Fusionsgedanken

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ZPK_Rohbau_2004(Lukas Vogelsang) – Bern denkt laut über eine Fusionierung des eher tra­di­tio­nel­len Kunstmuseums Bern und des mono­gra­fi­schen, eher moder­nen Mehrspartenhauses Zentrum Paul Klee nach. Ich  ver­su­che ein­mal mit­zu­den­ken, und die poli­ti­schen Gedanken ganz unpo­li­tisch und mög­lichst insti­tu­tio­nell wert­frei aus­zu­le­gen. Gedankliche Tendenzen kann ich mir lei­der nicht erspa­ren:

In erster Linie über­rascht die Feststellung aus dem Zwischenbericht vom 26. November 2012, dass mit einer Zusammenlegung bei­der Museen kei­ne Wirtschaftlichkeit gewon­nen wer­den kann. Das  Einzige, was sich ver­bes­sern wür­de, wäre die poli­ti­sche Situation des Zentrums Paul Klee, und im besten Falle noch die orga­ni­sa­to­ri­schen Möglichkeiten. Doch spa­ren ist hier nicht mög­lich. Um Geld  geht es also nicht. Wozu soll­ten Museen dann fusio­nie­ren? Macht das Sinn?

Wenn Geld nicht das Motiv ist, dann kann ein sol­cher nur auf der admi­ni­stra­ti­ven oder künst­le­ri­schen Seite lie­gen.  Allerdings war die ursprüng­li­che Absicht eine ande­re. Oder ist es mög­lich, dass durch die Fusion ein ganz ande­res Ziel ange­strebt wird? Zum Beispiel poli­ti­scher Natur? Es ist ein­fa­cher, nur über ein «renom­mier­tes» Museum zu dis­ku­tie­ren, als über deren zwei – vor allem, wenn es sich um Zusatzkredite und all­ge­mein die finan­zi­el­le Beteiligung der Regionalgemeinden dreht.

Es liegt nahe, dass  man sich durch eine Zusammenlegung eine effi­zi­en­te­re Organisation vor­stellt, die eine neue Dynamik erzeu­gen könn­te. Man redet ger­ne von Effizienz, stellt sich vor, dass man mit zusam­men­ge­leg­ten  Marketingabteilungen, Lagerverwaltung, Administration mehr gewin­nen kann. Ich per­sön­lich stel­le immer das Gegenteil fest: Je grös­ser ein Betrieb, umso anony­mer die Mitarbeit dar­in, umso  weni­ger per­sön­li­ches Engagement fin­den wir vor. Schlussendlich lei­det eben gera­de die Effizienz dadurch – ein Problem aller Verwaltungen über­all auf der Welt. Aber auch in der Wirtschaft ken­nen  wir die­se Probleme: Je grös­ser der Betrieb, umso kom­pli­zier­ter die Strukturen, die inter­ne Kommunikation und die arbeits­tech­ni­schen Wege: Für eine simp­le Supportanfrage müs­sen Formulare  aus­ge­füllt wer­den, und selbst auf die klein­ste Abweichung von der Normalität – also, sobald Beweglichkeit in der Verwaltung gefragt ist – folgt ein Sitzungsmarathon, der Folgeprojekte im Keim  erstickt. Viele Verwaltungen schei­nen indi­rekt jeden Vorstoss unter­bin­den zu wol­len unter dem Motto: «Denken sie erst gar nicht dar­an!» Sicher, so gross wür­de der Zusammenschluss die­ser bei­den  Museen nicht. Es besteht also noch immer Hoffnung, dass man etwas gewin­nen kann. Nur was?

