Gegen die Stille (rund um die) Wahl eines der wich­tig­sten Posten in der Kulturstadt Bern

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Von Alexandre Schmidt  (ehe­ma­li­ger Gemeinderat der Stadt Bern) – Bern sucht eine neue Intendanz fürs Stadttheater. Gespannt war­ten wir auf den Ausgang des Wahlprozederes, das bis­lang erst hin­ter ver­schlos­se­nen Türen statt­ge­fun­den hat. Dabei müss­te die­se Besetzung zum öffent­li­chen Nachdenken ani­mie­ren. Die dafür ein­ge­setz­te Findungskommission müss­te ihre Prioritäten offen­le­gen und gespann­te Vorfreude könn­te sich ein­stel­len. Denn es geht um eine Schlüsselstelle für die Berner Kultur mit einer Strahlkraft weit über die Sandsteinmauern des Theaters hin­aus. Bei einer Veranstaltung pro Tag, dem gröss­ten Kulturbudget im Kanton und 125 000 Zuschauern im Jahr hat die Besetzung Impulse zu set­zen und Bewegungen in Gang zu brin­gen. Vor der Wahl des neu­en Intendanten oder der neu­en Intendantin wäre her­aus­zu­schä­len, wel­che Vision und Ideen die ein­zel­nen Kandidaten mit­brin­gen und ob sie über die ent­spre­chen­de Durchsetzungskraft ver­fü­gen, um ihre Kreativität auch umzu­set­zen. Ob dies so statt­fin­det? Das weiss nie­mand, weil kaum dar­über gere­det wird.

Die Findungskommission wird über die Schwerpunkte, die ihrer Wahl zugrun­de liegt, Rechenschaft able­gen müs­sen; also nicht nur wen sie wählt, son­dern nach wel­chen Erwartungen und Zielen sie aus­wählt. Solches pas­siert nicht im stil­len Kämmerlein. Eine Vielzahl von Ideen gehört auf den Tisch und mit der Kandidatenschar bespro­chen. Klar ste­hen das künst­le­ri­sche Programm und die Entwicklung der ein­zel­nen Sparten im Fokus. Darüber hin­aus geht es aber auch um die Positionierung des Hauses. Nationaler Champion oder doch das Unwort des Provinztheaters? Die Wahl der Intendanz wird auf­zei­gen, ob das KTB sich nach oben aus­rich­tet und mit Zürich und Genf riva­li­sie­ren soll oder ob es genügt, einen Abstand zu klei­ne­ren Bühnen zu ver­wal­ten. Wir dür­fen nicht ver­ges­sen, Konzert Theater Bern hat sich als Brand noch nicht genug durch­ge­setzt. Einerseits hat der Volksmund das Stadttheater nicht ver­ges­sen. Anderseits waren Geschichten und Skandale dem Ruf abträg­lich.

Nach Kino und Fernsehen buh­len neben vie­len ande­ren Bühnen nun auch neue Medien um Aufmerksamkeit. Die Beschäftigungsmöglichkeiten in der Freizeit wach­sen ste­tig. Darum reicht es bei Weitem nicht, anspruchs­vol­le Stücke für eine Elite zu pro­gram­mie­ren. Als Kontrapunkt zur Globalisierung und zur Verfügbarkeit von allem könn­te das KTB auch auf das Lokale set­zen und eine Reihe mit Berner Autoren ein­füh­ren. Jedes Jahr zumin­dest ein­mal Dürrenmatt, Gotthelf oder weni­ger bekann­te hie­si­ge Theaterautoren der neu­en Generation – damit wür­de das KTB eine eige­ne Note set­zen. Und was ist mit dem Rahmenprogramm eines Stücks? Das Vor- und Nachher? Wer ein­mal bereits im Frühstadium weit vor der Hauptprobe dem Treiben einer Truppe bei­gewohnt hat, ver­gisst dies nicht mehr und hat dabei gelernt, Details in einem Stück zu erken­nen und zu deu­ten. Die Auseinandersetzung mit einem Werk ver­dient mehr als heu­te eine neue Qualität an Einführungsveranstaltungen, Podien und Treffen mit den Schauspielern. Solches bie­tet Netflix nicht an. Wir ken­nen bereits das öffent­li­che und enorm erfolg­rei­che Konzert im August auf dem Bundesplatz. Dieses Konzept lies­se sich wei­ter­ent­wickeln. Am Theaterfestival in Avignon lau­fen am Spieltag die Darsteller in ihren wun­der­vol­len Kostümen durch die Altstadt, ver­tei­len Flyer und ver­kau­fen auf der Gasse Tickets an Kurzentschlossene. Das schafft Präsenz und Neugierde!

