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«Früher woll­te ich wie Tom Yorke klin­gen»

Von Martin Sigrist – Interview Conor O’Brien, Villagers, 3.12.13, Plaza Züric:  The Villagers ver­öf­fent­lich­ten nach vie­len Preisen und Nominierungen im Januar ihr zwei­tes Album. Die ursprüng­lich nur aus ihrem Sänger Conor O’Brien bestehen­de iri­sche Pop-Band wagt mit ihrem zweit­ling «Awayland» den Schritt zur voll­stän­di­gen Band, zumin­dest auf Tour. Ensuite traf Conor vor dem Konzert in der Raucherlounge vom Plaza in Zürich, von der er begei­stert zu sein scheint.

Rauchst Du?

Nein, ich bin nicht so der Raucher und klin­ge auch nicht nach Tom Waits.

Bist Du denn mit Deiner Stimme zufrie­den?

Zufreidener als je zuvor. Früher hass­te ich es, mei­ne Stimme auf Aufnahmen zu hören und ver­such­te, wie ande­re Leute zu klin­gen. Jetzt habe ich mei­ne eige­ne Stimme, und die fin­de ich gut, wenn ich das so sagen darf. Es ist nicht mehr so schmerz­lich, sie zu hören.

Wie soll­te denn Deine Stimme frü­her klin­gen?

Früher woll­te ich wie Tom Yorke klin­gen, so zer­brech­lich. Es war fas­zi­nie­rend, nach Zusammenbruch zu klin­gen. Ich woll­te ihn ober­fläch­lich imi­tie­ren, ohne zu ver­ste­hen, woher die Stimme wirk­lich kommt. Auch Nina Simone habe ich mir oft ange­hört, aber da war klar, dass ich die Stimme nie haben wer­de. Dann habe ich mei­nen eige­nen Weg gefun­den indem ich gelernt habe, mit mir klar zu kom­men.

Was hat es denn gebraucht, um nicht mehr schmerz­lich zu sein?

Zeit, Übung, Arbeit, und dau­ernd Aufnahmen zu machen. Ich ver­su­che mich nicht mehr so sehr dar­auf, auf die Stimme zu foku­sie­ren, son­dern auf Akkorde, Texte, das Arrangieren. So wur­de mei­ne Stimme irgend­wie selb­stän­dig. Ich habe die Songs als eine Art Rollenspiel ver­schie­den gesun­gen und gemerkt, dass ich mei­ne eige­ne Stimme gar nicht brau­che. Nach die­ser Erkenntnis bekam ich einen ganz ande­ren Blick auf mei­ne Stimme, eine objek­ti­ve Sicht auf mich.

Stimmt es, dass Deine Texte beim neu­en Album weni­ger per­sön­lich sein soll­ten?

Das habe ich mal gesagt, aber wohl nicht wirk­lich gut getrof­fen. Ich kann mich nicht mehr genau an die Songs erin­ne­ren (schaut sich das aktu­el­le Album an). Die Songs sind nicht weni­ger per­sön­lich, selbt wenn sie weni­ger per­sön­lich klin­gen, denn sie sind ja noch immer von mir, und es gab gute Gründe, dass ich sie geschrie­ben habe. Ich war ein­fach ver­spiel­ter mit den Filtern für mei­ne Gefühle. Ich fin­de es komisch, wenn man mich danach fragt, was ich mit den Songs rüber­brin­gen woll­te, denn so fun­kio­nert das nicht. Es ist kei­ne Rede oder ein Statement, son­dern folgt dem was in mir vor­geht. Da habe ich kei­ne Kontrolle.

Du schreibst zuerst alle Songs sel­ber und nimmst die Musiker erst nach­her dazu: funk­tio­niert das gut?

Bis jetzt schon. Ich bezah­le mei­nen Musikern Lohn, so dass sie bis zur Tour machen kön­nen, was sie wol­len. Wir spie­len heu­te auch einen neu­en Song, den ich in einem Hotelzimmer geschrie­ben habe. Die Band mach­te dann ihr Ding dazu, ganz ohne Demoaufnahmen, so machen wir es sonst nie. Für das aktu­el­le Album habe ich acht Monate daheim Probeaufnahmen gemacht, mit Bass, Schlagzeug, Gitarre. Dann haben die Jungs mit­ge­spielt und alles fürs Album ein biss­chen geän­dert. Auf dem ersten Album habe ich alles sel­ber gespielt, auch fürs Album. Beim näch­sten Album wer­den sie viel­leicht noch mehr bei­tra­gen. Hoffentlich ist das nicht mei­ne Faulheit, son­dern gegen­sei­ti­ges Vertrauen, so dass ich mich ganz lang­sam weni­ger unter Druck set­ze.

War es für Dich schwie­rig, die Songs los­zu­las­sen und ande­re Menschen zu betei­li­gen?

Bei den neu­en Songs nicht mehr, denn es hät­te nicht gehol­fen es anders zu machen. Die Jungs spie­len, und es fühlt sich für mich an, als wür­de ich dar­über schwe­ben. Selbst als wir neu­lich einen Song das erste mal über­haupt an einem Konzert zusam­men gespielt haben, war das sehr natür­lich. Bei einem ande­ren Song habe ich dann wie­der alles sel­ber gemacht. So ganz hin­ter der Idee des Loslassens ste­he ich also wohl noch nicht.

Du warst mit Deinem neu­en Album ein Jahr auf Tour, wie hat es sich in der Zeit ver­än­dert?

Ich bin ziem­lich kri­tisch, und den­noch mit allem ein­ver­stan­den was ich dar­über lese, ob gut oder schlecht. Viele Freunde moch­ten das alte Album und sind entäuscht über das neue, das sich nicht mehr anfüh­le, als sei man mit der Person auf dem Album in einem Raum. Bei dem neu­en schei­ne ich wei­ter weg, von oben zu schau­en. Ich fin­de es aber inter­es­sant, denn die neu­en Songs sind zor­ni­ger und direk­ter, mit weni­ger Metaphern und Symbolen. Mein Bruder mein­te neu­lich, sie über­lies­sen weni­ger der Fantasie. Doch genau das woll­te ich.

Das Publikum denkt sich manch­mal bei Dir, der arme Bub mit dem Hundeblick. Merkst Du das?

Ja, ich spie­le etwas damit, denn auf der Bühne macht man immer eine Show. Manchmal füh­le ich mich wie eine ande­re Person, manch­mal bin ich mir mei­ner Körperlichkeit sehr bewusst. Der phy­si­sche Aspekt des Auftritts hat einen gros­sen Einfluss auf das Spiel und das Erlebnis. Jetzt bekom­me ich graue Haare, viel­leicht nimmt man mich dann ern­ster.

Foto: zVg.
ensuite, Januar 2014