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Fantoche 2011

Von Walther Rohrbach - Das «bewe­gen­de» Internationale Festival für Animationsfilm in sei­ner 9. Ausgabe – eine Erfolgsgeschichte.

Das Festival mit den beweg­ten Bildern bewegt, und dies kann durch­aus dop­pel­deu­tig ver­stan­den wer­den. Denn nicht nur Kenner und Profis, son­dern auch zahl­rei­che Laien und Filmbegeisterte bewe­gen sich jähr­lich wie­der­keh­rend zum Internationalen Festival für Animationsfilm in die Kinos nach Baden. Dies nicht ohne Grund: Der Anlass, der inter­na­tio­na­le, wie auch natio­na­le Animationsfilme zeigt – vie­le davon Premieren – hat eini­ges zu bie­ten. Neben einer Vielzahl von Langund Kurzfilmen prä­sen­tiert das Festival zudem Referate, Gespräche mit Experten und Ausstellungen, und gestat­tet damit die Möglichkeit in die viel­sei­ti­ge Welt des Animationsfilms ein­zu­tau­chen. Der «Internationale Wettbewerb» und der «Schweizer Wettbewerb» prä­sen­tie­ren und prä­mie­ren zudem die besten Neuheiten in der jewei­li­gen Sparte, und run­den das viel­sei­ti­ge Programm ab. Freunde, Kenner und Interessierte des Animationsfilms dür­fen sich auf sechs span­nen­de Tage mit einem breit­ge­fä­cher­ten und inter­es­san­ten Festivalprogramm freu­en. Kreativer Kopf des Festivals ist Duscha Kistler, wel­che als künst­le­ri­sche Leiterin das gesam­te Festivalprogramm koor­di­niert und gestal­tet. Unter ihrer Leitung hat sich das Fantoche zu einem erfolg­rei­chen und inter­na­tio­nal viel beach­te­ten Filmfestival ent­wickelt, und konn­te bei­spiels­wei­se im letz­ten Jahr mehr als  30’000 Eintritte ver­zeich­nen. Das ensuite-Kulturmagazin traf die sym­pa­thi­sche Wahlbernerin zu einem Gespräch.

Duscha, was ist für dich ein guter ani­ma­ti­ons­film?
Eine gene­rel­le Aussage zu machen über einen guten oder schlech­ten Animationsfilm ist schwie­rig, denn jeder hat sei­ne per­sön­li­chen Vorlieben. Ich als künst­le­ri­sche Leiterin fin­de es wich­tig, dass nicht nur mein per­sön­li­cher Geschmack beim Festival ver­tre­ten ist. Gerade für den Internationalen Wettbewerb ist es wich­tig, auch ande­re Blickwinkel ein­flies­sen zu las­sen. Deshalb arbei­te ich bei der Selektion für den «International» mit wei­te­ren Selektionspartnern zusam­men, die teil­wei­se aus ganz ande­ren Gebieten kom­men. Allerdings darf auch ein Animationsfilmfestival einen eige­nen
Charakter mit eige­nen Vorlieben haben. Bei der Beurteilung von Animationsfilmen gibt es den­noch eini­ge Grundregeln die beach­tet wer­den müs­sen. Beispielsweise ist es wich­tig, dass das Handwerk beherrscht wird: Bewegen sich die Animationen gut? Sind die Bewegungen ruck­ar­tig, oder ist es hand­werk­lich exakt gemacht? Nimmt man dem künst­lich gene­rier­ten trotz­dem eine gewis­se Realität ab? Weiter wird dar­auf geach­tet, dass eine Geschichte strin­gent erzählt wird, und wie das Sounddesign daher­kommt. Ein wich­ti­ger Faktor ist der Umgang mit der Zeit. Es gibt vie­le Filme, die sind ein­fach zu lan­ge. Es ver­langt viel Können, um einen Film auf ein Minimum an Zeit her­un­ter­zu­bre­chen und zu einer Essenz zu brin­gen. Zudem muss ein Film nicht zwin­gend eine Botschaft haben, son­dern darf  durch­aus auch «nur» lustig und unter­halt­sam sein. Meine per­sön­li­chen Favoriten sind Filme, die etwas erzäh­len und ästhe­tisch etwas aus­ser­ge­wöh­li­ches haben. Filme, die ver­su­chen mit den Mitteln der Animation etwas her­zu­stel­len, was man noch nicht gese­hen hat und expe­ri­men­tie­ren, fin­de ich sehr span­nend. Gleichzeitig hat ein kon­ven­tio­nel­ler Film, der sehr unter­halt­sam und wit­zig gemacht ist und dem Publikum Spass macht, genau­so einen hohen Stellenwert.

