Gerade her­aus und um hun­dert Ecken: King Pepe

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Von Ruth Kofmel – King Pepe – ich weiss nicht recht. Ich weiss nicht, war­um ich den eigent­lich der­mas­sen gut fin­de.

Er kann wirk­lich nicht beson­de­res gut sin­gen. Er spielt ein paar Instrumente, aber auch gera­de mal so. Er schreibt genia­le Liedtexte, aber die darf man nicht so geni­al fin­den, weil es ihm lie­ber wäre, man wür­de die Musik als Ganzes hören und gar nicht so sehr auf die Texte ach­ten. Er schreibt Songs, die musi­ka­lisch alles haben, was es braucht. Nur. Diese «Tierpark»-CD ist ein klei­ner Höllenritt durch Stile, Instrumentierungen, Stimmungen und so wei­ter. Ich bin am Anfang der CD und gera­de noch damit beschäf­tigt, mich über den Grös-sen­wahn des King Pepe zu amü­sie­ren: Aha! Lustig; ver­spiel­te Musik und wit­zi­ge Texte, den­ke ich. Um nicht viel spä­ter im Song «Gebei» zu lan­den, der wirk­lich nur tief­sin­nig, schwer­mü­tig und musi­ka­lisch schlicht schön ist – das Grinsen ver­liert sich im Gesicht, und der lan­ge Melancholie-Blick stellt sich ein. Danach klingt es schräg-kit­schig, und spä­te­stens jetzt bin ich ver­un­si­chert: ist das jetzt eines der schö­nen, das ledig­lich etwas in die Hosen gegan­gen ist? Der Text chan­giert zwi­schen inti­mem Bekenntnis und sub­ti­ler Verarschung. So geht es wei­ter; eine regel­rech­te Berg- und Talfahrt, oder ein krass abge­dreh­tes «Rösslispüu».

Und, auch wenn er das nicht ger­ne lesen wird: Zuerst waren es die Texte, die mich mit ihren kurio­sen Wendungen und der irgend­wie ele­gan­ten Plattheit begei­ster­ten. Zum Beispiel das «Lumaudilüta». Eine Textzeile, die beim ersten Anhören abso­lut banal ist, die aber mit der ste­ti­gen Wiederholung plötz­lich end­los viel erzählt: «Lue mau di Lüt a» wird zu: «Lüt mau dene Lüt a», wird zu: Nimm mal dei­nen Blick vom Trottoir, und schau Dich um Himmels wil­len in der Welt um, und die Menschen an, und am besten rufst du die­se Menschen hier mal an, oder redest halt einen Satz mit denen. Das Tolle ist: es ist ja nun abso­lut nicht klar, dass King Pepe nur im ent­fern­te­sten einen ähn­li­chen Gedankengang hat­te beim Schreiben. Vielleicht redet er vom leicht abschät­zi­gen: Jesses, jetzt guck dir mal die­se Idioten an, denen müss­te man die Meinung mal rich­tig durch­ge­ben. Oder er sagt ein­fach: «Lue mau di Lüt a» – Punkt, aus. Und er hat natür­lich recht: die Texte wür­den ohne die Musik nie und nim­mer funk­tio­nie­ren, sie wären gar nichts­sa­gend. Nur zusam­men mit der Musik ent­ste­hen die­se Geschichten, Bilder und Stimmungen. «Tierpark» ist eine CD, die ein wenig sper­rig daher kommt, die man nicht so recht ein­zu­ord­nen weiss, die einen aber irgend­wie doch bei der Stange hält – lan­ge genug, dass das gan­ze Panoptikum sicht­bar wird. Und ja, es ist eine selt­sa­me Welt in der King Pepe lebt. Eine Welt gefüllt mit aus­ge­stopf­ten Tieren und Erinnerungen, ver­schlin­gen­den Sehnsüchten, mor­bi­den Fantasien, iro­ni­schen Seitenhieben und einem anschei­nend beträcht­li­chen Hunger nach Liebe und Körperlichkeit. Denn eigent­lich – und das habe ich mich im Interview ein­fach nicht getraut zu fra­gen – scheint mir, dass ein gros­ser Teil der Liederschreiberei von King Pepe dar­auf zielt, eine Frau zu ver­füh­ren. Und zwar nicht Frauen im all­ge­mei­nen, son­dern es ent­steht ein Bild von der Einen, der Einzigen, der Königin, und es bleibt zu hof­fen, dass die Gute schon längst die Hirschgeweih-Krone mon­tiert hat und mit ihm durch den Tierpark spa­ziert, den Kater an der Leine. So viel Eigensinn – so viel eige­ner Sinn müss­te doch Betörung genug sein. Vielleicht ist das aber auch wie­der eine der zu weit gehen­den Interpretationen, zu denen die King Pepe Texte gera­de­zu her­aus­for­dern. Vielleicht kommt die­ses Bild nur, weil mein Frauengehirn nicht anders kann – Tierpark wird aber auf jeden Fall in mei­ne Bibliothek der besten Liebeslieder auf­ge­nom­men –, und die Männer den­ken beim Hören in ganz ande­re Richtungen, davon ist selbst­ver­ständ­lich aus­zu­ge­hen. King Pepes Spiegelkabinett ist also eines, in dem jeder und jede etwas ande­res sieht, respek­ti­ve hört. Und des­halb ist die King Pepe Welt nicht nur eine selt­sa­me, son­dern auch eine äus­serst welt­of­fe­ne, den Menschen zuge­wand­te, viel­sei­ti­ge, ver­söhn­li­che und leicht­füs­si­ge.