Sodann das Publikum: Die Stammgäste sind bei Laune zu hal­ten, die Förderkreise zu pfle­gen. Das ist selbst­ver­ständ­lich. Ein Intendant ohne Scheuklappen wird aber rasch bemer­ken, dass wie die Prinzessin den Frosch auch er das zu wenig abge­hol­te Publikum leicht ent­zücken könn­te. Denn Bern als Stadt mit Wurzeln in der Zweisprachigkeit hat noch immer viel fran­ko­pho­ne Einwohner und in Rufdistanz noch viel mehr Französisch spre­chen­de Nachbarn. Das Paul-Klee-Zentrum, das Kunst- und das Bernhistorische Museum ken­nen die­ses Potenzial schon längst. Auf jedem fünf­ten Theaterstuhl könn­te ein sol­cher Gast sit­zen, wenn denn Marketingmassnahmen auch auf die­se Gäste aus­ge­rich­tet wären und z. B. bei Opern auf einem der bei­den Bildschirme die Texte auf Französisch über­setzt wären, statt dass bei­de fürs Deutsche reser­viert sind. Weiter habe ich noch sel­ten den Eindruck gewon­nen, dass Touristen den Weg ins Stadttheater fin­den. Dabei kom­men die­se durch­aus wegen der Kultur nach Bern – ein­fach noch nicht so oft wegen dem KTB. Eine Analyse wür­de ich der neu­en Führung mit ins Pflichtenheft geben, weiss man doch von der idea­len Kombination von Städtetourismus und Konzertbesuch. Mittels exter­ner Expertise wür­den sicher­lich Potenzial und Ideen auf­ge­deckt. Genauso wenig, wie beim Glockenschlag am Zytglogge Kultur-Flyer an aus­län­di­sche Touristen ver­tei­len wer­den, macht Bern das Nötige für Tagestouristen. Selbst in Zürich gibt es zu wenig Werbung für die Berner Kultur. Wer kommt heu­te nach Bern extra wegen einer Aufführung? Soll dies denn nicht auch Ziel sein? Und war­um nicht in der Sommerpause die Bühne zur Verfügung stel­len, so für ein Musical-Gastspiel?

Das Privileg der Weichenstellung der Zukunft des KTB liegt bei einer Findungskommission. Wir hof­fen, dass die­se auf­ge­schlos­sen und mutig an die zukunfts­wei­sen­de Entscheidung geht. Denn eine sol­che Wahl mit so vie­len Konsequenzen gibt es nicht alle Tage. Ich wün­sche mir, dass die hof­fent­lich zahl­rei­chen Kandidatinnen und Kandidaten nicht das Bestehende beto­nen, son­dern eige­ne Konzepte ein­brin­gen, sodass die Findungskommission einen eigent­li­chen Ideenwettbewerb durch­füh­ren und dar­über berich­ten kann. Nochmals: Die Wahl der neu­en Intendanz betrifft eine der Schlüsselpositionen, die in der Stadt Bern über­haupt zu ver­ge­ben sind. Deren Besetzung soll­te bereits im Vorfeld und nicht erst im Nachhinein debat­tiert wer­den.

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