Trotzdem, lässt sich eine Tendenz erken­nen bei den Filmen, die jeweils die ver­schie­de­nen Preise gewin­nen?
Beim Internationalen Wettbewerb wer­den eher Filme aus­ge­zeich­net die eine gewis­se Extravaganz haben. Zudem wer­den in unse­rem Festival ver­schie­de­ne Sparten des Animationsfilms aus­ge­zeich­net. Es gibt bei­spiels­wei­se den «High-Risk Preis», oder den Preis für die «New Talents», die ruhig auch her­vor­ste­chen dür­fen. Der Gewinner der Rubrik «Best Film» kann aber auch kon­ven­tio­nell sein. Zudem ist die Evaluation sehr abhän­gig von der Jury, wel­che von mir übri­gens auf­grund ihres spe­zi­el­len und span­nen­den Blickwinkels gewählt wird.

Bei heu­ti­gen Animationsfilmen denkt man an auf­wän­di­ge Computeranimationen. Gibt es über­haupt noch Handzeichnungen, oder fin­det mitt­ler­wei­le alles auf dem Computer statt?
Klar, das gibt es noch. Sogar noch mehr als man erwar­ten wür­de. Dies vor allem im Kurzfilmbereich. Tatsächlich wer­den weni­ger Computer ein­ge­setzt, als man viel­leicht ver­mu­ten wür­de. Es gibt noch sehr vie­le, die in die­sem Bereich tätig sind, wel­che das Handwerk lie­ben und ihren eige­nen Stil wol­len. Grundlage eines Kurzfilms ist oft­mals eine Zeichnung, oder die Malerei, Figuren oder Puppen die spä­ter mit­hil­fe der Computertechnik nach­be­ar­bei­tet wer­den. So gibt es durch­aus noch Filme, wo die Grundanimation mit Figuren oder Puppen gemacht wird, und erst in der  Postproduktion mit dem Computer nach­be­ar­bei­tet wird. Das ist das Spannende bei den Animationsfilmen: man hat eine rie­si­ge Bandbreite von tech­nisch hoch­ste­hen­den 3D com­pu­ter­ani­mier­ten Filmen bis zu den ganz ein­fa­chen Zeichentrickfilmen. Es gibt aber extrem gros­se Qualitätsunterschiede zwi­schen den ein­ge­sand­ten Filmen. Wir wäh­len aus über 900 Filmen aus, und schluss­end­lich
wer­den nur ganz weni­ge am Festival gezeigt. Die Selektion der Filme ist immer eine inten­si­ve Zeit, wäh­rend zehn Tagen wer­den die Filme aus­ge­wählt.

Was sind das für Leute die Animationsfilme her­stel­len? Gibt es tat­säch­lich die­se Nerds, die tage­lang vor dem Bildschirm sit­zen?
Einige Animationsfilmer sind tat­säch­lich Freaks! Ich mei­ne das nur posi­tiv. Es sind Leute die abso­lut fas­zi­niert sind von dem Medium, und dem Generieren und Schaffen von eige­nen Bildwelten. Zudem ist es eine sehr ange­neh­me Szene, unprä­ten­ti­ös und ohne gros­se Stars. Aber auch hier ist die Bandbreite der Filmschaffenden sehr gross: So gibt es vie­le, die im Team arbei­ten, ande­re wie­der­um, wel­che die Filme von A bis Z allei­ne pro­du­zie­ren. Bei den Langfilmen sind oft um die 100 Leute im Team dabei, die das Ganze mit Produktionszeiten von vier bis fünf Jahren umset­zen. Aus die­sem Grund unter­schei­den sich die Filme auch bezo­gen auf die inve­stier­te Zeit erheb­lich. So kann man in einer Woche einen 15-minu­tigen Animationsfilm her­stel­len oder viel mehr Zeit
dafür inve­stie­ren.

Wie wür­dest du das Publikum beschrei­ben?
Wir haben ein gut durch­misch­tes Publikum, das vor allem eines ist: sehr an der Materie inter­es­siert! Vom Kleinkind bis zum Rentner sind die ver­schie­de­nen Altersstufen gut ver­tre­ten. Wir haben zwar eini­ge Sachen, die sehr Branchenspezifisch sind, und die wir auch spe­zi­ell für die­se Branchen brin­gen, aber schluss­end­lich sind wir ein Publikumsfestival. Trotz der Tatsache, dass wir nicht ein wirk­li­ches Mainstreamfestival sind, ist das Festival beim Publikum sehr beliebt und wird von den Leuten rege besucht. Einen beson­ders schö­nen Moment wäh­rend des Festivals fin­de ich, wenn man
das Kino betritt und spü­ren kann, wie sich die Leute für das Dargebotene inter­es­sie­ren. Besonders bei den Filmen, die beim Internationalen Wettbewerb mit­ma­chen, wo neben leicht­be­kömm­li­chen
auch wirk­lich anspruchs­vol­le und schwer ver­dau­ba­re Filme gezeigt wer­den, ver­hält sich das Publikum inter­es­siert. Ich fin­de wir haben ein sehr gutes, aus­ge­wo­ge­nes, neu­gie­ri­ges Publikum.

