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Film und Leben – Round Table

Fragen haben es in sich. Es gibt am Filmfestival in Locarno zu fast jedem Film eine Diskussion mit den Filmschaffenden. Die Fragen schei­nen den Zweck zu haben, kei­ne zu stel­len. Keine sol­che, die von Belang sind. Die auch einen selbst betref­fen. Was zeig­te, dass einen der Film betrifft. Es liegt kaum an den Filmen. Die zei­gen nur, was im Leben Sache ist: Liebe, Tod, Freundschaft, Eifersucht, Verrat, Misserfolg, unse­ren ewi­gen Blues. Aber war­um stel­len nur die Filme Fragen, war­um zögert das Publikum? – So blei­ben auch die Antworten aus. Vielleicht gibt es kei­ne.

Fragen über Fragen

Fragen über Fragen: Manche sind schon Antworten, also kei­ne ech­ten Fragen. Und was sind Antworten, die nicht wie­der neue Fragen auf­wer­fen? Peinliche Fragen bewir­ken Pein. Aber jede Pein ist per­sön­li­cher Natur. Ein Krebskranker hat ein ande­res Verhältnis zu Krebs als ein Gesunder. Verlassene ertra­gen kaum Verliebte. Und wie füh­len sich Regisseure, wenn man sie nur immer artig nach der Art ihrer Filme fragt?

Art heisst auch Kunst. Kann man über Kunst über-haupt reden oder noch weni­ger schrei­ben? Fragen Sie ruhig. Fragen Sie wild. Fragen lernt man im Leben, kaum an der Universität. Fragen ist das Gegenteil von Gehorsam. Fragen ist Mut und das Recht auf Reden in einer Demokratie. Man scheut nicht mehr Antworten. Max Frisch such­te in sei­nen Tagebüchern kei­ne Antworten, son­dern Fragen. Siehe die Beispiele. Einige sind auch von uns. Machen Sie mit! Senden auch Sie uns Ihre Fragen an info@kulturkritik.ch – Fragen, zum Film und Leben.

Besten Dank! Andy Eglin

Max Frisch (1911–1991)

Lieben Sie jeman­den? – Woraus schlies­sen Sie das?
Was fehlt Ihnen zum Glück?
Wofür sind Sie dank­bar?
Sind Sie mit sich auch so kri­tisch wie mit andern?
Wie alt möch­ten Sie wer­den?
Haben Sie Angst vor dem Tod, und wenn ja, seit wann? – Was tun Sie dage­gen?
Haben Sie schon einen oder eine Tote geküsst?
Haben Sie schon jeman­dem den Tod gewünscht?
Halten Sie sich für einen guten Freund?
Was emp­fin­den Sie als Verrat:
a. wenn der ande­re es tut?
b. wenn Sie es tun?
Wie vie­le Freunde haben sie zur Zeit?
Was wür­den Sie einem Freund nicht ver­zei­hen:
a. Doppelzüngigkeit?
b. dass er Ihnen eine Frau aus­spannt?
c. dass er Personen, mit denen Sie ver­fein­det sind, schätzt und ger­ne mit ihnen ver­kehrt?
Kennen Sie Freundschaft mit Frauen:
a. vor Geschlechtsverkehr?
b. nach Geschlechtsverkehr?
c. ohne Geschlechtsverkehr?
Kennen Sie ein frei­es Land, wo die Reichen nicht in der Minderheit sind?
Wie erklä­ren Sie es sich, dass die Mehrheit in sol­chen Ländern glaubt, sie sei an der Macht?

Kulturkritik.ch

Warum gehen Sie gern ins Kino? – Was ver­mis­sen Sie im Leben?
Schauen Sie ger­ne Sex zu im Film? Erregt es Sie, spre­chen Sie dar­über? Mit wem nicht? Warum?
Was den­ken Sie über Schauspieler, die im Film ech­ten Sex haben?
Erinnern Sie sich an Filme mit häss­li­chen Hauptdarstellern?
Sie wer­den am Festival herz­lich begrüsst von jeman­dem, den Sie nicht aus­ste­hen. Was tun Sie?
Was braucht es, um ech­te Fragen zu stel­len und ech­te Antworten zu erhal­ten? Liegt es an Ihnen?

(Dieser Fragebogen wur­de am 8.8.2012 in 200 Exemplaren in den Lounges des 65. Festival Internazionale del Film di Locarno ver­teilt.)

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