Nun ist es aber so, dass es den King Pepe eigent­lich gar nicht gibt. Er ist eine Erfindung von Simon Hari. King Pepe ist zwar viel berühm­ter als sein Erfinder, und schö­ner, mit mehr Muskeln und Grips, gleich­zei­tig ist er aber auch viel blö­der – ein bedau­erns­wer­ter Wicht, eine ver­lo­re­ne Seele im besten Fall. Nur, was haben die zwei eigent­lich mit­ein­an­der zu schaf­fen? Simon Hari weiss es selbst nicht so genau. Der ist halt da, die­ser King Pepe, er macht es durch­aus etwas ein­fa­cher, die­se Lieder der Öffentlichkeit zu prä­sen­tie­ren. Es ist auf jeden Fall immer ein (manch­mal zwar nur klit­ze­klei­nes) Stück Simon Hari in die­sem King Pepe. Starke Texte in Mundart sind eine rare Angelegenheit, und bis King Pepe kam fehl­te es dem moder­nen schwei­zer­deut­schen Liedgut weit­ge­hend an Direktheit. Ich weiss jetzt auch haar­ge­nau, was mir so gefällt an Pepes «Tierpark»: es ist die­se wun­der­ba­re Vermählung von direkt und indi­rekt. Simon Haris Lieder sind immer um meh­re­re Ecken gedacht, das lässt sie so viel­schich­tig wer­den, so offen für Interpretationen. Sie beschäf­ti­gen sich mit den gros­sen Themen, dem Tod, der Liebe, dem Hass, der Sehnsucht zum Beispiel. Diese Themen sind aber immer gut ver­klei­det, schim­mern höch­stens zart durch, sie wer­den nie defi­ni­tiv abge­han­delt son­dern als Ideenanstoss in den Raum gestellt. Direkt hin­ge­gen ist die Sprache: Einfach und gera­de her­aus, ohne Schnörkel, ohne drum rum Gerede nennt er die Dinge beim Namen. Eine so kom­ple­xe Gedankenwelt, einen so queck­sil­ber­nen Geist in die­se simp­le, lusti­ge und lust­vol­le Form zu brin­gen ist beein­druckend, ist vor allem der­mas­sen gut!

Foto: zVg.
ensuite, März 2011

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