Kannst du das Festival über­haupt genies­sen bei dem hohen Druck und der gros­sen Verantwortung?
Sicherlich kann man sagen, dass es sechs sehr inten­si­ve Tage sind, wäh­rend denen ich in den Kinos unter­wegs bin, Filme ansa­ge und diver­se Gäste begrüs­se. Das ist nicht unbe­dingt nur mit Stress ver­bun­den, son­dern es ist auch die Zeit, in der man die Früchte für die gelei­ste­te Arbeit ern­ten kann. Im Kino zu sein und mit­zu­be­kom­men, ob es funk­tio­niert, fin­de ich sehr wich­tig. Ebenso die Momente durch­zu­ste­hen, wenn man merkt, dass etwas nicht funk­tio­niert, gehö­ren zum Festival dazu. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn das Programm bei den Kurzfilmen zu lang wird und die Leute unru­hig wer­den, oder wenn ein Redner zu lan­ge oder am Thema vor­bei refe­riert. Bei einem Festival arbei­test du zudem auf einen Höhepunkt hin, was eine enor­me Teamarbeit erfor­dert. Wenn
man das Festival gemein­sam erlebt, schweisst das extrem zusam­men. Eigentlich ist ein Festival immer auch ein Gemeinschaftserlebnis.

Eignet sich denn der Animationsfilm auch zur Darstellung von ern­sten Themen?
Viele Leute reagie­ren erstaunt, dass dies mit einem Animationsfilm mög­lich sein soll, da die­sem häu­fig die Vorstellung des Fantastischen anhängt. Der Animationsfilm wird oft gleich­ge­setzt mit etwas Erfundenem, Unrealem oder Unernsthaftem. Tatsächlich gibt es das natür­lich oft. Gleichzeitig gibt es eini­ge ernst­haf­te Filme, auch wenn sie voll­stän­dig der Fantasie ent­sprin­gen. Der Animationsfilm
kann eben­so doku­men­ta­risch sein wie ein Realfilm. Allerdings auf eine ande­re Art, da er ein rea­les Bild ergän­zen kann durch inne­re Bilder, oder etwas dar­ge­stellt wer­den kann, das mit einem rea­len Bild nicht hät­te auf­ge­zeich­net wer­den kön­nen. Beispielweise der ani­mier­te Dokumentarfiilm über die grü­ne Welle im Iran, «The Green Wave», wo der Filmemacher gewis­se Bilder und Situationen erlebt hat, die er selbst nicht fil­men konn­te. Mithilfe der Animation konn­te er sie nach­bil­den.

Gibt es kul­tu­rel­le Unterschiede im Animationsfilm und las­sen sich natio­na­le Unterschiede aus­ma­chen?
Ja, die gibt es durch­aus. Wenn auch immer weni­ger. Die Unterschiede wer­den immer klei­ner, und die ver­schie­de­nen Eigenheiten ver­flies­sen zuneh­mend. Beispielsweise der «Anime»-Stil aus Japan, wel­cher typisch für Animationsfilme aus Fernost ist. Allerdings wird das heu­te zuneh­mend durch­bro­chen, und es gibt auch ande­re japa­ni­sche Filme. Auch Russland hat einen ganz bestimm­ten Stil in der Zeichenanimation. Kenner mer­ken sofort, dass gewis­se Filme auf­grund ihres eige­nen Stils aus Russland kom­men. Es gibt Nationen, in wel­chen der Animationsfilm stär­ker ver­brei­tet ist. So kann Russland als eine Animationsfilmnation bezeich­net wer­den, eben­so Kanada und Frankreich. Die Schweiz steht dabei gar nicht so weit abseits. Obwohl sie rela­tiv klein ist und nur eine klei­ne Szene besitzt, haben wir zwei bis drei Filmschaffende, die mit ihren Filmen inter­na­tio­nal stän­dig unter­wegs sind. Zudem gibt es in Luzern seit zehn Jahren eine Ausbildung in die­sem Bereich, deren Auswirkungen bemerk­bar sind. Meiner Meinung nach ist der Schweizer Animationsfilm die Sparte inner­halb des Schweizer Films, die inter­na­tio­nal am mei­sten Aufmerksamkeit geniesst. Zudem gewin­nen Schweizer Kurzfilme wie­der­holt Preise.

Was schaust Du pri­vat für Filme?
Das kommt im Moment lei­der sehr sel­ten vor, da ich nicht viel Zeit habe. Wenn, dann schaue ich sel­ten Animationsfilme. Dies mache ich am Festival zur Genüge, und wenn ich pri­vat ins Kino gehe, schaue ich ger­ne auch ande­re Filme. Gerne mag ich Dokumentarfilme oder auch nor­ma­le Spielfilme.