Mainstream-Filme. Das Versprechen, zuse­hen zu dür­fen, wie er in einem har­ten Drama sei­ne Schauspielkünste aus­packt, ist wahr­lich eine Verlockung für Kinogänger. Dazu kommt Jake Gyllenhaal, der mit sei­ner lin­ki­schen Art bereits so eini­gen Filmen zu finan­zi­el­lem und künst­le­ri­schen Erfolg ver­hol­fen hat. Neugierig steckt der Zuschauer also sei­ne Nase in den Film – und prompt wird sie ihm abge­schnit­ten.

Prisoners beginnt mit einem Thanksgiving-Fest, das zwei Familien in nass­kalt-länd­li­chem Kleinstadtambiente gemein­sam fei­ern. Als plötz­lich die zwei klei­nen Töchter der Familien ver­schwin­den ist die Panik gross. Ein Wohnwagen wur­de in der Nähe gese­hen und der zu Hilfe geru­fe­ne Polizist (Jake Gyllenhaal) stellt den Fahrer: einen gei­stig zurück­ge­blie­be­nen jun­gen Mann, den man aus Mangel an Beweisen schon bald wie­der lau­fen las­sen muss. Einer der Familienväter (Hugh Jackman), defi­niert sich über die ver­meint­li­che Fähigkeit, sein Schicksal jeder Katastrophe zum Trotz selbst in die Hand zu neh­men. Er glaubt an die Schuld des Verdächtigen und ent­führt dar­um den jun­gen Mann, um durch Folter her­aus­zu­fin­den, wo die Mädchen stecken. Derweil müht sich der Polizist mit ordent­li­chen Ermittlungen ab.

Kein Pardon

So weit, so déjà vu. Die schau­spie­le­ri­sche Leistung der Hauptdarsteller ist her­vor­ra­gend, auch wenn sie gele­gent­lich die Grenze zum over­ac­ting über­schrei­ten. Die Inszenierung von Regisseur Denis Villeneuve ist dicht, stim­mungs­voll und span­nungs­reich. Doch wirk­lich bril­lie­ren kann der bis­her unbe­kann­te Drehbuchschreiber Aaron Guzikowski: die Welt (sehr reg­ne­risch und knapp über dem Gefrierpunkt), in der sei­ne Figuren hof­fen, lei­den und quä­len, kennt kein Pardon. Immer wie­der hört man, wie der ver­zwei­fel­te Vater Gott ver­geb­lich um Hilfe und Erbarmen anfleht. Auch Medikamente oder Zwischenmenschlichkeit kön­nen die macht­lo­se Trauer und Wut der Familien nicht lin­dern. Nur die Tat, die pro­ak­ti­ve Grausamkeit, scheint emo­tio­na­le Abhilfe zu schaf­fen und führt doch nur wei­ter ins Verderben. Gyllenhaals Polizist, der auf den bedeu­tungs­vol­len Namen Detective Loki hört, stürzt sich zwar manisch auf den Fall, aber auch jeder sei­ner Schritte führt ihn immer tie­fer in den Abgrund mensch­li­cher Grausamkeit. Immer ver­zwei­fel­ter wer­den die Figuren – indif­fe­rent und unwirt­lich bleibt die Welt, die sie umgibt.

Für den Zuschauer kennt Prisoners kaum Pardon. Es ist hart in die­se Welt zu blicken. Während im Kinosaal immer wie­der ein gequäl­tes Aufstöhnen zu hören ist, sitzt der Kinokonsument nun in den Resten der eige­nen Neugier. Die emo­tio­na­le Wucht des span­nen­den Thrillers ver­schluckt die berühm­ten Schauspieler eben­so wie die alt­be­kann­te Ausgangslage. Diese zwei­ein­halb Stunden Erbarmungslosigkeit wer­den ein emp­find­sa­mes Gemüt zer­rüt­ten. Doch für Hartgesottene lohnt sich die Rosskur: Wer Nerven für heis­se Grausamkeit und kal­te Härte hat, erfährt bei­na­he kaf­ka­es­ke Katharsis. Selten ist Hollywood so rigo­ros und unver­blümt hoff­nungs­los.

: http://www.kulturkritik.ch/2013/prisoners/

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