Gangsterstyle

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Von Simone Weber – Mit der auf­kom­men­den Popularität der Hip-Hop-Musik wur­de ein Modestil beliebt, der all­ge­mein unter dem Namen «Street-Fashion» bekannt ist und sei­nen Ursprung in Amerika hat. Im Zusammenhang damit ste­hen ver­schie­de­ne modi­sche Phänomene, die beson­ders von jugend­li­chen Halbstarken als wahn­sin­nig cool bewer­tet wer­den. Paradestück ist die Baggy Pant. Es wird gemun­kelt, ihren Ursprung habe sie in den Gefängnissen Amerikas. Den straf­fäl­li­gen Herren wur­den bei der Einbuchtung die Gürtel abge­nom­men, damit sie sich nicht damit erhän­gen oder jeman­den schla­gen konn­ten. Und weil den Gefangenen die Kleidung nicht auf den Leib geschnei­dert wur­de, rutsch­ten die Hosen ger­ne mal über die Pospalte. Auch nach der Entlassung tru­gen die Sträflinge ihre Hosen weit unter der Gürtellinie und min­de­stens zwei Grössen zu gross. Die beson­ders har­ten Ghettorapper über­nah­men den Style, um sich damit ein ein­schüch­tern­des Image zu schaf­fen. Heute hängt die Baggy-Hose im Extremfall – ganz nach dem Motto je tie­fer, desto coo­ler – zwi­schen den Knien. Was dar­an tat­säch­lich so cool und böse ist, kann ich Ihnen beim besten Willen nicht erklä­ren. Mich bringt der Anblick eher zum Lachen als dass er mir Angst macht.

Die Baggy Pant ist aber nicht ein­zi­ges Markenzeichen der coo­len Jungs. Sie tra­gen zu den wei­ten Hosen auch viel zu gros­se T‑Shirts. Auf die­sen wer­den stolz die Logos von Marken wie Phat Farm, Southpole, Fubu, Akademiks, Karl Kani, LRG, Ecko, Sean John und so wei­ter zur Schau gestellt. Passend zu die­sen komisch gros­sen Markenklamotten muss ein rich­ti­ger Pseudogangster einen schlur­fen­den, leicht gebeug­ten Primatengang drauf­ha­ben. Was damit ver­mit­telt wer­den soll? Man kann es nur ver­mu­ten: Ich hab’ so ein gros­ses Geschlechtsteil, dass ich mei­ne Beine lei­der nicht mehr rich­tig bewe­gen kann, und mein Hirn ist so gross und schwer, dass mein Rücken das Gewicht des Kopfes kaum tra­gen kann. Sorry Jungs, Ziel weit ver­fehlt! Ihr erin­nert in die­ser Aufmachung lei­der eher an rücken­kran­ke Windelträger.

Zum rich­ti­gen Hip-Hop-Style gehö­ren aber weit mehr als ein paar weit­ge­schnit­te­ne Markenkleider. Typisches Accessoire ist das Basecap, eine «Tächlikappe» in knal­li­ger Farbe inklu­si­ve Markenlogo. Diese wird auf kei­nen Fall rich­tig über den Kopf gezo­gen, son­dern nur locker auf­ge­setzt. Das «Tächli» wird nicht mehr wie frü­her nach hin­ten, son­dern etwas auf der Seite getra­gen. So etwa, als wäre die Kappe ein­fach vom Himmel run­ter­ge­fal­len und zufäl­li­ger­wei­se auf dem Kopf gelan­det.

Ein frag­wür­di­ges modi­sches Phänomen in Hip-Hop-Kreisen, das sich erst in den letz­ten Jahren zeig­te und von der mensch­li­chen Allgemeinheit nie ver­stan­den wur­de, ist das «Die-Hosen-in-den-Socken-Tragen». Vorbei sind die guten alten Zeiten, als die Hosen über den Boden schleif­ten. In ist, wenn die Hose drin ist! Was aber ist der Grund für die­se – Entschuldigung – Geschmacksverirrung? Die ein­zi­ge plau­si­ble Erklärung dafür: Es geht weder um die Socken noch die Hosen, son­dern um die Schuhe! Die Turnschuhe, auch Sneaker genannt, sind in Hip-Hop-Kreisen ein wich­ti­ges Statussymbol. Je bekann­ter und teu­rer die Marke, desto wich­ti­ger der Mensch, der in den Schuhen steckt. Und damit die­se von der gan­zen Welt bewun­dert wer­den kön­nen, müs­sen sie natür­lich best­mög­lich in Szene gesetzt wer­den. Wie? Genau! Man steckt die Hosen in die Socken. So kön­nen alle sehen, wel­che tol­len Schuhe die­se Jungs tra­gen. Aber ihr Lieben, eine klei­ne Bemerkung am Rande: Wir sind von den Socken, die ihr über eure Hosen stülpt, der­art abge­lenkt, dass wir gar nicht fähig sind, unse­ren Blick auf eure tol­len Schuhe zu len­ken.

So begei­stert die Hip-Hoper von ihrem Style auch sind, sie sind damit allei­ne. Die Abneigung gegen die­sen Kleidungsstil, ins­be­son­de­re gegen die Baggy Pant, geht so weit, dass bereits in meh­re­ren ame­ri­ka­ni­schen Staaten das Tragen die­ser Art von Hosen ver­bo­ten ist. Zu weit unten hän­gen sie und las­sen des­halb den Blick auf die Boxershorts frei, was als belä­sti­gend emp­fun­den wird. Es wur­de sogar ein Gesetz gegen die «unan­stän­di­ge Blosslegung von Körperteilen» ver­ab­schie­det. Bis zu 500 Dollar und Freiheitsstrafen von sechs Monaten kann das Tragen der unbe­lieb­ten Hose zur Folge haben.

Ist es nicht doch etwas über­trie­ben, ein Gesetz gegen ein bestimm­tes Kleidungsstück zu erlas­sen? Jeder soll­te tra­gen kön­nen, was er will und wie er es will. Aber hier trotz­dem noch eine Anregung von Frau zu Mann: Liebe Herren der Schöpfung, Ihr könnt euch bestimmt nicht unero­ti­scher klei­den, als wenn Ihr in die­sen über­gros­sen Klamotten durch die Gegend schlurft und euch das Basecap der­mas-sen dümm­lich auf den Kopf setzt. Von die­sem Socken-in-den-Hosen-Look ganz zu schwei­gen! Mann kann auch in klei­ne­ren T‑Shirts und etwas enger sit­zen­den Hosen – die einen schö­nen knacki­gen Arsch beto­nen, anstatt ihn absacken zu las­sen – ver­dammt cool aus­se­hen.

ensuite, November 2009

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