Für das Publikum oder die BesucherInnen wer­den es immer zwei Institutionen blei­ben. Das wird kei­ne  Fusion ändern kön­nen. In der  Lagerung von  Kunst, in der Technik und in den admi­ni­stra­ti­ven Abläufen scheint eine Fusion oder Kooperation sinn­voll zu sein – mit den oben­ge­nann­ten Bedenken.  Auch mar­ke­ting­tech­nisch macht es auf dem Reissbrett Sinn, einen Plan und nicht zwei erstel­len zu müs­sen. Nur: Illusorisch ist es des­we­gen, weil die  gesam­te Organisationsstruktur der Museen umge­krem­pelt wer­den muss. Das Marketingbudget einer Kulturinstitution ist pro­duk­ti­ons­ab­hän­gig oder  eben aus­stel­lungs­ab­hän­gig. Das Budget läuft zusam­men mit der Kunstvermittlung jedes ein­zel­nen Projektes, ist also nur mit dem jewei­li­gen Kurator und den AusstellungsmacherInnen gemein­sam zu defi­nie­ren. Ein Museum hat heu­te schon die gröss­te Mühe, die­se Budgets im Überblick zu behal­ten.  Wie man also zwei Museen par­al­lel ver­wal­ten will, müss­te man mir erst noch erklä­ren. Ich glau­be nicht, dass dies funk­tio­nie­ren kann.

Nicht zu  unter­schät­zen ist auch, dass für eine sol­che Organisation fähi­ge Führungskräfte gefor­dert sind, wel­che sich vor bei­de Betriebe span­nen las­sen und  akzep­tiert wer­den. Bern hat es bis­her ver­säumt, sel­ber adäquat qua­li­fi­zier­te Persönlichkeiten gross­zu­zie­hen. Wir wären mehr oder weni­ger ange­wie­sen  auf Hilfe von Aussen – was wie­der­um ein schwie­ri­ges Gefüge geben könn­te. Die Vermutung, dass der Zusammenschluss und damit eine grös­se­re  Museumsinstitution mehr BesucherInnen anlocken könn­te, ist gewagt. Schliesslich haben wir zwei Museen, die unter­schied­li­cher nicht sein könn­ten.  Das Kunstmuseum Bern ist stadt­zen­tral in einem ber­ni­schen Sandsteingebäude, und das Zentrum Paul Klee in einem moder­nen archi­tek­to­ni­schen Wurf von Renzo Piano am Stadtrand von Bern situ­iert. Tradition und Moderne. Künstlerische Vielfalt und mono­gra­fi­sches Haus. Sogar geo­gra­phisch  lie­gen Welten zwi­schen den Museen – und schluss­end­lich sind bei­de auch in der Funktion und Sammlungsarbeit ganz unter­schied­lich ange­legt. Warum also soll­ten jetzt mehr BesucherInnen nach Bern pil­gern, wenn die bei­den Museen unter einem Unternehmensdach ver­eint wür­den? Wer ins  Kunstmuseum will, wird auch wei­ter­hin dort hin­ge­hen – glei­ches mit dem Zentrum Paul Klee. Aber ob nur auf­grund eines gemein­sa­men  Eintrittstickets, wel­ches natür­lich auch teu­rer wäre und mit der Komplexität aller Sonderausstellungen für die BesucherInnen intrans­pa­rent wür­de, mehr Frequenz erreicht wer­den kann, scheint mir schlei­er­haft. Das wäre mög­lich, wenn die Institutionen gemein­sa­me und viel grös­se­re Ausstellungen  orga­ni­sie­ren wür­den, die in der Form ein­zig­ar­tig wären. Doch dazu brau­chen bei­de Institutionen mehr Geld. Wie zu Beginn bereits erwähnt: Um Geld  geht es aber nicht – schon gar nicht um mehr davon – in der finan­zi­el­len Schieflage, in wel­cher sich Stadt und Kanton befin­den.

