- ensuite | kulturagenda | enBlog - https://ensuite.we-are.gmbh -

Georg Kreisler Jubiläum und Max Frischs Antisemitismus

Von Dr. Regula Stämpfli - Georg Kreisler, der am 18. Juli 2022 hun­dert Jahre alt gewor­den wäre, hat­te Frisch schon längst im anti­se­mi­ti­schen Radar.

Leider ken­nen – außer­halb von Wien und München – viel zu wenig Menschen  den gro­ßen Georg Kreisler, des­halb unbe­dingt an alle: Besorgt Euch sei­ne Platten, lest sei­ne Bücher, lacht mit ihm auf YouTube. Dort gibt es fan­ta­sti­sche Aufnahmen des unter­ir­disch komi­schen «Taubenvergiften im Park». Oder den Song gegen Franz-Josef Strauss: «Suchen Sie Beistand, dann habe ich ein Nacktbild von Goebbels für Sie./Suchen Sie Hoffnung, dasnn habe ich den Stadtplan von Stettin.» Die Deutschen mögen ihn immer noch nicht wirk­lich, den Kreisler mei­ne ich, und die Juden eh nicht, wie die documenta15 in bit­ter­ster Weise doku­men­tier­te, bevor Leute wie ich die­se als das ent­larv­ten, was sie von Beginn weg war: Voller Hass und ureu­ro­päi­schen Antisemitismus in post­ko­lo­nia­lem Kostüm, «plus ça chan­ge, plus c’est la même cho­se».

Georg Kreisler wur­de als 15jähriger aus Wien gejagt, mit gro­ßen J im Pass, erfun­den von den Schweizern übri­gens, und er ent­kam nur dank sei­nen Eltern, die in die USA flo­hen. In Amerika kom­po­nier­te Kreisler sei­ne ersten Lieder: «Chaplin singt ihm Melodien vor, Kreisler schreibt die zuge­hö­ri­gen Noten, reicht sie an Hanns Eisler wei­ter, der dar­aus Filmmusik macht» (SZ, 18. Juli 2022). Bei den Nürnberger Prozessen amtiert er als Übersetzer, um sich dann als Künstler wie­der in Europa nie­der­zu­las­sen.

Zitat: «Du darfst rau­ben oder steh­len, blin­de Hunde quä­len, Du wirst sehn, die Polizei bleibt ziem­lich lax, auch beim Erpressen, beim Plündern wird sie Dich nicht hin­dern, aber sag nie etwas Schlechtes über MAX.»

 

Der Skandal war dann per­fekt:  «Wir sit­zen zusamm‘ in der Laube und a jeder ver­gif­tet a Taube.» Das Lied war eine unter­ir­disch gute Satire auf die g’fräsigen Wiener, die­se selbst­zu­frie­de­nen ersten «Hitleropfer», die süs­sen, die lusti­gen, mit «Praterveilchen im Knopfloch»: Ein jeder der net­ten Bürger, so das Lied, hat­te in Wahrheit Mord- und Todeslust im Herzen. Kreisler wur­de für den Song enorm gehasst – was immer noch «bes­ser war als ermor­det zu wer­den», wie er dies iro­nisch anfüg­te. «Taubenvergiften im Park», in volks­fest­lich mun­te­ren Walzertönen gehal­ten, wur­de am Rundfunk nicht gespielt und Kreisler zog dann wie­der mal um: Nach München und dann nach Basel. Jeweils dort ange­kom­men, ver­schon­te er sei­nen neu­en Wohnort nicht: die mör­de­ri­schen Schatten war­ten schliess­lich dar­auf, ins Licht zu tre­ten, besun­gen zu wer­den mit dem Ziel, end­lich die Menschen auf­zu­klä­ren.

1958 beauf­trag­ten die bür­ger­li­chen Münchner Kammerspiele Georg Kreiser, eine Parodie zu ver­fas­sen. Doch «Sodom und Andorra» pass­te den Linken, den Intellektuellen ganz und gar nicht. «Die Zeit» – aus­ge­rech­net – war 1963 empört über den «Antisemitismus als Jux». Dabei ent­larv­te Georg Kreisler  Max Frischs «Andorra» nur als das, was das Stück war: Typischer Antisemitismus bünz­li­ger Intellektueller. Die Empörung war so gross, dass Kreisler sofort reagier­te mit: «Sage nie etwas Schlechtes über Max».

Im St. Galler Tagblatt vom 18.7.1998 schrieb – ach, was waren das für tol­le Medienzeiten – der «Liedermacher zum Fürchten» über die Schweiz: «Lieber schlech­te Gesellschaft als bra­ve Untertanen.» Das Multitalent Kreisler schrieb Opern, Kabarett, Chansons, Bücher, Fernsehsendungen und er leb­te jedes Jahrzehnt in einer ande­ren Stadt – ein Seelenverwandter und Feminist. «Gottgläubig», ja das, sei er wohl, mei­ne er ein­mal, obwohl er die Religion «für eine mensch­li­che Erfindung» hält. Aber schliess­lich, könn­te es ja auch heis­sen. «Er kann auch eine Sie sein.» (SZ 23.11.2022)

2011 starb der gros­se Georg Kreisler – mit 89 Jahren schaff­te er es, ein paar Nazis zu über­le­ben, yeah! Die umwer­fen­de Trauerrede hielt in Salzburg die gigan­ti­sche Literatin Eva Menasse.

Sodom und Andorra : Eine Parodie von Georg Kreisler:

 

«Max» von Georg Kreisler auf https://www.youtube.com/watch?v=a72J5GR_XQo

GeorgKreislerInfo sie­he https://www.georgkreisler.info/

laStaempfli demon­tiert Max Frisch und ent­larvt des­sen Antisemitismus und Sexismus in https://ensuite.we-are.gmbh/wordpress/wer-sehgewohnheiten-veraendert-durchbricht-die-blindspirale-gynae-faber-ein-kurzbericht/

[Kasten:]
Homo Faber von Max Frisch wur­de hier schon früh als manie­ri­sti­sches, anbie­dern­des, erbaungs­lo­ses, gemüts­lo­ses, in Teilen höchst sexi­sti­sches und anti­se­mi­ti­sches Werk gewür­digt (sie­he Link) Nun ist Andorra dran und ein weit Größerer als ich, wuss­te schon längst, was Sache ist. Hier die Hintergründe:

«Andorra» – wir erin­nern uns, pro­pa­giert vor­der­grün­dig Toleranz gegen­über dem «Anderen». Andri wird von sei­nem Pflegevater als Jude aus­ge­ge­ben und begeg­net im Ort zahl­rei­chen Vorurteilen. Frisch macht den Judenmord, wie es die Linken frü­her ger­ne taten bevor sie den Judenmord zum «white crime» erklär­ten, zum Problem der gesam­ten Menschheit und excul­pa­bi­li­sier­ten sich damit grad sel­ber. Georg Kreisler ver­ab­scheu­te die­sen vor­der­grün­di­gen Philosemitismus, der in Tat und Wahrheit den eige­nen Antisemitismus sowie die eige­ne Schuld über­zuckern soll­te. Max Frisch gibt vor, Vorurteile zu dekon­stru­ie­ren, macht dies mit einer Affirmation übel­ster anti­se­mi­ti­scher Karikatur, so dass im Stück und beim Lesen Gefühle wie «die Juden haben also den Antisemitismus gemacht» auf­kom­men – lei­der immer noch Schullektüre.