Meine ersten  Gedanken zu einer Fusion waren ganz posi­tiv der Sache gegen­über. Grösse und Macht haben immer eine fas­zi­nie­ren­de Wirkung auf Politik und  Gesellschaft. Grosse Dinge sind gut – Kleines küm­mer­lich, nicht der Rede wert. Die Faszination «Masse» blen­det – auch wenn wir schon lan­ge wis­sen,  dass dies falsch ist. Laut dem Zwischenbericht gehö­ren bei­de Museen zu den füh­ren­den Schweizer Museen. Wo ist ein Mehrwert, wenn zwei Museen füh­rend sind und wir die­se zu einem redu­zie­ren? Bern ver­liert damit ein «Museen mit natio­na­ler Ausstrahlung». Sicher, wir müs­sen für zwei Museen  Subventionen bezah­len. Aber mal ehr­lich: Das ist eine Verwaltungstätigkeit, die wir ein­fach ein­ge­hen müs­sen. Wir könn­ten uns aller­dings dafür  ein­set­zen, dass bei­de Museen poli­tisch bes­ser abge­stützt und durch die Subventionierung bes­ser getra­gen wären. Wenn zwei Museen um  BesucherInnen buh­len, so ist das erreich­ba­re Besucher-Spektrum grös­ser, als wenn nur eine Institution sich pro­mo­tet. Eine ziem­lich ein­fa­che  Binsenwahrheit. Den Beweis hat der Zusammenschluss vom Berner Symphonieorchester (BSO) und dem Stadttheater Bern gelie­fert: Seit bei­de Häuser unter einem Dach ver­eint sind, ist das BSO unsicht­bar gewor­den. Die neue Institution ist gefühlt klei­ner, und hat die Wichtigkeit des renom­mier­ten  Orchesters ent­thront. Das war nicht die ursprüng­li­che Idee – aber die Realität des Jetzt. Diesen Zustand rück­gän­gig zu machen wird schwie­rig, und so  ist der Verlust grös­ser als der Gewinn. Ich gehe davon aus, dass sich das glei­che Debakel bei einer Fusion der bei­den Museen ein­stel­len wür­de.

Andersrum kre­iert ein Zusammenlegen bei­der Museen Angst. Menschen ver­lie­ren ihre Stellen, ihre Funktionen, ihre Positionen, ihre Macht. Stiftungen  und Institutionen, wel­che sich jah­re­lang mit finan­zi­el­len Aktionen an einer Sache betei­lig­ten, wel­che Ihre Stiftungssammlungen zur  Verfügung stell­ten, wer­den plötz­lich ihres Ziels beraubt. Dies ist übri­gens ein Punkt, der mir im Zwischenbericht auf­ge­fal­len ist: Niemand spricht über  die ein­zel­nen Ziele, son­dern nur über den «IST-Zustand». So bestehen die Museen nicht aus Geschichte, Gegenwart und Zukunft, und man ver­sucht  auch nicht, die­se Zeiten zusam­men­zu­brin­gen, son­dern zer­stört die­se Zeiten und will ein­fach etwas Neues bau­en. Das kann so nie funk­tio­nie­ren, ohne  dass sich Widerstand for­miert. Die Krankheit des zeit­ge­nös­si­schen Denkens ist, dass wir die Geschichte ver­ges­sen.

Matthias Frehner, der Direktor des  Kunstmusems Bern, hat es an der Pressekonferenz rich­tig auf den Punkt gebracht: Zwei Museen zusam­men­zu­fü­gen macht kei­nen Sinn. Wenn schon,  dann müss­te man eine Dachorganisation für meh­re­re Museen in Bern bau­en. Erfolgreiche Projekte dazu gibt es in Deutschland und Österreich. Bei  die­sem Modell wür­de genau der geschicht­li­che Teil in den Museen blei­ben, und die Organisation mas­siv ver­bes­sert und ver­ein­facht.

In der Diskussion  wird ja auch das Kooperationsmodell über­dacht. Nun, einer Kooperation steht nie etwas im Wege – und bereits jetzt arbei­ten die bei­den Museen ganz  gut zusam­men. Eine Kooperation wür­de aber nichts Neues brin­gen. Lassen wir also lie­ber alles beim Alten und lösen die Probleme, in dem wir der Politik und den BernerInnen erklä­ren, war­um wir mit zwei Museen bes­ser fah­ren.

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